In Europäischer Union verbotene Pestizide kehren auf Umwegen zurück
Erst werden verbotene Pestizide exportiert und dann gelangen sie zurück. Foto: Borderpolar Photographer/Unsplash
Der Einsatz von Neonicotinoiden in Ländern der Europäischen Union und der Schweiz ist zwar weitgehend verboten, nicht aber so der Export. Und durch den Import von Nahrungsmitteln gelangen die giftigen Stoffe auch wieder zurück.
Eine Untersuchung von Public Eye und Unearthed zeigt das Ausmaß der Exporte von Insektiziden auf Basis so genannter Neonicotinoide aus der Europäischen Union. In der Europäischen Union sind die Wirkstoffe (weitgehend) verboten. In nur vier Monaten haben Agrochemiekonzerne die Ausfuhr von fast 3.900 Tonnen gemeldet, größtenteils in Länder, die entscheidend für die globale Biodiversität sind, wie etwa Brasilien. Der Basler Branchenführer Syngenta ist bei weitem die Nummer eins in diesem giftigen Geschäft.
Für die Neonicotinoide Imidacloprid, Thiamethoxam und Clothianidin gilt grundsätzlich in allen Freilandkulturen ein Verbot – innerhalb der Europäischen Union und auch der Schweiz. Produktion und Ausfuhr sind aber weiter gestattet.
Public Eye und Unearthed, die Rechercheabteilung von Greenpeace Großbritannien, haben die entsprechenden Ausfuhrdaten analysiert, die sie von der Europäischen Chemikalienagentur mittels Öffentlichkeitsrecht erwirkt haben. Die Auswertung zeigt, dass die europäischen Behörden allein von September bis Dezember 2020 den Export von fast 3.900 Tonnen auf der Basis von Neonicotinoiden hergestellter Insektizide genehmigt haben. Beteiligt waren neun EU-Staaten, allen voran Belgien, Frankreich und Deutschland. Über 90 % davon waren für Länder mit niedrigem oder mittlerem Einkommen bestimmt. Zu den wichtigsten Importeuren gehörten Brasilien, Indonesien, Südafrika oder Ghana.
Syngenta ist verantwortlich für mehr als drei Viertel der Gesamtmenge der bei uns verbotenen Neonicotinoiden, die im Berichtszeitraum aus der EU exportiert wurden. Ihre EU-Tochtergesellschaften meldeten die Ausfuhr von 3.426 Tonnen Insektiziden, die 551 Tonnen Thiamethoxam enthielten. Brasilien, das bis zu 20 % der verbleibenden Biodiversität unseres Planeten beherbergt, ist Syngentas größter Markt. Für die gigantischen Sojaplantagen exportierte der Basler Konzern rund 2,2 Millionen Liter seines Hauptprodukts. Damit wird eine Fläche besprüht, die mehr als dreimal so groß ist wie Belgien, von wo aus es versandt wurde.
Diese Enthüllungen kommen zu einem Zeitpunkt, an dem die Europäische Kommission plant, die Einfuhr von Lebensmitteln, welche Spuren von Neonicotinoiden enthalten, zu stoppen: „Wir würden es für inakzeptabel halten, wenn die Produktion von Lebensmitteln, die in die EU importiert werden sollen, [...] eine ernsthafte Bedrohung für die Bestäuberpopulationen weltweit darstellt“, sagte sie gegenüber Public Eye. Den massenhaften Export genau jener Substanzen, die diese Bedrohung verursachen, toleriert die EU aber weiter. Diese Inkonsistenz blieb offenbar auch der EU-Kommission nicht verborgen, die im Oktober 2020 überraschend ankündigte, die Herstellung für den Export verbotener Chemikalien ebenfalls zu verbieten. Bleibt zu hoffen, dass diese Absicht dem Druck jener Mitgliedstaaten mit starker Pestizidlobby standhält.