Volksbegehren zur Rettung der Artenvielfalt in Baden-Württemberg

  • Veröffentlicht am: 18.03.2019

Honigbienen am Flugloch. Foto: proBiene - Freies Institut für ökologische Bienenhaltung

In Baden-Württemberg initiiert die gemeinnützige Einrichtung proBiene, ähnlich wie in Bayern, ein Volksbegehren unter dem Motto „Rettet die Bienen!“, denn nicht nur in Bayern nimmt das Artensterben dramatische Ausmaße an. Der Rückgang von Bienen, Schmetterlingen, Amphibien, Reptilien, Fischen, Vögeln, Kleinsäugern und Wildkräutern ist auch in Baden-Württemberg alarmierend. Bayern hat gezeigt, dass viele einen Wandel im Umgang mit unserer Lebensgrundlage wollen und dafür Verantwortung übernehmen. Mit dieser Motivation soll es in Baden-Württemberg weitergehen.

„Als Berufsimker erfahren wir täglich, was es heißt, wenn Insekten mit Ihrer Umwelt zu kämpfen haben“, so Imkermeister David Gerstmeier. „Zum Beispiel sind Notfütterungen der Bienen mit Zucker für Imker in Baden-Württemberg fester Bestandteil der Jahresarbeit. Das liegt vor allem am fehlenden Blühangebot.“ Neben den vom Menschen betreuten Honigbienen sind viele Tier- und Pflanzenarten von Ackergiften sowie durch Nahrungsmangel und Biotopverluste stark gefährdet. So sind zum Beispiel in Baden-Württemberg die Zwergfledermaus, Feldlerche und Geißklee-Bläuling vom Aussterben bedroht. Sehr drastisch ist es bei den 420 Wildbienenarten, von denen über die Hälfte im Ländle auf der Roten Liste steht.

Mit dem Volksbegehren wollen die Initiatoren eine Erweiterung der Lebensräume und Blühangebote sowie eine Reduzierung von Pestiziden für ein artenreiches Baden-Württemberg schaffen.

Bei einigen Imkern ist nach dem Volksbegehren in Bayern die Angst aufgekommen, die positive Sicht auf die Imker mit ihren Honigbienen könnte sich zu ihren Ungunsten auf andere Insekten und Wildbienen verschieben. David Gerstmeier kann diese Sichtweise selbst als Berufsimker nicht teilen: „Wir gehen fest davon aus, dass mit dem Motto ‚Rettet die Bienen!‛ auch die Honigbiene und die Imkerei eine breite Öffentlichkeit bekommen und somit die positive Wahrung der Honigbiene gestärkt wird. Zudem werden sowohl die Biene als auch der Imker durch eine Landschaft mit einer starken Reduzierung des Pestizideinsatzes und der Stärkung des ökologischen Landbaus im erheblichen Maße profitieren.“

Initiative Volksbegehren

„Das Volksbegehren ist nicht gegen etwas, sondern für den Erhalt der Artenvielfalt“, so David Gerstmeier. Es soll die lobenswerten Ziele der baden-württembergischen Landesregierung zum Naturschutz, Ökolandbau und Landwirtschaft stärken, weiterreichende Ziele einbringen und durch eine gesetzliche Verankerung fixieren. „Für die Landwirte im Ländle, die auf Qualität setzen, ist es eine riesige Chance. Es ist auch unser Verantwortung eine enkeltaugliche Zukunft zu gestalten“, erläutert Tobias Miltenberger, Geschäftsführer der gemeinnützigen Einrichtung proBiene und Initiator der Initiative „Volksbegehren zur Rettung der Artenvielfalt in Baden-Württemberg“.

Hauptforderungen

  • 50 % Ökolandbau bis zum Jahr 2035
  • 100 % der Staatsflächen werden ökologisch bewirtschaftet
  • Halbierung der Pestizidmenge bis 2025
  • Erweiterung des Biotopverbundes
  • Extensivierung der Wiesenbewirtschaftung
  • Intensivierung der Forschung und Bildung zu ökologischer Landwirtschaft und Naturschutz
  • Monitoring und jährlicher öffentlicher Bericht zur Artenvielfalt

Erster Unterstützer war der Anbauverband Demeter e. V., dem über 500 landwirtschaftlichen Betrieben in Baden-Württemberg angeschlossen sind. Aktuell wird mit juristische Begleitung an den konkreten Formulierungen für das Naturschutzgesetz Baden-Württemberg gearbeitet und weitere ideelle und finanzielle Unterstützer für das Volksbegehren gesucht.

