Verbote von Neonicotinoiden in der EU rechtens

  • Veröffentlicht am: 05.06.2018

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat entschieden. Foto: marcschneider/Pixabay, CC0 Creative Commons

Das Gericht der EU stellt die Gültigkeit der Beschränkungen fest, die 2013 auf EU-Ebene für die Insektizide Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid wegen der von diesen ausgehenden Gefahren für Bienen eingeführt worden sind. Dagegen gibt es der Klage von BASF weitgehend statt und erklärt die Maßnahmen zur Beschränkung der Verwendung des Pestizids Fipronil für nichtig, da sie ohne vorherige Folgenabschätzung ergangen waren.

Nach dem Verlust von Bienenvölkern aufgrund mehrerer Fälle unsachgemäßer Verwendung von Pestiziden beschloss die Kommission im Jahr 2012, die Zulassungen zu überprüfen, die auf Unionsebene für die zur Gruppe der Neonicotinoide zählenden Wirkstoffe Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid und den zur Gruppe der Phenylpyrazole zählenden Wirkstoff Fipronil erteilt worden waren.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hatte die Aufgabe, die von diesen Stoffen für die Gesundheit von Bienen ausgehenden Gefahren zu überprüfen. Aufgrund der von der EFSA festgestellten Gefahren erließ die Kommission dann am 24. Mai 2013 die Durchführungsverordnung Nr. 485/20131, die ab dem 26. Mai 2013 für Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid das Verbot vorsieht für:

  • alle nicht gewerblichen Anwendungen im Innen- und Außenbereich,
  • alle Verwendungen für die Saatgutbehandlung oder Bodenbehandlung für die Getreidearten Gerste, Hirse, Hafer, Reis, Roggen, Sorghum, Triticale und Weizen (soweit zwischen Januar und Juni ausgesät),
  • alle Blattbehandlungen für die Getreidearten Gerste, Hirse, Hafer, Reis, Roggen, Sorghum, Triticale, Weizen,
  • alle Anwendungen zur Saatgutbehandlung, Bodenbehandlung oder Blattbehandlung für rund hundert Kulturen, unter anderem Raps, Soja, Sonnenblume und Mais, außer bei Anwendung in Gewächshäusern und außer zur Blattbehandlung nach der Blüte.

Diese Durchführungsverordnung verbietet seit dem 1. Dezember 2013 auch die Verwendung und das Inverkehrbringen von Saatgut bestimmter Kulturpflanzen (Sommergetreide, Raps, Soja, Sonnenblume, Mais, u. a.), soweit es mit den Wirkstoffen dieser Pflanzenschutzmittel behandelt worden ist – außer es wird Gewächshäusern verwendet.

Darüber hinaus erließ die Kommission am 14. August 2013 die Durchführungsverordnung Nr. 781/20132 über Fipronil. Sie beschränkt seit dem 16. August 2013 die Verwendung von Fipronil enthaltende Pflanzenschutzmittel auf Kulturpflanzen im Gewächshaus sowie auf Saatgut für Lauch-, Zwiebel-, Schalotten- und Kohlpflanzen, die im Freien kultiviert und vor der Blüte geerntet werden sollen, und verbietet seit dem 1. März 2014 die Verwendung und das Inverkehrbringen von Saatgut, das mit Fipronil enthaltende Pflanzenschutzmittel behandelt wurde, mit Ausnahme von Saatgut für Kulturpflanzen, die in Gewächshäusern verwendet werden sollen, und für Lauch-, Zwiebel-, Schalotten- und Kohlpflanzen, die im Freien kultiviert und vor der Blüte geerntet werden sollen.

Beide Durchführungsverordnungen verpflichten die Mitgliedstaaten, geltende Zulassungen für Pflanzenschutzmittel, die Clothianidin, Thiamethoxam oder Imidacloprid als Wirkstoff enthalten, bis zum 30. September 2013 (mit einer möglichen Aufbrauchfrist bis spätestens 30. November 2013) zu ändern oder zu widerrufen. Was Fipronil enthaltende Pflanzenschutzmittel betrifft, ist die gleiche Verpflichtung für den 31. Dezember 2013 (mit einer möglichen Aufbrauchfrist bis spätestens 28. Februar 2014) vorgesehen.

Der Bayer-Konzern, der in der Union Imidacloprid und Clothianidin herstellt und vertreibt, der Syngenta-Konzern, der Thiamethoxam (sowie behandeltes Saatgut) herstellt und vertreibt, und der BASF-Konzern, der Fipronil herstellt und vertreibt, haben beim Gericht der Europäischen Union Klage auf Nichtigerklärung dieser Verbote und Beschränkungen erhoben. Syngenta hat zudem Schadensersatz in Höhe von mindestens 367,9 Millionen Euro beantragt.

Klagen von Bayer und Syngenta vollständig abgewiesen

Das Gericht hat die Klagen von Bayer CropScience AG und Syngenta Crop Protection AG, die die Neonicotinoide Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid betreffen, in vollem Umfang abgewiesen.

