Ehrenamtliche erfassen Wildbienen in Baden-Württemberg
Die in Baden-Württemberg vom Aussterben bedrohte Malven-Langhornbiene (Tetralonia macroglossa) sammelt Pollen nur an Malvenblüten. Foto: Heiko Bellmann
Ehrenamtliche haben mehr als 200.000 Datensätze über Wildbienen in Baden-Württemberg erfasst. In einer Datenbank stehen diese Informationen zu den heimischen Wildbienen-Vorkommen für Forschung und Naturschutz-Projekte zur Verfügung. Dadurch können Aussagen zum Artenschwund oder zur Ökologie der wichtigen Tiere gemacht werden.
Im Arbeitskreis Wildbienen-Kataster erfassen Wildbienenspezialistinnen und -spezialisten ehrenamtlich das Vorkommen von Wildbienen in Baden-Württemberg. Ziel dieser Initiative, die ihren Sitz am Naturkundemuseum Stuttgart hat, sind der Aufbau und die kontinuierliche Verwaltung einer Wildbienen-Datenbank. Mit den erfassten Daten werden Verbreitungskarten aller heimischen Bienenarten erstellt und mit älteren Funden verglichen. Diese Angaben dienen einerseits der Fortschreibung der Roten Liste der bedrohten Arten und tragen so zum Naturschutz bei. Andererseits sind sie Basis für Forschungsarbeiten zur Verbreitung, Ökologie und Biologie der Tiere. Seit kurzem sind mehr als 200.000 Wildbienen-Daten aus Baden-Württemberg erfasst. Über die Hälfte der aktuell 485 heimischen Wildbienenarten sind bedroht.
„Der 200.000 Datensatz stammt von einem Weibchen der Dichtpunktierten Goldfurchenbiene Halictus subauratus, das in Hartheim am Rhein auf einem Militärgelände gesammelt wurde“, so Rainer Prosi, langjähriger Datenbank-Administrator des Arbeitskreises. Die Datenbank gibt nicht nur darüber Auskunft, dass von dieser Art fast tausend weitere Fundorte aus Baden-Württemberg bekannt sind, sondern auch, dass die Goldfurchenbiene 220 verschiedene Pflanzenarten besucht. Sie ist demnach hinsichtlich ihrer Pollenquellen eine ausgesprochene Generalistin. Eine weitergehende Auswertung der vorliegenden Informationen zeigt, dass die golden schimmernde Biene vom Klimawandel profitiert. „Ihre Nachweise in Baden-Württemberg haben sich in den letzten drei Jahrzehnten annähernd verzehnfacht und sie hat ihr Areal stark erweitert. Dies korreliert deutlich mit der Erhöhung der mittleren Jahrestemperatur in den neu besiedelten Gebieten“, erklärt Rainer Prosi. Ähnlich wie die Goldfurchenbiene lebt auch die am häufigsten in Baden-Württemberg beobachtete Wildbienenart, die mit über siebentausend Nachweisen erfasste Steinhummel, sozial. Andere Bienenarten, wie die Mohnbiene oder die Malven-Langhornbiene, sind hingegen in Baden-Württemberg derzeit vom Aussterben bedroht.
„Um die Ausbreitung einer Wildbienenart oder umgekehrt auch den Rückgang von Arten in Baden-Württemberg erkennen zu können, sind langjährige Daten, wie wir sie in unserer Datenbank erfassen, unerlässlich“, so Dr. Mare Haider, Sprecherin des Arbeitskreis Wildbienen-Kataster. Die Daten haben deshalb unter anderem auch Eingang in den Monitoringbericht 2020 zur Anpassungsstrategie an den Klimawandel in Baden-Württemberg der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) gefunden.
Der im Jahr 2003 gegründete Arbeitskreis Wildbienenkataster ist eine Sektion des Entomologischen Vereins Stuttgart, mit inzwischen mehr als 70 Mitgliedern. Diese erfassen landesweit nicht nur genaue Angaben zu Bienenart und Fundort, sondern auch ökologische Informationen, wie beispielsweise die Pflanzenarten, deren Blüten die Bienen besucht haben.
„Die zunehmende Gefährdung vieler Arten und der drohende Biodiversitätsverlust machen das Insekten-Monitoring, wie durch den Arbeitskreis Wildbienen-Kataster oder auch durch Citizen-Science-Projekte, immer wichtiger. Wir brauchen die gesammelten Daten dringend. Nur so können wir dem Insektensterben zielgerichtet entgegenwirken. Ohne die Grundlagenarbeit der vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer unseres Naturkundemuseums wären zahlreiche Forschungs- und Schutzprojekte nicht möglich, denn die erfassten Daten sind dafür eine wichtige Basis“, so Prof. Dr. Lars Krogmann, Insektenkundler und Interimsdirektor des Naturkundemuseums.
Besonders wichtig ist den Kataster-Mitgliedern die Qualitätssicherung der erfassten Daten, zum Beispiel durch Plausibilitätskontrollen von Meldungen durch Spezialisten. Die fundierte Bestimmung der verschiedenen Bienenarten in Baden-Württemberg erfordert ein hohes Maß an Fachwissen und Erfahrung. Besonders freut die Verantwortlichen, dass sich inzwischen auch wieder viele Jüngere für Wildbienen interessieren. So kann das Wissen weitergeben, vermehrt und für den Schutz der Bienen einsetzt werden.