Volksbegehren Artenviefalt – Rettet die Bienen!
Volksbegehren Artenvielfalt. In kurzer Zeit müssen sehr viele Unterschriften gesammelt werden.
Der Eintragungszeitraum für das „Volksbegehren Artenviefalt – Rettet die Bienen!“ ist in Bayern gestartet und läuft noch bis zum 13. Februar. Alle Bürgerinnen und Bürger können bis dahin in ihren Eintragungsstellen und Rathäusern für mehr Artenschutz unterschreiben.
Wenn sich etwa 950.000 Wahlberechtigte in der kurzen Zeit von 14 Tagen eintragen, ist der Weg frei für ein besseres Naturschutzgesetz in Bayern.
Wissenschaftler weisen auf einen Wettlauf mit dem Artensterben hin. Es vollzieht sich auch in Bayern in einem immer rasanteren Tempo. Das Volksbegehren Artenvielfalt verpflichtet die bayerische Staatsregierung per Gesetz, schnell konkrete Maßnahmen zur Rettung der bedrohten Tier- und Pflanzenwelt einzuleiten. „Seit Jahrzehnten verzeichnen wir ein Massenaussterben der Arten in Bayern. Die Biodiversitätsstrategie der bayerischen Staatsregierung konnte diese Entwicklung nicht aufhalten. Mit unserem Volksbegehren haben wir nicht nur die historische Chance, diesen Trend aufzuhalten, sondern wieder mehr Tiere, Pflanzen und eine attraktive Landschaft in unsere Heimat zurückzuholen“, so der Vorsitzende des Landesbundes für Vogelschutz Dr. Norbert Schäffer – das klingt eigentlich nach einer typischen heimatverbundenen Forderung der CSU.
Weiter so in der CSU?
Deren Parteivorsitzender Markus Söder warnt aber geradezu davor. Er sieht vor allem die kleineren landwirtschaftlichen Betriebe von dem Volksbegehren bedroht. Sollte das Volksbegehren Erfolg haben, wolle man vielmehr einen umfassenderen Gegenentwurf vorlegen, mit dem Bienen und Bauern gerettet werden sollen.
Das klingt allerdings wenig glaubhaft, denn die Möglichkeit für eine bessere Landwirtschaftspolitik zu Ungunsten großer landwirtschaftlicher Betriebe hätte man schon längst ergreifen können, um so Natur und Kleinbauern zu retten. Denn das kleinbäuerliche Betriebe bedroht sind und viele aufgeben müssen, ist ein aktuelles Problem der industriellen Landwirtschaft.
An der Basis sieht man es durchaus anders als in der bayerischen Staatskanzlei.
So hat sich in Ansbach der ehemalige Bundestagsabgeordnete Josef Göppel (CSU) dazu bereit erklärt, die Schirmherrschaft für das breite lokale Aktionsbündnis zu übernehmen. Als prominenter Ersteinträger im Nürnberger Rathaus hatte sich für den 31. Januar der Nürnberger CSU-Stadtrat Otto Heimbucher, gemeinsam mit Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD), angemeldet. Und in Oberfranken war die Burgkunstadter CSU-Bürgermeisterin Christine Frieß eine der Ersteinträgerinnen. In Oberbayern war Erwin Weber, CSU-Stadtratsvorsitzende in Moosach, mit dabei: „Ich bin erfreut, dass ich gefragt wurde – wenn deine Partei in der Staatsregierung sitzt, ist dies nicht selbstverständlich.“ Per einstimmigem Vorstandsentschluss hat sich die CSU-Ortsgruppe in Bogenhausen/München dem Volksbegehren Artenvielfalt angeschlossen.
Kleinbäuerliche Betriebe dafür
Insgesamt wenig überraschend, dass viele kleinbäuerliche Landwirte das Volksbegehren aktiv unterstützen. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und die ökologischen Anbauverbände in Bayern (LVÖ) engagieren sich als Bündnispartner für diese direkt-demokratische Gesetzesinitiative. Das Volksbegehren wird einen gesetzlichen Rahmen schaffen, der zu einem Investitionsprogramm für die Landwirte führen wird. Es stärkt die Bauern dabei, ihrer Aufgabe als Bewahrer der Artenvielfalt und Pfleger der Kulturlandschaft nachzukommen. „Das Volksbegehren ist ein Volksbegehren für die Bauern. Es sorgt für die dringend erforderliche Ökologisierung der Landwirtschaft, um unsere Böden, die Luft und das Wasser zu schonen und die bedrohten Arten in Bayern zu retten. Dies kommt mit dem Ausbau der Förderprogramme auch den Landwirten zugute, die mehr für ihre Gemeinwohlleistungen gefördert werden sollen“, sagt Richard Mergner, Vorsitzender des BUND Naturschutz in Bayern.