Insofern stellt das Gericht klar, dass die Anforderungen in Bezug auf das Fehlen unannehmbarer Auswirkungen auf Bienen (die, zusammen mit den anderen Bestäubern, eine bedeutende Rolle sowohl für die natürliche Flora als auch für die Kulturpflanzen spielen) auf Unionsebene erheblich verstärkt wurden. Es wird inzwischen ausdrücklich verlangt, dass Bienen den fraglichen Wirkstoffen nur „in vernachlässigbarer Weise“ ausgesetzt werden dürfen oder die Verwendung dieser Wirkstoffe „unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf Honigbienenlarven und das Verhalten von Honigbienen keine unannehmbaren akuten oder chronischen Auswirkungen auf das Überleben und die Entwicklung der Bienenvölker“ haben darf. Diese neuen Anforderungen gelten auch bei Überprüfung der geltenden Zulassungen.

Angesichts des Vorliegens neuer Studien, deren Ergebnisse gegenüber dem bei der vorangehenden Beurteilung vorhandenen Wissensstand Bedenken hinsichtlich der Frage aufwarfen, ob die Zulassungsvoraussetzungen noch erfüllt sind, konnte die Kommission nach Auffassung des Gerichts zutreffend davon ausgehen, dass die Zulassung der fraglichen Wirkstoffe zu überprüfen sei.

Darüber hinaus war die Frist von etwa acht Monaten weder ausnehmend kurz noch ungewöhnlich.

Was die im Jahr 2013 beschränkten oder verbotenen Verwendungen betrifft, entscheidet das Gericht, dass die Kommission darlegen konnte, dass in Anbetracht der erheblichen Verschärfung der Anforderungen daran, dass keine unannehmbaren Auswirkungen der Wirkstoffe auf die Bienen vorhanden seien, die von der EFSA festgestellten Gefahren den Schluss zuließen, dass die drei fraglichen Wirkstoffe nicht mehr den Zulassungskriterien entsprächen. Bei der Prüfung der von Bayer und Syngenta insoweit vorgebrachten Argumente haben sich weder Fehler (insbesondere keine offensichtliche Beurteilungsfehler) noch eine falsche Anwendung des Vorsorge- oder des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ergeben. Was den Vorsorgegrundsatz betrifft, weist das Gericht darauf hin, dass danach die Organe, wenn wissenschaftliche Ungewissheiten bezüglich der Existenz oder des Umfangs von Risiken für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt bestehen, Schutzmaßnahmen treffen können, ohne abwarten zu müssen, bis das tatsächliche Vorliegen und die Schwere dieser Risiken in vollem Umfang nachgewiesen sind oder bis die nachteiligen Wirkungen für die Gesundheit eintreten.

Außerdem räumt der Vorsorgegrundsatz den Anforderungen in Verbindung mit dem Schutz der öffentlichen Gesundheit, der Sicherheit und der Umwelt Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen ein.

Was das Verbot der Verwendung und des Inverkehrbringens behandelten Saatguts betrifft, stellt das Gericht fest, dass nur mit diesem Verbot die praktische Wirksamkeit der Beschränkung der Zulassung der fraglichen Wirkstoffe sichergestellt werden konnte. Ohne ein solches Verbot hätten nämlich die vorhandenen Saatgutvorräte, die vor dem Widerruf oder der tatsächlichen Änderung der auf nationaler Ebene bestehenden Zulassungen ohne Rechtsverstoß behandelt worden sind, in den Mitgliedstaaten, die keine nationalen Maßnahmen ergriffen hatten, frei zirkulieren und verwendet werden können.

BASF gewinnt und verliert zugleich

In Bezug auf Fipronil erklärt das Gericht mit seinem weiteren Urteil von heute die Durchführungsverordnung Nr. 781/2013 für nichtig, soweit diese erstens ab dem 16. August 2013 die Verwendung von diesen Wirkstoff enthaltenden Pflanzenschutzmitteln auf Kulturpflanzen im Gewächshaus sowie auf Saatgut für Lauch-, Zwiebel-, Schalotten- und Kohlpflanzen, die im Freien kultiviert und vor der Blüte geerntet werden, beschränkt und zweitens die Mitgliedstaaten verpflichtet, geltende Zulassungen für Fipronil enthaltende Pflanzenschutzmittel zu ändern oder zu widerrufen.

Die Kommission hat diese Beschränkungen nämlich erlassen, ohne zuvor die Folgen ihres Handelns nach Maßgabe der möglichen Folgen ihrer Untätigkeit für die verschiedenen beteiligten Interessen abgeschätzt zu haben. Indem sie auf eine solche Folgenabschätzung verzichtet hat, hat sie gegen den Vorsorgegrundsatz verstoßen.

Was dagegen das Verbot betrifft, ab dem 1. März 2014 mit Fipronil enthaltenden Pflanzenschutzmitteln behandeltes Saatgut zu verwenden und in Verkehr zu bringen, weist das Gericht die Klage von BASF Agro BV ab. Da dieser Konzern mit diesen Stoffen behandeltes Saatgut nicht selbst vertreibt, betrifft ihn das Verbot nicht unmittelbar, so dass der Antrag auf dessen Nichtigerklärung unzulässig ist.

Gegen die Entscheidung des Gerichts kann innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt werden.

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