Glyphosat verseuchter Honig in Brandenburg

  • Veröffentlicht am: 22.05.2019

Zu viel Glyphosat macht Honig ungenießbar. Foto: Aurelia Stiftung/Florian Amrhein

Die Verwendung von Glyphosat und anderen Pestiziden in der Landwirtschaft kann zu schwerwiegenden Kontaminationen von Honig führen. Dies zeigt sich besonders an einem aktuellen Fall in Brandenburg.

Ende April stellte die Bio-Imkerei Seusing an einem ihrer Bienenstandorte im Landkreis Barnim (Brandenburg) fest, dass auf dem angrenzenden Acker das glyphosathaltige Herbizid Durano TF (Hersteller: Monsanto) ausgebracht worden war. Die rund 70 Hektar große Fläche war zu diesem Zeitpunkt dicht mit blühendem Löwenzahn bewachsen und wurde von den Bienen der Imkerei als Futterquelle genutzt. Der verantwortliche Landwirt hatte das Imkerpaar Camille Hoornaert und Sebastian Seusing nicht über die Spritzmaßnahme informiert. Sie hatten so keine Chance, die Honigbienen rechtzeitig umzustellen und die Honigerträge zu retten.

Eine Laboruntersuchung zeigte, dass der Honig schwer belastet ist. Die am Standort entnommenen Honigproben weisen eine bis zu 160-fache Überschreitung des zulässigen Grenzwertes für Glyphosat auf. Die Frühjahrsernte der Bio-Imkerei – rund 600 Kilogramm Honig – ist somit nicht mehr verkehrsfähig und muss entsorgt werden. Der betriebswirtschaftliche Schaden ist hoch. Doch nicht nur die Existenz von Imkern wird durch derartige Spritzungen in offene Blüten gefährdet. Sie belasten die Gesundheit von Honigbienen, Wildbienen und anderen Insekten und tragen damit auch zum Artensterben bei.

Die Imkerei Seusing wird mit Unterstützung der Anwälte der Aurelia Stiftung Schadensersatzansprüche geltend machen und versuchen, für die nächste Anbausaison Schutzvorkehrungen beim Verwaltungsgericht durchsetzen.

Protestaktion vor dem BMEL

Das betroffene Brandenburger Imkerpaar hat vergangene Woche zusammen mit der Aurelia Stiftung und solidarischen Imkern eine Protestaktion vor dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) durchgeführt. Die 600 Kilogramm belasteten Honigs wurden symbolisch vor dem Ministerium abgestellt. Anlässlich des Weltbienentags am 20. Mai haben die Teilnehmer einen offenen Brief an Bundesministerin Julia Klöckner übergeben, in dem sie einen besseren Schutz von Bienen, Imkern und der ökologischen Artenvielfalt fordern.
Die Anwendung von Glyphosat und anderen Pestiziden in blühende Pflanzenbestände soll umgehend untersagt werden.

Noch mehr Honig betroffen [Update: 25. November 2019]

Waren ursprünglich „nur“ 600 Kilogramm Honig belastet und nicht mehr verkehrsfähig, so ist inzwischen klar, dass ein weiterer Standort betroffen ist. In einer Entfernung von drei Kilometern vom ursprünglich allein betroffenen Standort unterhält die Imkerei Seusing einen weiteren Stand mit Honigbienen. Insgesamt geht es jetzt um mindestens 2,7 Tonnen Honig, die aus dem Verkehr gezogen werden müssen. Davon befinden sich rund 300 Kilogramm bereits in den Verkaufsregalen des Einzelhandels und müssen zurückgerufen werden.

„Die Aussicht, einen Großteil unserer Jahresproduktion in die Müllverbrennungsanlage fahren zu müssen, erschüttert uns und zeigt die Absurdität des landwirtschaftlichen Systems in Deutschland auf“, sagt Sebastian Seusing und fügt an: „Wir rechnen fest damit, dass das Bundesamt für Verbraucherschutz (BVL) feststellen wird, dass eine Gesundheitsgefährdung der Verbraucher nicht besteht. Unabhängig davon gehört Glyphosat grundsätzlich nicht in Honig und dafür setzen wir uns ein!“

Haftungsfrage ungeklärt

Die Imkerei Seusing existiert seit elf Jahren; der nun vorliegende fremdverursachte Schaden mit ungeklärter Haftungsfrage ist existenzbedrohend. Bei den anstehenden juristischen Prozessen wird die Aurelia Stiftung und das „Bündnis zum Schutz der Bienen“ die Imkerei Seusing dabei unterstützen, Schadensersatz geltend zu machen und auf einen gesetzlichen Schutzanspruch für Imkereien vor derartigen Pestizidschäden hinzuwirken.
 
„Die Tatsache, dass Imkereien bisher auf solchen Schäden sitzen bleiben, werden wir nicht weiter hinnehmen. Haften müssen stattdessen der verursachende landwirtschaftliche Betrieb, der Pestizide unsachgemäß angewendet hat, oder aber die Zulassungsbehörden, die Pestizide ohne ausreichende Anwendungsbeschränkungen zulassen“, sagt Thomas Radetzki, Vorstand der Aurelia Stiftung und Initiator des Bündnisses. Die Aurelia Stiftung fordert seit Jahren ein Anwendungsverbot von Glyphosat in blühenden Pflanzenbeständen.
 
Aufgrund von Abdrift und Gewässereinträgen sind Pestizid-Rückstände längst nicht nur auf dem Acker, sondern auch in Siedlungsräumen und in entlegensten Naturschutzgebieten und Wäldern nachweisbar.
Ziel der Aurelia Stiftung ist es, einen angemessenen Schutz vor Pestizid-Einträgen in Lebensmitteln durchzusetzen. Grundsätzlich.

Vier Tonnen Glyphosat-Honig für Julia Klöckner [Update: 13. Januar 2020]

Über vier Tonnen Glyphosat-belasteten Honig lädt das Brandenburger Imkerpaar am 15, Januar und damit wenige Tage vor Beginn der Grünen Woche vor dem Landwirtschaftsministerium in Berlin abladen. Gemeinsam mit zahlreichen anderen Imkern verleihen sie so ihrer Wut über die verfehlte Agrarpolitik der Bundesregierung Ausdruck.
 
Die Adressatin des Protest ist Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU). Die Imker werfen ihr vor, entgegen ihrer Versprechen („Was der Biene schadet, kommt vom Markt.“) zu wenig für den Schutz von Bienen, Imkern und der ökologischen Artenvielfalt zu tun. Sie fordern eine Abkehr von einer intensiven, chemiegestützten Landwirtschaft, in der weiterhin Pestizide in blühende Pflanzen gespritzt werden dürfen – selbst in nächster Nähe zu Bienenstöcken.

Indexierung
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