Auf der Suche nach wild lebenden Honigbienen

  • Veröffentlicht am: 17.07.2019

Aufnahmen vom Beelining in München. Foto: Felix Remter/Projekt BEEtree-Monitor

Das eigenständige Leben der Honigbienen, also ohne Betreuung durch den Menschen, ist hier zu Lande eher die Ausnahme und kaum erforscht. Das „Citizen Science“-Projekt BEEtree-Monitor will das ändern.
Das Projekt ist auf die Mithilfe von Helfern angewiesen, die sich auf die Suche nach wild lebenden Völker machen und diese Beobachtungen auf der Projektseite dokumentieren. Langjährige Beobachtungen zeigen, dass Honigbienen-Völker deutlich häufiger als vermutet eigenständig in Nisthöhlen überleben können. Der Honigbiene wird jedoch unterstellt, dass es sie als echtes Wildtier nicht mehr geben würde.

Für die Datenbasis ist es wichtig, möglichst genaue Angaben zu den frei lebenden Völkern zu erhalten, etwa ob die Sammelbienen auch Pollen eintragen und über welchen Zeitraum die gewählten Höhlen genutzt werden.
Das Monitoring soll dabei helfen, wild lebende Honigbienen besser zu verstehen und ihre Nisthöhlen vor der Zerstörung zu bewahren, zumal es genügend weitere Nutzer derartiger Höhlen gibt, ob beispielsweise Fledermäuse oder Spechte.

Die Entdeckung von Honigbienen, die Behausungen in freier Natur gewählt haben, ist in der Regel nicht ganz einfach, da sie schon wenige Meter von der Höhle entfernt zumeist unbemerkt ihr Tun verrichten. Heutzutage sind wir hierzulande auch nicht mehr als Honigjäger unterwegs, so dass die Erfahrungen des so genannten „Bee lining“ oder „Honey hunting“ – der Suche nach Bienenvölkern – in Vergessenheit geraten sind. Bei der modernen Variante des Beelinings geht es am Ende auch nicht um die Zerstörung der Völker, um deren Honig zu rauben, sondern vielmehr um eine Freizeitbeschäftigung, die mit dem Geo-Caching vergleichbar ist – nur weit anspruchsvoller.

Gewöhnt man Honigbienen an eine künstliche Futterstelle und markiert die Sammlerinnen, so hat man einen guten Ausgangspunkt, sich Himmelsrichtungen und Flugzeiten zu notieren. Die Futterstelle wird dann im weiteren Verlauf um einige hundert Meter verrückt, um dem Nest näher zu kommen. Findet man das betreute Volk eines Imkers, so wird er sich womöglich bei der nächsten Sichtkontrolle über einige gekennzeichnete Bienen zu viel in seinem Volk wundern (und ein Foto davon einer Imkerzeitung zuleiten). Besonders gut geeignet für die Suche nach wild lebenden Honigbienen sind Monate mit schlechter Tracht, so dass die künstliche Futterquelle gut angenommen wird.

Das Team von BEEtree-Monitor besteht aus dem Initiator Sebastian Roth, der seit 2012 wild lebende Honigbienen beobachtet, Felix Remter, der am Zentrum für Stadtnatur und Klimaanpassung an der TU München arbeitet und Benjamin Rutschmann von der Universität Würzburg, der sowohl am Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie als auch bei HOBOS, auf dem Gebiet der Honigbienenökologie forscht.

Interview mit Sebastian Roth

Mit Sebastian Roth stand einer Initiatoren aus dem Projekt BEEtree-Monitor Rede und Antwort zu den Hintergründen und dem Interesse in der Allgemeinheit, auf die die Arbeit stößt.

Ist die Honigbiene nun ein domestiziertes Haustier oder doch ein Wildtier?

Aus praktischer Sicht versuchen wir Menschen, meist in Kategorien zu denken beziehungsweise einzuordnen. Diesem Schema nach wird die Honigbiene bis heute als domestiziertes Haus- und/oder Nutztier gesehen. Wann es historisch zu dieser Einordnung kam, konnten wir trotz Recherchen bisher nicht ganz eindeutig feststellen, zumal das sicher in unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen auch nicht exakt parallel verlaufen ist. Ein Meilenstein könnte die Ausnahme der Honigbiene vom Schutz als wild lebendes Tier einer wild lebenden Art in der Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV) sein. In der ursprünglichen Fassung der BArtSchV von 1986 ist diese Ausnahme eben nicht enthalten, wurde dann aber mit der ersten Verordnung zur Änderung der BArtSchV vom 24. Juli 1989 (BGBl. 1525) hinzugefügt, ohne dies weiter zu erläutern.

Die Honigbiene wird in Deutschland fast flächendeckend von Imkern gehalten und betreut und wird daher aktuell nicht als Wildtier gesehen.
Bei dieser Sichtweise wird aber unterschlagen, dass Honigbienen bei genauerer Betrachtung sehr wohl auch ohne Betreuung durch Imker hier bei uns in Deutschland leben. Wie viele Völker und wie lange diese jeweils leben war bisher unbekannt und wir versuchen mit dem Projekt und in Kontakt mit der Uni Würzburg da Licht ins Dunkel zu bringen.

