Kommission reagiert auf Europäische Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten!“
Der Rückgang der Bestäuberpopulationen soll gestoppt und umgekehrt werden. Foto: Rebekah Vos/Unsplash
Die Kommission begrüßt die Bürgerinitiative und erkennt ihre Bedeutung an, insbesondere da die ineinandergreifenden Krisen Klimawandel, Umweltverschmutzung und Verlust an biologischer Vielfalt wachsende Herausforderungen für die Landwirtschaft und die Ernährungssicherheit in Europa darstellen. In der EU geht der Bestand jeder dritten Bienen-, Schmetterlings- und Schwebfliegenart zurück. Gleichzeitig sind 80 % der Nutz- und Wildpflanzenarten auf die Bestäubung durch Tiere angewiesen. Der Hälfte der landwirtschaftlichen Flächen in der EU droht bereits ein Bestäubungsdefizit. Ohne Bestäuber sind die Ernährungssicherheit und letztlich das Leben auf der Erde in Gefahr.
Die Kommission wird durch die Bürgerinitiative aufgefordert, für den schrittweisen Ausstieg aus synthetischen Pestiziden bis 2035 zu sorgen, die biologische Vielfalt in Agrarlandschaften wiederherzustellen und Landwirtinnen und Landwirte beim Übergang zu einer nachhaltigen Landwirtschaft zu unterstützen.
Die Aurelia Stiftung als Mitinitiatorin der von vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen getragenen EBI „Bienen und Bauern retten!“ wertet die Stellungnahme der Kommission als Beleg dafür, dass den europäischen Institutionen das Ausmaß der Ernährungskrise, die durch das fortschreitende Artensterben droht, völlig bewusst ist. Allerdings seien die von der Kommission bislang gelieferten und für die Zukunft angekündigten Gesetzesinitiativen nicht geeignet, um die in der EU durch das fortschreitende Artensterben drohende Ernährungskrise aufzuhalten.
„Es gibt immer mehr wissenschaftliche Beweise für den desolaten Zustand der Biodiversität und die Gefahr von Pestiziden für unsere Gesundheit. Pestizide sind viel weiter verbreitet als bisher angenommen, sogar im menschlichen Körper und in unseren Wohnräumen sind Pestizide nachweisbar“, so Martin Dermine, PAN Europe und Hauptvertreter von „Bienen und Bauern retten“. „Viele Stoffe sind schon in sehr geringen Dosen besonders gefährlich für ungeborene und kleine Kinder. Pestizide verursachen nicht nur akute Vergiftungen, sondern können auch chronische Krankheiten wie Parkinson oder Leukämie im Kindesalter auslösen.“
„Weder die jetzt von der EU-Kommission in Reaktion auf die EBI angeführten Initiativen noch die im Ampel-Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen reichen aus, um das fortschreitende Aussterben von Bienen und Bestäubern aufzuhalten. Die durch das Artensterben drohende Ernährungskrise kann nur abgewendet werden, wenn die EU und Deutschland sich von dem jetzigen Agrarsystem verabschieden. Das auf der Ausbeutung und Zerstörung natürlicher Ressourcen beruhende, von fossiler Energie abhängige und dem Preisunterbietungswettbewerb des Weltmarkts unterworfene Agrarmodell hat keine tragfähige Zukunft. Das Zaudern und Beschönigen der Situation durch Bundesagrarminister Cem Özdemir vergeudet wertvolle Zeit und gefährdet unsere Ernährungssicherheit. Die Bundesregierung muss alles daransetzen, den grundlegenden Systemwandel in der Agrarpolitik schnellstmöglich und unumkehrbar voranzubringen“, ergänzt Matthias Wolfschmidt, Vorstand der Aurelia Stiftung.
Der Erfolg der Bürgerinitiative ist ein deutliches Zeichen für die breite öffentliche Unterstützung für Maßnahmen zugunsten von Bestäubern, der biologischen Vielfalt und nachhaltiger Landwirtschaft. Vor diesem Hintergrund fordert die Kommission das Europäische Parlament und den Rat auf, die bereits vorgelegten Gesetzgebungsvorschläge, die zum Schutz und zur Erholung der Bestäuberpopulationen in Europa beitragen und die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger in Rechtsvorschriften festschreiben, rasch und ohne Abstriche anzunehmen.