„Wir konnten mittlerweile über 20 Verbände und Unternehmen für das Volksbegehren gewinnen“, so David Gerstmeier zum aktuellen Stand. „Aus der Bevölkerung haben wir sehr positive Resonanz für die Initiative erhalten. Trotzdem wird es auch in Baden-Württemberg viele Anstrengungen brauchen, die erforderlichen Unterschriften zu sammeln. Wir werden die positive Energie aus Bayern mitnehmen und mit einem breiten Bündnis für das Anliegen werben.“

Eingeladen, sich der Allianz anzuschließen, sind Bürgerinnen und Bürger, Landwirte, Verbände, Unternehmen und weitere Einrichtungen.

Gestartet werden soll mit der Sammlung der Unterschriften am 23. April 2019. Die Einreichung soll am Weltbienentag, dem 20. Mai, erfolgen.

Volksbegehren zum Artenschutz zugelassen

Das Innenministerium hat festgestellt, dass das Volksbegehren zum Artenschutz zulässig ist. Damit ist der Weg für das erste Volksbegehren über einen Gesetzentwurf in Baden-Württemberg frei. Die Unterschriftensammlung beginnt voraussichtlich im September.

„Heute ist ein historischer Tag für Baden-Württemberg. Dieses Volksbegehren ist zulässig, und damit ist klar: Zum ersten Mal können die Bürgerinnen und Bürger im Rahmen eines Volksbegehrens selbst darüber entscheiden, ob sie einen Gesetzentwurf unterstützen wollen oder nicht“, erklärte der stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl. „Die Aufgabe des Innenministeriums in diesem Verfahren ist nicht eine inhaltliche Bewertung des Anliegens. Unsere Aufgabe ist zu prüfen, ob die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, damit das Volksbegehren zum Artenschutz zugelassen werden kann. Das Innenministerium hat festgestellt, dass das der Fall ist. Deshalb wurde heute den Vertrauensleuten des Volksbegehrens die Entscheidung bekanntgegeben, dass das Volksbegehren über den Gesetzentwurf zur Änderung des Naturschutzgesetzes und des Landwirtschafts- und Landeskulturgesetzes zugelassen wird“, so Strobl weiter.

Die Vertrauensleute hatten am 26. Juli 2019 den Zulassungsantrag mit knapp 36.000 Unterstützungsunterschriften eingereicht. Mit dem Gesetzentwurf soll nach dem Willen der Antragsteller insbesondere ein besserer Schutz von Biotopverbunden und Streuobstwiesen sowie eine Einschränkung des Pestizideinsatzes und eine Erhöhung des Anteils ökologischer Landwirtschaft erreicht werden.

Zur Begründung erklärt das Innenministerium, dass zum einen die formalen Voraussetzungen – insbesondere die Unterstützung durch mindestens 10.000 Unterschriften – vorliegen. Zum anderen ist der Gesetzentwurf aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht unzulässig.

Das Innenministerium wird die Zulassung des Volksbegehrens einschließlich des Gesetzentwurfs im Staatsanzeiger bekannt machen. Einen Monat nach der Veröffentlichung wird dann die freie Sammlung beginnen. Weitere vier Wochen später wird die dreimonatige amtliche Sammlung, bei der sich die Bürgerinnen und Bürger bei ihren Gemeindeverwaltungen in Unterstützungslisten für das Volksbegehren eintragen können, starten. Die amtliche Sammlung endet voraussichtlich im Januar, die freie Sammlung im März des nächsten Jahres. Sollte das Volksbegehren erfolgreich sein, wofür eine Unterstützung von zehn Prozent der Wahlberechtigten (das sind knapp 770.000) notwendig ist, würde das Volksbegehren dem Landtag von der Regierung mit einer Stellungnahme unterbreitet. Wenn der Landtag dem Gesetzentwurf nicht unverändert zustimmt, kommt es zur Volksabstimmung. Diese würde voraussichtlich im Herbst 2020 stattfinden.

[aktualisiert am 17. August 2019]