Das Volksbegehren schafft die Rahmenbedingungen für eine naturverträgliche Landwirtschaft. Dies ist eine große Chance für jeden Bauern. „Unsere Landwirte können sich darauf freuen, dass ihnen zusätzlich gute Angebote gemacht werden, um die Artenvielfalt zu unterstützen“, sagt Agnes Becker, Beauftragte des Volksbegehrens und stellvertretende ÖDP-Landesvorsitzende. „Dann kommen Artenschutz und Ökonomie zusammen, und die Landwirte bekommen eine andere Perspektive als wachsen oder weichen.“
Verödete Kulturlandschaften
Das Problem ist in der Tat nicht das viel zitierte Bienensterben allein, sondern ein Sterben der Artenvielfalt, das das Volksbegehren daher richtigerweise in den Fokus stellt. Von Insekten hängen vor allem Vögel in der Nahrungskette ab und so gibt es seit 1980 in den Staaten der Europäischen Union hunderte Millionen Tiere weniger – ein Verlust von 56 % wie die Daten des „European Bird Census Council“ zeigen. Im Siedlungsraum geht es den Arten dagegen besser und Waldvögel sind europaweit „nur“ um 6 % zurückgegangen.
Seitdem Länder wie Bulgarien oder Polen der EU beigetreten sind, schwinden auch dort die Vogelbestände in rasantem Tempo. Die europäische Agrarpolitik fördert dies durch ihre Direktzahlungen, bei denen die Größe der Agrarflächen und weniger Umweltauflagen im Vordergrund stehen.
Die Schuld am Artensterben im ländlichen Raum ist daher genau dort zu suchen: Was mit der Flurbereinigung und der Beseitigung von Kleingewässern, Hecken und Einzelbäume begann, wurde mit der Nutzung des letzten Quadratmeters Feld perfektioniert: die heutige Agrarwüste.
Blühende Ackerrandstreifen als Heilsbringer sind ohnehin wenig von Nutzen: Studien zeigen weltweit, dass sich dort sehr hohe Pestizid-Konzentrationen sammeln, ebenso wie sogar nahe an Ackerflächen liegenden Naturschutzgebieten. Dort sammelt sich der Pestiziddrift, der eigentlich für die Feldfrüchte gedacht ist. Ein Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche erhält pro Jahr durchschnittlich 8,8 Kilogramm Pestizide.
Das Bundesumweltamt bemängelt zudem eine Überdüngung der Äcker: Pro Hektar Nutzfläche 100 Kilogramm Stickstoff pro Jahr zu viel.
Der Bauernverband BBV gibt vor, dass sich viele Landwirte um den Umweltschutz kümmern, nur nicht darüber reden würden. Das soll sich nun ändern. Ein bisschen spät, muss man wohl anmerken, zumal sie mit ihren bisherigen Aktionen – im Verborgenen – ja nichts gegen das Artensterben ausrichten konnten. In Pressegesprächen preisen sie Maisfelder als neue ökologischen Brutflächen von Feldlerche, Rebhuhn und Kiebitz.
Eine Zeit ohne Glyphosat – das Mittel der letzten Wahl – ist für sie durchaus ein Schreckensszenario. Eine vermehrte Bodenbearbeitung würde zudem die Nester der Bodenbrüter zerstören, die in den Maisfeldern ihre Heimstatt gefunden haben und – dank Glyphosat – ihre Ruhe genießen. Das klingt nach einem Szenario, das man nur ungern verlassen möchte. Die EU lässt sich die Subventionierung dieser Agrarpolitik jedes Jahr 58 Milliarden Euro kosten – 114 Euro von jedem EU-Bürger.
Bürger wollen Wandel
Zurück zur Landwirtschaft des 19. Jahrhunderts will niemand ernsthaft, aber warum müssen hiesige landwirtschaftliche Flächen bis zur Erschöpfung ausgenutzt werden, ohne echte Notwendigkeit? Denn ein immer größer werdender Teil der Produktion ist für den Export gedacht. Ein Export, der das eigene Land dauerhaft zerstört. Das können auch die langfristig denkenden Landwirte im Bauernverband nicht wollen. Was spricht dagegen, dasselbe Geld in eine naturverträgliche Agrarpolitik fließen zu lassen?
Das Volksbegehren wird mittlerweile von knapp 200 Bündnispartnern unterstützt. Darüber hinaus gibt es verbands- und parteiübergreifende Aktionsbündnisse mit mehr als 10.000 ehrenamtlichen Helfern. „Der Zuspruch und das Interesse der Menschen in Bayern ist riesig. Wir sind deshalb zuversichtlich, dass wir eine Million Unterschriften erreichen können – auch wenn die Hürden für ein Volksbegehren in Bayern sehr hoch sind. Der Rückenwind aus der Bevölkerung zeigt uns, dass die Rettung der Artenvielfalt in Bayern im wahrsten Wortsinn ein Volksbegehren ist“, erklärt Ludwig Hartmann, der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im bayerischen Landtag. Immerhin: Die ersten Tage liefen gut an, teilweise haben sich vor den Sammelstellen für die Unterschriften sogar längere Schlangen gebildet. 150.000 Unterschriften kamen unmittelbar am ersten Tag zusammen.
Forderungen des Volksbegehren
Im Kern will das Volksbegehren Regelungen im bayerischen Naturschutzgesetz verankern, die die Artenvielfalt retten. Die Kernforderungen: die bayernweite Vernetzung von Lebensräumen für Tiere; die Erhaltung von Hecken, Bäumen und kleinen Gewässern in der Landwirtschaft; der Erhalt und die Schaffung blühender Randstreifen an allen Bächen und Gräben; der massive Ausbau der ökologischen Landwirtschaft; die Umwandlung von zehn Prozent aller Wiesen in Blühwiesen; die pestizidfreie Bewirtschaftung aller staatlichen Flächen; die Aufnahme des Naturschutzes in die Ausbildung von Land- und Forstwirten.