Bestehende Vorschläge sollen aber ausreichen
Zu den Maßnahmen der Kommission im Rahmen des europäischen Grünen Deals zur Gewährleistung der Nachhaltigkeit der Lebensmittelsysteme zählen: die EU-Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ und die EU-Biodiversitätsstrategie, das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur, die Verordnung über die nachhaltige Verwendung von Pestiziden, die überarbeitete EU-Initiative für Bestäuber namens „Ein neuer Deal für Bestäuber“ und die neue Gemeinsame Agrarpolitik der EU 2023 – 2027 (GAP). Zusammengenommen sind die Vorschläge und Initiativen der Kommission eine umfassende Antwort auf die von der Europäischen Bürgerinitiative (EBI) „Bienen und Bauern retten! Eine bienenfreundliche Landwirtschaft für eine gesunde Umwelt“ formulierten Forderungen.
Im Vorschlag für eine Verordnung über die nachhaltige Verwendung von Pestiziden ist ein ehrgeiziger Pfad zur Verringerung des Risikos und des Einsatzes chemischer Pestizide in der Landwirtschaft der EU festgelegt. Die Kommission hat vorgeschlagen, das Risiko und den Einsatz chemischer Pestizide in der Landwirtschaft der EU bis 2030 um 50 % zu verringern. Die Mitgliedstaaten werden innerhalb bestimmter Vorgaben nationale Reduktionsziele festlegen, um sicherzustellen, dass diese Gesamtreduktion auf EU-Ebene erreicht wird. Neue Maßnahmen werden dafür sorgen, dass alle landwirtschaftlichen Betriebe und anderen gewerblichen Verwender von Pestiziden das Konzept des integrierten Pflanzenschutzes anwenden, bei dem alternative umweltverträgliche Methoden der Schädlingsprävention und -bekämpfung Vorrang haben, bevor chemische Pestizide als letztes Mittel eingesetzt werden können. Im globalen Biodiversitätsrahmen, der im Dezember 2022 in Montreal angenommen wurde, haben sich die EU und ihre Mitgliedstaaten auch verpflichtet, das von Pestiziden ausgehende Gesamtrisiko bis 2030 um die Hälfte zu verringern.
Der Vorschlag für ein Gesetz zur Wiederherstellung der Natur trägt ebenfalls dazu bei, den Rückgang der Bestäuberpopulationen bis 2030 umzukehren und wieder mehr Natur auf landwirtschaftliche Flächen zu bringen, unter anderem durch spezifische Zielvorgaben für die Wiederherstellung landwirtschaftlicher Ökosysteme. Der Vorschlag für ein Gesetz zur Wiederherstellung der Natur kombiniert ein übergeordnetes Wiederherstellungsziel für die langfristige Erholung der Natur in den Land- und Meeresgebieten der EU mit verbindlichen Wiederherstellungszielen für bestimmte Lebensräume und Arten. Die vorgesehenen Maßnahmen sollen bis 2030 mindestens 20 % der Land- und Meeresgebiete der EU abdecken und bis 2050 alle Ökosysteme, die einer Wiederherstellung bedürfen.
Zusammen haben diese Vorschläge das Potenzial, auf EU-Ebene eine Trendumkehr für die Erhaltung der Bestäuber zu bewirken.
Anstatt noch mehr neue Rechtsakte auf den Weg zu bringen, will die Kommission nun primär sicherstellen, dass die Vorschläge, über die das Europäische Parlament und der Rat als gesetzgebende Organe derzeit beraten, zeitnah angenommen und umgesetzt werden und gleichzeitig auch die GAP wirksam umgesetzt wird. Mehr als eine Million Unterschriften unter dieser Bürgerinitiative sind ein deutliches Signal und ein Ansporn dafür, an den ehrgeizigen Zielen der Kommissionsvorschläge festzuhalten.