Die Wildbienen Deutschlands
Die Wildbienen Deutschlands
Es gibt mehr als nur eine Biene: Allein in Deutschland sind aktuell 585 Wildbienen-Arten nachgewiesen und sie alle sind nach der Artenschutzverordnung besonders geschützt. Dennoch ist die Hälfte der heimischen Bienenarten in ihrem Bestand bedroht.
Der Autor Paul Westrich hat Biologie studiert und in Tübingen promoviert. Sein erstes zweibändiges Werk „Die Wildbienen Baden-Württembergs“ machte Wildbienen vor Jahrzehnten erstmals einem breiten Publikum bekannt. Es ist längst vergriffen und wird nur noch auf dem Markt antiquarischer Bücher für mehrere Hundert Euro gehandelt.
Westrich hat seine Arbeit weiter den Bienen gewidmet und sein Wissen in zahlreichen Publikationen und Vorträgen weitergegeben. Jetzt hat der Ulmer Verlag erfreulicherweise auch seine umfangreichste Arbeit veröffentlicht. Die Neuerscheinung basiert auf dem zweibändigen Grundlagenwerk „Die Wildbienen Baden-Württembergs“, geht aber darüber noch deutlich hinaus. Mit den Wildbienen Deutschlands hat er 565 Steckbriefe der hiesigen 585 Wildbienen-Arten vorgelegt und damit annähernd die gesamte Artenvielfalt.
Die Steckbriefe enthalten alle Informationen zu Verbreitung und Biologie der jeweiligen Art – Artnamen, aktuelle taxonomische Beschreibungen und Auseinandersetzungen, Kennzeichen, Verbreitung, Lebensraum, Nistweise, Blütenbesuch, Parasitismus und Phönologie. Insgesamt enthält das Werk 1.700 Farbfotos, darunter – besonders praktisch – 460 Fotos lebender Bienen mit ihren Merkmalen zur Bestimmung im Feld, obwohl das bei dem Gewicht des Buches schwierig ist. Ist eine Bestimmung nur im Labor möglich, so ist auch dies im Steckbrief vermerkt. Anders als die Europäische Honigbiene sind Wildbienen oftmals hoch spezialisiert und zeigen ein fast einmaliges Verhalten. Insofern sind sie ein äußerst interessantes Gebiet für eigene Beobachtungen. Bei vielen Arten ist auch der Nestbau beschrieben und detailliert fotografiert, was in dieser Zusammenstellung einmalig sein dürfte.
Viele Arten sind Nahrungsspezialisten; es ist daher sinnvoll, dass sie sich im Praxisteil auch über eine Nahrungspflanzenliste finden lassen.
Bevor es in die Details der Steckbriefe geht, werden die Lebensräume der Wildbienen, ihre Lebensweise, aber auch sehr eindrucksvoll ihre Nutznießer und Gegenspieler vorgestellt. Ebenso spannend, weil im Detail sehr vielfältig, ist das Kapitel „Bienen und Blüten“. Denn Wildbienen suchen Blüten nicht nur zum Sammeln von Pollen und Nektar auf; einige Arten ebenso zum Schutz in der Nacht als Schlafplatz, andere zum Gewinn von Nistbaumaterial und bei wieder anderen Arten warten dort die Männchen auf Weibchen. Die Beziehung zwischen Wildbiene und Blütenpflanze ist viel komplexer als gedacht.
Für die meisten Menschen ist die Europäische Honigbiene die einzig existierende Biene. Diese sind natürlich nicht die Zielgruppe des Werkes von Paul Westrich. Er beschreibt ausführlich die von den Wildbienen besiedelten Biotope, was wertvolle Anhaltspunkte für Landschaftspflege und Naturschutz liefert: Welche Nahrungsquellen benötigen einzelne Arten und wie sind ihre Anforderungen an Nistmöglichkeiten?
Verhaltensbiologen kommen ebenso auf ihre Kosten, aber auch alle, die sich im kleineren Maßstab für den Wildbienenschutz einsetzen oder an den Wildbienen interessiert sind. Die Bilder sind für Leser jedes Alters reizvoll und Anlass, das Buch immer wieder neu in die Hand zu nehmen – auf der Reise, etwas neues zu entdecken. Die zugehörigen Texte können den Leser trotz des wissenschaftlichen Detailwissens fesseln.
Im Anhang findet sich eine Arten- und Synonymliste, ein knapp 70 Seiten umfangreiches Literaturverzeichnis sowie ein Stichwortregister.
Angesichts des umfangreichen Wissens, das in diese einmalige „Bienen-Bibel“ geflossen ist, erscheint der zunächst hohe Preis von 99 Euro eigentlich viel zu niedrig. Insofern muss man hoffen, dass der Ulmer Verlag diesmal das Buch länger verfügbar hält, als Westrichs erstes Werk.