Bei dieser Frage kann es wohl keine eindeutige Antwort geben, da es je nach Sichtweise, aber vor allem auch je nach Ort anders aussieht. In Wales, England, Afrika, Amerika, Australien und anderen Ländern existieren wild lebende Populationen von Westlichen Honigbienen Apis mellifera, die teils auch gut erforscht sind. Auch für Deutschland sollte man diese Schwarz-weiß-Einordnung der Honigbiene hinterfragen; das zeigen unsere Beobachtungen und die Untersuchungen von Kohl & Rutschmann.

Wie viele wild lebende Honigbienen-Völker gibt es schätzungsweise in Deutschland? Warum wird auch unter Imkern immer wieder erzählt, dass es gar keine wild lebenden Honigbienen mehr in Deutschland geben würde?

Bei dieser Frage verweise ich auf die eben angesprochene Arbeit von Kohl & Rutschmann. Sie schätzen, dass mehrere tausend Honigbienen-Völker wild in Wäldern in Deutschland leben. Genauere Zahlen haben wir bisher leider nicht.

Warum wird auch unter Imkern immer wieder erzählt, dass es gar keine wild lebenden Honigbienen mehr in Deutschland geben würde?

Diese weit verbreitete Ansicht fußt auf der Aussage, dass Honigbienen hier bei uns alleine nicht lebensfähig wären, da sie an Varroa eingehen.
Die Aussage und auch der daraus gezogene Schluss sind allerdings etwas zu kurz gedacht. Einerseits ist es keineswegs so, dass all diese Völker nach sehr kurzer Zeit sterben. Sie überwintern oftmals und vermehren sich teilweise im darauffolgenden Frühjahr wieder als Schwarm. Natürlich ist Varroa ein Faktor, aber auch Futtermangel – keine Fütterung mit Zucker vom Imker – und Konkurrenz um Nistplätze spielen unseren Beobachtungen nach eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Geeignete Großhöhlen werden von anderen Tieren, wie Specht, Hohltaube, Fledermaus, Baummarder usw., genutzt und sind entsprechend umkämpft. Wenn wir uns diese Völker ansehen, dann kann das nicht aus dem exakt gleichen Blickwinkel kommen, wie ich die Honigbienen als Imker sehe. Als Imker greife ich ganz bewusst in die Selektion ein, durch Fütterung, Schutz vor Mäusen und Spechten, Zuchtkriterien.

Auch bei dieser Frage sollte daher differenziert betrachtet werden: Imker und Biologen sprechen oft davon, dass es die ursprüngliche Unterart Apis mellifera mellifera, die Dunkle Honigbiene, hier in Deutschland nicht mehr als Wildtier gibt. Dieser Punkt ist sicher richtig. Trotzdem sind Honigbienen – heute in Deutschland eine bunte Mischung der Unterarten Ligustica, Carnica, Züchtungen wie Buckfast, sowie gewollte und ungewollte Kreuzungen aus diesen und weiteren Arten der ganzen Welt – auch heute noch in der Lage, eigenständig Nisthöhlen zu beziehen und zu bewohnen. Daher sprechen wir ganz bewusst von „wild lebenden“ Honigbienen, nicht weil diese sozusagen ursprünglich und wild sind, sondern weil sie ohne Eingriffe durch Imker leben. Man könnte auch von „verwilderten“ Honigbienen sprechen, aber auch hier scheiden sich schon wieder die Geister, ob die Honigbiene hier bei uns bereits als verwildert angesehen werden kann.

Kann man davon ausgehen, dass es hierzulande durchgehend Honigbienen in wild lebender Form gegeben hat?

Persönlich gehe ich davon aus, dass es nie eine Zeit gegeben hat in der Honigbienen-Völker in Deutschland ausschließlich von Imkern gehalten und kein Volk in einer Baumhöhle gelebt hat. Es gab sicher und gibt auch heute Regionen, in denen Schwärme sehr akribisch unterbunden und gefangen werden und daher sehr wenig oder teils auch keine Völker wild in Nisthöhlen gelebt haben.

Durch unsere Beobachtungen und Untersuchungen sehen wir nun aber, dass an vielen Orten Honigbienen wild leben, wo es zuvor wohl gar niemand vermutet hätte. Vieles davon passiert sozusagen ungesehen oder eben nicht zusammenhängend dokumentiert.

Gibt es Regionen in Deutschland, die besonders gut erfasst sind und anderswo weiße Flecken? Warum gibt es ein solches Gefälle?

Ja, die Erfassung ist nicht einheitlich. Das hängt damit zusammen, dass die Erforschung dieses Aspekts bisher vernachlässigt wurde und wir damit sozusagen noch in den Anfängen sind. Die Ballung von Funden in der Region um München zeigt einfach nur, dass wir hier sehr aktiv sind.

Stellen Sie ein steigendes Interesse am Beelining fest?

Dazu ist wichtig zu wissen, dass die Methoden zum Beelining oder Beehunting in anderen Ländern beziehungsweise zu anderen Zeiten auch bei uns genutzt werden und wurden. Wir erfinden damit tatsächlich nichts neues, sondern blicken in andere Kulturen und in unsere Vergangenheit. Das Interesse am Beelining und damit der aktiven Suche nach den Bienenvölkern hält sich in Grenzen. Es ist einerseits zwar sehr spannend und lehrreich, braucht aber auch viel Zeit und Geduld. Aber es gibt einzelne Anfragen auch ganz konkret dazu. Zum Thema wild lebende Honigbienen gibt es aktuell viel Interesse, da ganz unterschiedliche Aspekte der Bienen damit in einem anderen Licht gesehen werden.

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