Keine Überprüfung der Glyphosat-Zulassung

  • Veröffentlicht am: 16.09.2020

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden: Zulassungsverlängerung ist kein Verwaltungsakt, sondern quasi Gesetz. Foto: Laurent Verdier/Pixabay, CC0

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat entschieden, dass Umweltverbände kein Recht besitzen, Zulassungen der EU-Kommission für Pestizid-Wirkstoffe überprüfen zu lassen. Anlass für das Gerichtsverfahren war eine mehr als 100-fache Überschreitung des Grenzwertes für Glyphosat in Honig im Jahr 2016.
Derartige Verunreinigungen entstehen durch den landwirtschaftlichen Einsatz von Unkrautvernichtern. Imker können den Schaden nicht abwehren, müssen den Honig aber entsorgen, ohne Anspruch auf eine Entschädigung zu haben.

Die EU-Kommission hatte die Genehmigung für den umstrittenen Pestizid-Wirkstoff Glyphosat mehrfach verlängert und zuletzt bis Ende 2022 erneuert. Die Berliner Aurelia Stiftung fand das Problem der Honigverunreinigung durch Stichproben in verschiedenen Bundesländern bestätigt. Sie fordert mit Unterstützung des Deutschen Berufsimkerbundes (DBIB) eine Einschränkung der Zulassung. Zu einem Verbot der Anwendung des Pestizids in blühende Pflanzen war die EU-Kommission aber nicht bereit. „Es ist nicht hinnehmbar, dass die Imkerschaft und die Umwelt solche unkalkulierbaren Nebenwirkungen der konventionellen Agrarproduktion tragen müssen“, so Thomas Radetzki, Imkermeister und Vorstand der Aurelia Stiftung.
  
Um Abhilfe zu schaffen, beantragte die Stiftung daraufhin gemeinsam mit Mellifera e. V. eine gerichtliche Überprüfung der Zulassung des Wirkstoffes. Umweltverbände haben aufgrund der Aarhus-Konvention und der EU-Verordnung 1367/2006 das Recht, Entscheidungen der EU-Kommission im Umweltbereich durch die EU-Gerichte in Luxemburg überprüfen zu lassen. Wegen des Stellenwertes des Verfahrens hatte sich Bayer, als Monsanto-Nachfolger und Zulassungsinhaber von Glyphosat, am Prozess beteiligt.

Nur eingeschränktes Überprüfungsrecht

Die Aurelia-Stiftung wollte das Recht von Umweltverbänden durchsetzen, EU-Genehmigungen von Pestizidwirkstoffen überprüfen zu lassen. Nach ihrer Auffassung ist die dafür gesetzlich vorgesehene Überprüfung ein unverzichtbares Gegengewicht zu Entscheidungen der Kommission, die überwiegend von der Kooperation zwischen Herstellern und den Behörden geprägt ist. Das Urteil des EuGH verhindert ein solches Gleichgewicht im Genehmigungsverfahren für Pestizid-Wirkstoffe.
Der Anwalt der Stiftung, Dr. Achim Willand, erläutert, was das Vorsorgeprinzip der europäischen Pestizidverordnung fordert: „Die EU-Kommission hätte die Glyphosat Zulassung angesichts des nicht abschließend geklärten humantoxikologischen Risikos (Krebsverdacht) sowie der nachweislich schädlichen Auswirkungen von Glyphosat auf die Biodiversität und insbesondere auf die Gesundheit von Blütenbestäubern auslaufen lassen müssen.“
  
Der Europäische Gerichtshof wies die Klage nun am 3. September 2020 in der letzten Instanz aus formalen Gründen ab. Die Verlängerung der Genehmigung von Glyphosat sei kein „Verwaltungsakt“, sondern eine gesetzesähnliche Handlung. Nach dem Urteil steht fest: Umweltverbände können nach geltendem Unionsrecht Genehmigungen für Pestizid-Wirkstoffe nicht von den Unionsgerichten überprüfen lassen. Die Beschränkung des Klagerechts auf „Verwaltungsakte“ steht aber mit den internationalen Verpflichtungen der EU nicht im Einklang. Die Aarhus-Konvention fordert ein umfassendes Klagerecht von Umweltverbänden zur Überprüfung von Entscheidungen mit Folgen für die Umwelt.
Die Aurelia Stiftung fordert nun eine entsprechende Änderung des Unionsrechtes, damit die Umweltverbände auch in dem hochumstrittenen Bereich der Pestizid-Wirkstoffe ihre Aufgabe erfüllen können.