Insektensterben in Mitteleuropa

  • Veröffentlicht am: 02.12.2021

Insektensterben in Mitteleuropa

Die „Krefelder Studie“ wies vor wenigen Jahren erstmals öffentlichkeitswirksam auf den dramatischen Rückgang von Insekten und ihrer Artenvielfalt hin. Seitdem ist das Thema in der Öffentlichkeit angekommen, allerdings ohne dass diese Erkenntnis zu nennenswerten Änderungen des menschlichen Handelns geführt hätte. Die Autoren der Neuerscheinung des nun vorgelegten Buches beschreiben die komplizierten Wirkungsgefüge der Natur und schlagen konkrete, umsetzbare Maßnahmen für die Naturschutzpraxis vor.

Gründe für das Insektensterben gibt es viele: den intensiven Landverbrauch, hohe Pestizideinsätze und den Klimawandel. Doch wie wirken die Auslöser genau? Die Autoren – Thomas Fartmann, Eckhard Jedicke, Merle Streitberger und Gregor Stuhldreher – sind allesamt vom Fach und bündeln im Buch sämtliche Fakten zu den Ursachen des Insektensterbens und beziehen sie systematisch auf unsere unterschiedlichen Landschaftsräume.

Die zusammengetragenen Fakten zeigen, dass die Thematik des Insektensterbens beileibe kein aktuelles Thema ist, aber eine unangenehme Aufgabenstellung, die zahlreiches Handeln des Menschen infrage stellt und schnelle, konsequente Entscheidungen erfordert.

Die Autoren beschreiben nüchtern, wissenschaftlich fundiert den aktuellen Zustand der Insektenvielfalt und -menge in Deutschland und Mitteleuropa: Viele Arten sind bereits ausgestorben oder (stark) gefährdet. Die Masse der einzelnen Arten ist massiv zurückgegangen.
Insekten sind aber die Lebensgrundlage in fast allen Ökosystemen, denn sie sorgen für Bestäubung und sind Nahrungsgrundlage zugleich. Mit den Insekten sterben daher auch Vögel, Fledermäuse und Reptilien; eine breit aufgestellte Ernährungsgrundlage des Menschen ist zudem längst nicht mehr gesichert, wenn die kostenfreie Ökosystemdienstleistung Bestäubung immer weiter wegbricht.

Die wesentlichsten Ursachen des Insektensterbens werden von den Autoren präzise dargestellt: Zerstörungen und Störungen von Lebensräumen, die ständige Nutzungsintensivierung, Veränderungen der Bewirtschaftung, der massive Einsatz von Dünger und Pestiziden und zuletzt kommen invasive Tier- und vor allem Pflanzenarten hinzu. Der Klimawandel ist ein weiterer Faktor.
Die Natur besitzt teils äußerst komplexe Netzwerkgefüge. Fallbeispiele der Autoren helfen, die Zusammenhänge zu erkennen. Die Erläuterungen werden durch Bilder und Zeichnungen unterstützt; Fachsprache wird erklärend eingeführt. Dadurch bleiben die Texte präzise, spannend zu lesen und dennoch gut verständlich.

Das Buch ist eine fast unerschöpfliche Quelle an kompakt zusammengefassten Informationen. Es bleibt zu hoffen, dass es nicht nur einem kleinen Kreis interessierter Leser zugänglich bleiben wird, sondern dort gelesen wird, wo die wesentlichen Weichen für die Rettung unserer Lebensgrundlage gestellt werden: In der EU-Kommission, den Landwirtschaftsministerien und bei konventionell wirtschaftenden Landwirten sowie Mitarbeitenden aller Verwaltungsebenen.

So radikal wie sie alle durch Entscheidungen der letzten Jahrzehnte der Industrialisierung der Landwirtschaft unsere künftigen Lebensgrundlagen zerstört haben, müssten sie eigentlich längst umsteuern.
Natürlich kann auch der Gartenbesitzer zu Hause seinen Beitrag leisten, doch es ist nur ein verschwindend geringer Anteil. Naturschützer können ebenfalls wenig ausrichten.

Trotz des desaströsen aktuellen Zustands ließe sich der Insektenrückgang aufhalten und die Entwicklung umkehren. Dazu haben die Autoren einen Fahrplan zusammengetragen, der einem praxisnahen Katalog von Maßnahmen gleicht. Die Agrarpolitik ist dabei der entscheidende Schlüssel.

Die Autoren haben eine fundierte Faktengrundlage für notwendige Maßnahmen geliefert. Damit die Botschaft des Buches auch die notwendige Breite erreicht, werden sie sie hoffentlich auch abseits ihres Werkes verbreiten.

Bibliographische Angaben
Titel: 
Insektensterben in Mitteleuropa
Verlag: 
Auflage: 
1
Seitenzahl: 
303
ISBN: 
9783818609443
Preis: 
48,00 € (D)
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