Nahrungsnetze für Artenvielfalt
Nahrungsnetze für Artenvielfalt
Der Schutz von Bienen und anderen Bestäubern benötigt vor allem Artenschutz und der funktioniert nur in größerem Maße. Die Vielfalt der Arten hängt an einem intakten Lebensraum, der es einer Vielzahl unterschiedlichster Arten erst ermöglicht, ein Netzwerk aufzubauen.
Die Autorin Sigrid Tinz hat sich mit ihrer Neuerscheinung im Pala-Verlag dieses Themas angenommen und ein Buch vom Fressen und Gefressenwerden geschrieben.
Sie beschreibt, warum auch die (beim Menschen) ungeliebte Mücke einen wichtigen Anteil im Ökosystem einnimmt. Sie ist wertvolle Nahrung für eine Vielzahl anderer Insekten, Amphibien und Vögel, allen voran Schwalben und Mauerseglern, die auf bewegende Nahrung angewiesen sind, darüber hinaus auch für Fledermäuse.
Die Autorin räumt ganz nebenbei auch mit einigen wohlgepflegten Anekdoten auf, etwa dass artenreiche Grünlandschaften ein Produkt bäuerlicher Landwirtschaft seien. Dass dem nicht so ist, erschließt sich schnell: Die Evolution hätte das komplexe Geflecht zahlloser Arten kaum in wenigen hundert Jahren menschlicher Landwirtschaft schaffen können. Die Wiesen sind dagegen nach der letzten Eiszeit durch große Pflanzenfresser geschaffen worden, die inzwischen weitgehend ausgestorben und dann durch domestizierte Haustiere und den Menschen mit Sensen ersetzt worden sind. Durch den weitgehenden Wegfall der bäuerlichen Landwirtschaft ist artenreiches Grünland inzwischen weitgehend verschwunden. Rasenflächen haben mit artenreichem Grünland nichts zu tun.
Bunte Wiesen dagegen müssen nicht zwangsläufig groß sein, um kleine Artenschutzgebiete zu werden – auch hinter dem eigenen Haus ist das möglich.
Doch sogar Steine können die Grundlage wertvoller Lebensräume sein – keine tristen Steingärten, wie sie in den letzten Jahren durch das Aufschütten schon Schotter viel zu oft entstanden sind und ebenso wenig glatte Mauern von Neubauten. Eine Grundlage für vielfältiges Leben bilden alte Ziegelsteinmauern oder Trockenmauern aus Naturstein. Dort wachsen Algen, Pilze, Moose und Flechten und dort wiederum leben viele Kleinstlebewesen. In den Spalten wachsen Pflanzen und Reptilien finden Unterschlupf und können die Wärmespeicherkapazität für die Regulierung ihrer Körpertemperatur nutzen.
Eine gut angelegte Hecke kann ebenfalls ein wahres Biotop auf engstem Raum sein. Entsprechende Hecken entstehen nicht aus Kirschlorbeer oder Lebensbaum, sondern aus einer Mischung unterschiedlicher, heimischer Sträucher. Viele der dort lebenden Tiere bekommt man kaum zu Gesicht, weil Hecken ideale Lebens- und Rückzugsräume sind.
Die von der Autorin gewählten Beispiele stellen beispielhaft zahlreiche Ökosysteme dar und die in ihnen herrschenden Zusammenhänge werden anschaulich beschrieben. Diese Ökosysteme lassen sich im Garten oder in der Landschaft finden. Obwohl sie nicht so eindrucksvolle Bilder liefern wie etwa die spektakulären Nahrungsnetze der ostafrikanischen Savanne, sind sie ebenso bedeutend und schützenswert.
Sigrid Tinz vermittelt das grundlegende Verständnis der vielfältigen Beziehung von Nahrungsnetzen in der Natur, ob im Boden, im Blumenbeet, in der Wiese oder in und an der Mauer. Unterhaltsam, kompetent und in jedem Fall lesenswert.