Zahlreiche Pestizid-Zulassungen werden ohne Risikoprüfung verlängert

  • Veröffentlicht am: 12.01.2023

Glyphosat ist nur die Spitze des Eisbergs bei den Zulassungsverlängerungen. Foto: Brandon Green/Unsplash

Bei 30 Prozent aller in der EU verwendeten Pestizide sind die Zulassungen eigentlich abgelaufen. Die EU verlängert die Genehmigungen jedoch regelmäßig – ohne vorgeschriebene Sicherheitsprüfung durch die zuständige Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA).

Recherchen der Verbraucherorganisation Foodwatch zeigen, dass vorgeschriebene Sicherheitsprüfungen vor Verlängerungen von Pestizid-Zulassungen regelmäßig ausbleiben. Foodwatch forderte daher eine umfassende Reform der EU-Zulassungspraxis, Bundesagrarminister Cem Özdemir müsse sich in Brüssel dafür stark machen. Zudem müssten alle Pestizide, deren Zulassungen ohne abschließende Risikobewertung verlängert wurden, sofort verboten werden. Noch im letzten Jahr hatte die EU-Kommission angekündigt, die Verwendung von Glyphosat bis Dezember 2023 zu verlängern, obwohl das endgültige EFSA-Gutachten zu dem umstrittenen Pestizid erst im selben Jahr erwartet wird.

„Glyphosat ist nur die Spitze des Eisbergs: Die Zulassung von jedem dritten Pestizid in der EU ist längst abgelaufen, trotzdem werden die Mittel weiter massenhaft verspritzt, weil die EU die Zulassung ohne neue Risikobewertung einfach immer wieder verlängert. Das ist absolut unverantwortlich und inakzeptabel. Warum lässt Bundesagrarminister Özdemir so etwas zu?“, sagte Lars Neumeister von Foodwatch international. „Das EU-Pestizid-Zulassungssystem hat so viele Schwachstellen, dass eine Reform dringend notwendig ist. Cem Özdemir muss sich dafür in Brüssel jetzt einsetzen.“ 

Die systematische Auswertung der EU-Pestizid-Datenbank durch die Verbraucherorganisation zeigt, dass die Zulassung von 135 der insgesamt 455 Pestizide, die derzeit in der EU erlaubt sind, bereits abgelaufen ist. Dennoch werden die Genehmigungen – teilweise seit vielen Jahren – immer wieder verlängert, ohne dass die EFSA eine neue Sicherheitsbewertung vornimmt. Betroffen sind weit verbreitete Mittel wie Flufenacet, ein Herbizid, das das Grundwasser belastet. Die Zulassung war eigentlich schon 2012 ausgelaufen, trotzdem wird das Mittel weiter stark genutzt: Allein in Deutschland wurden im vergangenen Jahr mehr als 830.000 Kilogramm verspritzt. Die Zulassung für das nervenschädigende Deltamethrin beispielsweise wurde seit 2013 immer wieder verlängert – und das, obwohl das Insektizid von der EU als sogenannter „Candidate for Substitution“ eingestuft wurde, also eigentlich eine kürzere Zulassungsdauer haben müsste, weil es besonders gefährlich ist.

Foodwatch forderte höhere Zulassungsgebühren für die Pestizidhersteller, damit die EU-Behörden ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung haben, um die Risikobewertungen rechtzeitig durchführen zu können. Alle Pestizide, die von der EFSA nicht nach den in der entsprechenden EU-Verordnung 1107/2009 festgelegten Regeln bewertet wurden, müssten sofort vom Markt genommen werden. Darüber hinaus solle die EU eine Ausstiegsstrategie für Pestizide entwickeln. Das Ziel müsse eine pestizidfreie EU-Landwirtschaft bis 2035 sein, fordert die Verbraucherorganisation. In einem aktuellen Report hat Foodwatch dafür auch einen konkreten Plan vorgestellt. 

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