Mit ChatGPT zur insektengiftigen Gentechnik-Pflanze

ChatGPT kann insektengiftige Pflanzen erzeugen, für die es künftig keiner Zulassung bedarf. Foto: Growtika/Unsplash
So genannte „NGT 1-Pflanzen“ aus Neuer Gentechnik, die an maximal 20 Stellen im Genom verändert wurden und kein fremdes Genmaterial enthalten, sollen nach einem Gesetzesvorschlag der EU-Kommission künftig ohne Risikoprüfung und Kennzeichnung freigesetzt werden können. Für die Entwicklung einer derartigen Pflanze braucht es nicht mehr als ChatGPT. Leider ist sie insektengiftig.
In einem gemeinsamen Projekt der Aurelia Stiftung, des Vereins Testbiotech und der Initiative Save Our Seeds (SOS) konnte nun allerdings erstmals gezeigt werden, dass es mithilfe einer öffentlich zugänglichen Version des KI-Bots ChatGPT möglich ist, „NGT 1“-Pflanzen zu entwerfen, die insektengiftig sind. Nach dem Gesetzesentwurf der EU-Kommission sollen diese Pflanzen ohne Prüfung der Umweltrisiken freigesetzt werden können.
Neben Tomaten und Sojabohnen schlug die KI auch Mais als möglichen Kandidaten für die Entwicklung einer insektiziden „NGT 1“-Pflanze vor. In der Folge wurden von Testbiotech, mithilfe der KI, „NGT 1“-Maispflanzen designt, die eine dauerhaft erhöhte Menge eines insektengiftigen Eiweißstoffes (Serin-Proteaseinhibitor, SPI) bilden. SPIs werden von Mais-Pflanzen natürlicherweise in Stress-Situationen gebildet, allerdings nur vorübergehend. Bei Insekten, die mit der „NGT 1“-Maispflanze SPIs aufnehmen, wird die Verdauung gestört. Dadurch können die Tiere verhungern - die Sterblichkeit steigt. Dies gilt insbesondere für Insekten, die zur Ordnung der Schmetterlinge Lepidoptera gehören. Es gibt darunter etliche Arten wie den Maiszünsler Ostrinia nubilalis, der als Schadinsekt im Maisanbau gilt.
Insektizide Pflanzen können allerdings nicht nur für die anvisierten Schädlingsarten giftig sein, sondern auch für Nichtzielorganismen. Es liegen aktuell nur wenige Studien vor, die die Wirkung von Serinprotease-Inhibitoren (SPIs) auf mit Ostrinia nahe verwandte Schmetterlingsarten untersucht haben. Die meisten verfügbaren Daten konzentrieren sich auf Schädlinge wie den Maiszünsler.
Dem „Proof-of-Concept“-Experiment der drei Nichtregierungsorganisationen lag die Befürchtung zugrunde, dass es mit Hilfe von KI möglich sein könnte, risikobehaftete, insektengiftige Gentechnik-Pflanzen zu entwickeln, deren Risiken nach den Kriterien der EU-Kommission künftig nicht mehr geprüft würden. Diese Sorge hat sich nun bestätigt.
Der willkürlich festgelegte Schwellenwert von 20 Erbgut-Veränderungen für Pflanzen ohne Risikoprüfung ist laut der französischen Umweltbehörde ANSES „wissenschaftlich unzureichend begründet“ und bietet keine Gewähr für die Sicherheit von NGT-Pflanzen. Die Kriterien einer angenommenen „Gleichwertigkeit“ von „NGT 1“-Pflanzen mit herkömmlichen Pflanzen sind zudem „nicht dazu gedacht, Risikoniveaus zu definieren“, relativiert die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA.
„Der Gentechnik-Gesetzesentwurf der EU-Kommission erfolgt ohne ausreichende wissenschaftliche Begründung und ist gefährlich für Blütenbestäuber wie Bienen und Schmetterlinge. Zudem wollen über 90 % der Menschen in Deutschland keine Gentechnik-Pflanzen ohne Risikoprüfung und Kennzeichnung“, so Bernd Rodekohr, Projektleiter „Biene und Gentechnik“ Aurelia Stiftung. „Man darf die Bürgerinnen und Bürger nicht derart übergehen und entmündigen. Solch ein Vorgehen schürt Politikverdrossenheit.
„Der insektozide Mais kann als eine Art experimenteller Beweis dafür angesehen werden, dass die EU-Vorschläge für die künftige Regulierung von NGT-Pflanzen unzureichend und bereits überholt sind, noch bevor sie in Kraft treten könnten. Deswegen sollte der Vorschlag der EU-Kommission zurückgezogen werden“, ergänzt Christoph Then, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Direktor Testbiotec.