Von Bienen und Menschen

  • Veröffentlicht am: 14.12.2018

Von Bienen und Menschen

Die Autorin Ulla Lachauer hat sich für die Neuerscheinung bei Rowohlt auf eine Reise quer durch Europa gemacht und überall Imker besucht, um ihnen und dabei auch den Bienen näher zu kommen. Herausgekommen sind dabei 14 Porträts passionierter Imker und eine kleine Geschichte der Biene in Europa.

Die Reise beginnt in Stuttgart und setzt sich dann fort über mehrere Stationen bis sie schließlich im Osten die russische Exklave Kaliningrad erreicht und im Süden Europas das Bienen-verrückte Slowenien und die französischen Pyrenäen. Die Autorin hat von überall neue Einsichten mitgebracht und jedes Mal auch ein schmackhaftes Rezept, etwa für Tannenhonig-Parfait aus dem Schwarzwald, für den süßen Honigpudding eines syrischen Flüchtlings oder für die Zubereitung memelländischer Honiggurken.

Trotz der langen Reise zu ganz unterschiedlichen Imkern quer durch das heutige Europa mit all seinen aktuellen Problemen beginnt und endet Ulla Lachauer ihre Reise geschickt mit der Imkerin Galina, ihrem ersten Zugang zu Honigbienen – lange bevor sie dieses Buchprojekt begonnen oder wahrscheinlich auch nur im Sinn hatte.

Bei der Reise traf sie auf Imker unterschiedlichster Länder; oftmals haben sie einen anderen Blick auf die Welt, sodass sich auch das Bild er Autorin mit jeder neuen Begegnung verändert. Dabei traut sie sich auch durchaus politisch zu werden.

Manch ein Imker ist wie Simon Höjeberg auf Gotland, eher auf das große Geschäft aus und sieht die Bienen als Mittel zum Zweck, sodass er ganz pragmatisch die erst spät eingeführte Apis mellifera ligustica für sich nutzt. Anders als die einheimische Honigbiene bringt sie einfach mehr Honig. Andere Imkertypen sind weniger auf den Honig aus und interessieren sich mehr für die Genetik, während nur wenige lediglich auf das Betrachten der Bienen aus sind.

Die Autorin schafft durchaus den Spagat, immer äußerst interessant, auch wenig vorgebildeten Lesern die Biologie der Honigbiene nahe zu bringen. Dazu gehört auch eine Reise zurück bis zum Rassenwahn des Dritten Reiches und dem damaligen Imkermeister Hans Peschtz, dessen Carnica-Bienen die einheimischen Bienen überrennen sollten, nachdem sie vom Reichskörnmeister und NDSAP-Mitglied Dr. Gottfired Goetze ausgezeichnet wurden.
Während des Dritten Reiches gab es noch kein Bekenntnis für oder gegen eine der beiden Unterarten, Hauptsache sie hatte einen Stammbaum. Nachdem der Weg für die Carnica bereitet war, wurde die Werbetrommel auf allen Ebenen gerührt, die alte NSDAP-Garde mit dabei. Und auch das Bieneninstitut Celle, in der die Autorin in alten Quellen forschte, war mit von der Partie. Dort stieß sie auf eine Untersuchung des Bieneninstituts, wonach die Ligustica die geringste Honigleistung, die Carnica die höchste haben sollte – ein Ruck geht danach durch Deutschlands Imkerwelt und er Siegeszug der Carnica konnte beginnen. Der Traum von der Weltbiene hat sich für Deutsche und Österreicher aber nicht erfüllt, denn trotz der Bemühungen einer starken vereinten Lobby ist dies heute mit Abstand die Ligustica.

Immer wieder finden sich auch Bienen- und Menschengeschichten miteinander geschickt verwoben in den Erzählungen, etwa ein Blick zurück in die DDR, die dort vom Staat vorgegebene Einheitsbeute und A. m. carnica, nicht zu vergessen Kunsthonig, denn auch Honig blieb stets Mangelware.

Oder die Geschichte des syrischen Flüchtlings Abd Alkadr Alazo Alabed, der von Tobruk über das Mittelmeer bis nach Lüneburg flüchtete. In Syrien hatte er zusammen mit seinem Vater eine kleine Imkerei betrieben. Die Bienenhaltung hat er auch hier zu Lande inzwischen wieder aufgenommen. Seine Geschichte ist nicht nur die einer Flucht und Familienzusammenführung in Deutschland, sondern auch die der Aufgabe einer traditionellen Bienenhaltung. In Syrien hat er der nach seinen Angaben wehrhaften Syrischen Biene Apis mellifera syriaca geimkert. Es folgten Versuche mit der in Syrien weniger geeigneten Ligustica und der Einführung der Magazinbeuten-Haltung zusammen mit dem (zeitweise illegalen) Import von Carnica-Bienen. Mit ihr kamen die Varroa und westliche, chemische Behandlungsmethoden, aber es gab auch Versuche, die Varroa mit traditionellen Mitteln in den Griff zu bekommen.

Da die Fachsprache der Imker für viele Neuland ist, findet sich am Ende des Buches ein Glossar, das so manchem Novizen hilft, sich in dieser eigenen Welt zurechtzufinden.

Die Bedeutung der Honigbiene, kommt natürlich auch nicht zu kurz, doch das Buch ist mehr. Manchmal wird die Autorin politisch und deckt sogar auf, wie wenig sich die deutsche Imkerschaft um die Aufarbeitung ihrer Rolle im Dritten Reich bemüht hat. Insgesamt ein kleines Juwel aktueller Bienenliteratur.

Bibliographische Angaben
Autor/Herausgeber: 
Titel: 
Von Bienen und Menschen
Verlag: 
Auflage: 
1
Seitenzahl: 
384
ISBN: 
9783498039264
Preis: 
22,00 € (D)
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