Nachkommen rauben Hummeln den Schlaf
Eine rastlose Dunkle Erdhummel. Foto: Niels Gründel
Arbeiterinnen von Hummeln schlafen deutlich weniger, sobald sie sich um die Versorgung von Nachkommen kümmern. Unter einem Schlafdefizit leiden sie aber nicht.
Schlaf ist bei Wirbeltieren und Wirbellosen allgegenwärtig. Er ist förderlich für die Gesundheit und Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit. Nichtsdestotrotz können einige Tiere ihre Schlafphasen reduzieren, etwa um die Zeiten der Nahrungsaufnahme zu verlängern, während einer saisonalen Migration oder für größere Paarungschancen.
Wissenschaftler sind der Hypothese nachgegangen, ob auch Arbeiterinnen Dunkler Erdhummeln Bombus terrestris ihren Schlaf einschränken, um die Brutpflege zu verbessern. Dazu kombinierten sie in ihren Untersuchungen detaillierte Verhaltensanalysen und Schlafentzugsexperimente und überwachten die Hummeln per Videoaufzeichnungen. Zuerst einmal stellten sie sicher, dass auch Hummeln richtig schlafen und das tun sie.
Bei ihren Folge-Experimenten fanden die Forscher heraus, dass isolierte Arbeiterinnen ihre Schlafphasen sowohl in Gegenwart von Larven, die gefüttert werden müssen, als auch Puppen, die nicht gefüttert werden müssen, erheblich verkürzen.
Ein insgesamt herabgesetzter Schlaf korrelierte auch mit dem Bau von Wachstöpfchen Rund-um-die-Uhr, was typisch für nestgründende Königinnen ist. Kokons, aus denen die Forscher die Puppen entfernten, lösten bei den Arbeiterinnen einen ähnlichen vorübergehenden Schlafverlust aus. Die Wissenschaftler vermuten dahinter als Auslöser Brutpherome als Trigger für die Verhaltensänderung.
Der Schlaf von Hummeln reagiert unglaublich empfindlich auf das Vorhandensein von Brut. Der Bruteffekt wurde am besten durch die Zunahme der Schlafdauer am Tag nach der Brutentfernung veranschaulicht. Dieser Effekt erinnert an Studien von Nishihara et. al 1998 und Volkovich et. al 2018 mit menschlichen Müttern, die seltener in unmittelbarer Nähe ihres Kindes schlafen.
Die Befunde bei Säugetieren und Bienen sind funktionell sinnvoll, da ihre Neugeborenen hilflos und auf die Fürsorge von Erwachsenen angewiesen sind. Während bei Menschen Neugeborene aktiv oder akustisch um die Aufmerksamkeit der Erwachsenen werben, bewegt sich eine Hummel-Puppe nicht, gibt keine akustischen Signale von sich und muss nicht einmal gefüttert werden. Und doch reduzieren die scheinbar passiven Puppen den Schlaf der betreuenden Erwachsenen.
Die plausibelste Erklärung für den nachgewiesenen schlafreduzierenden Effekt besteht darin, dass Pheromone auf entleerten Kokons belassen werden und ihre Wirkung aufgrund von Zersetzung oder Verdunstung allmählich nachlässt.
Interessanterweise hat die Brut bei Honigbienen etwas andere Wirkungen: Das Vorhandensein von Brut vermindert den Tagesrhythmus der Ammenbienen, beeinflusst jedoch nicht deren Schlafmenge wie Nagari et. al 2017 und Shemesh et. al 2010 zeigten.
Die Arbeiterinnen bei Hummeln füttern die Puppen nicht und dennoch werden sie um ihren Schlaf gebracht: Möglicherweise hängt dies mit der Bruttemperatur und weiteren Bestandteile der Mikroumgebung zusammen, die genau reguliert werden muss. Bei Honigbienen etwa beeinträchtigen schon geringfügige Abweichung von der optimalen Temperatur die Entwicklung der Puppen.
Brutpflegende Hummeln reduzieren die Schlafdauer dramatisch. Die Beobachtungen der Forscher legen nahe, dass brutpflegende Hummel keinen Schlafdefizit haben, sondern ihren Schlafbedarf reduzieren können.
Dieser Mechanismus könnte die Versorgung abhängiger Nachkommen verbessern, sogar bei Arbeiterinnen sozialer Insekten, die sich nicht um ihre eigenen Nachkommen kümmern.
Ob ein reduzierter Schlaf bei brutpflegenden Hummeln andere Auswirkungen hat – etwa eine Beeinträchtigung ihrer kognitiven Leistungen oder sich auf ihre Gesundheit auswirkt – war nicht Teil der nun vorgelegten Studie.