Hälfte der globalen Wirtschaft basiert auf funktionierender Biodiversität

  • Veröffentlicht am: 14.03.2023

Der Verlust von Biodiversität kommt die globale Wirtschaft teuer zu stehen. Foto: Nadine Chmel/Unsplash

Unterlassene Investitionen in den Artenschutz führen zu sinkender Bestäubungstätigkeit und Verlusten in der Landwirtschaft und nachgelagerten Branchen. Zu diesem Schluss kommt das Unternehmen Allianz Trade in einer Pilotstudie.

Ohne Bestäubung wird es teuer: Ein Ausfall allein nur in den Vereinigten Staaten führt zu jährlichen Verlusten von 28 Mrd. US$; für Deutschland wären es 3 Mrd. US$.
Betroffen wäre auch die Nahrungsversorgung. Für den Fall eines weitreichenden und länderübergreifenden Ausfalls der Bestäubung drohen zudem nicht abschätzbare Risiken in der Nahrungsversorgung.

Biodiversität spielt nicht nur für die Landwirtschaft eine bedeutende Rolle, sondern auch für den Finanzsektor. Finanzinstitute sind zahlreichen Risiken ausgesetzt, von Finanz-, über Markt-, Reputations- bis hin zu Rechtsrisiken, insbesondere dann, wenn sie in Wirtschaftsaktivitäten investieren, die sich negativ auf die biologische Vielfalt auswirken oder stark von Naturkapital abhängig sind. Im Gegensatz dazu bieten die Investitionen zum Schutz der biologischen Vielfalt große Chancen: Die aktuelle Studie des weltweit führenden Kreditversicherers Allianz Trade schätzt die Finanzierungslücke zur Wiederherstellung der biologischen Vielfalt bis 2030 auf 711 Mrd. US$ – pro Jahr.

„Grüne Investitionen sind definitiv ein Gewinn für Finanzinvestoren. Das liegt auf der Hand, denn mehr als die Hälfte der globalen Wirtschaft ist auf ein gut funktionierendes Ökosystem angewiesen“, sagt Markus Zimmer, Senior Volkswirt und ESG-Experte bei Allianz Trade. „Was passiert aber, wenn diese Investitionen in die Biodiversität nicht getätigt werden und Ökosysteme immer mehr Schaden nehmen? Die quantitative Analyse der daraus resultierenden Risiken steckt noch in den Kinderschuhen. In unserer Pilotstudie haben wir nun einen Aspekt, das Bienensterben und den Rückgang der Bestäubung, näher betrachtet. Allein dabei geht es um Milliardensummen – pro Jahr. Ein Preisschild für die Gesamtauswirkung der Biodiversitätsverluste ist dies jedoch noch lange nicht.“

Ökosysteme sind fragil. Ihre Funktion kann durch verschiedene Faktoren beeinträchtigt werden, wobei Klimawandel und Verlust der biologischen Vielfalt die wichtigsten, interdependenten Faktoren sind. Während es für den Klimawandel mit dem globalen Temperaturanstieg einen einfachen Indikator gibt, gilt dies für die biologische Vielfalt nicht: Hier konkurrieren unterschiedliche Methoden und Indikatoren. Hinzu kommt: Biologische Vielfalt ist von Natur aus ein lokales Phänomen. Im Gegensatz zum Klimawandel, bei dem lokale Emissionen globale Folgen haben, bleiben die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt hauptsächlich lokal. Biodiversitätsverluste sowie die daraus resultierenden Risiken sind daher regional äußerst heterogen, was deren Messung zusätzlich erschwert.

Die Folge: Die Bewertungen des Verlusts der biologischen Vielfalt im Finanzbereich beschränken sich bisher auf qualitative und expositionsbasierte Metriken. Die Allianz Trade Studie nähert sich diesem Thema nun mit einem quantitativen Ansatz, der die tatsächlichen Auswirkungen für das Risiko einer verringerten Bestäubung misst.

„Insekten, insbesondere Bienen, spielen für die Biodiversität eine der Hauptrolle“, so Markus Zimmer. „Ein Verlust von nur -20 % bei der Bestäubungstätigkeit würde die jährliche landwirtschaftliche Produktion um -1,3 % reduzieren. Ein vollständiger Wegfall der Bestäubung würde die landwirtschaftliche Produktion noch viel härter treffen – und sich entsprechend negativ auf die Wirtschaft auswirken.“

Bei einem vollständigen Wegfall der Bestäubung reicht die Spannbreite des Rückgangs der jährlichen landwirtschaftlichen Produktion von 2 % in Großbritannien bis 7,9 % in Belgien; Deutschland (3 %) und Frankreich (3,4 %) liegen eher am unteren, Spanien (6 %), die Vereinigten Staaten (6,1 %) und Italien (6,3 %) eher am oberen Rand.

Nachgelagerte Bereiche wie verarbeitete Lebensmittel, Lebensmitteldienstleistungen sowie die Getränke- und Tabakindustrie, die stark von landwirtschaftlichen Produkten abhängen, wären ebenfalls betroffen. Verluste bei den verarbeiteten Lebensmitteln würden sich beispielsweise in Deutschland auf schätzungsweise 2 Mrd. US$ pro Jahr belaufen und damit auf ähnlich hohem Niveau wie in der Landwirtschaft.

Die Studie schätzt, dass in der Folge das jährliche Bruttoinlandsprodukt um 0,1 % (Deutschland und die Vereinigten Staaten), 0,2 % (Frankreich und Belgien) oder 0,3 % (Italien und Frankreich) zurückgehen dürfte; am geringsten wäre Großbritannien mit einem Rückgang von 0,04 % betroffen.

„Die absoluten Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Ohne Bienen und Bestäubung würden in Deutschland jedes Jahr Verluste von 3 Mrd. US$ entstehen; in den USA stehen 28 Mrd. US$ im Feuer“, sagt Markus Zimmer.