Glyphosat beeinträchtigt Immunsystem von Insekten

  • Veröffentlicht am: 18.06.2021

Glyphosat wird auf ein Stoppel-Feld ausgebracht. Foto: Chafer Machinery/Flickr, CC BY 2.0

Der weltweit in großem Stil ausgebrachte Wirkstoff Glyphosat in Unkrautvernichtungsmitteln kann das Immunsystem von Insekten schwächen, so das Ergebnis einer aktuellen Studie. Und damit sogar der Verbreitung von Malaria beim Menschen Vorschub leisten.

Die Forscher untersuchten die Auswirkungen von Glyphosat auf zwei evolutionär weit entfernte Insekten die Große Wachsmotte Galleria mellonella und die Stechmücke Anopheles gambiae, die als Überträgerin von Malaria auf Menschen in Afrika bekannt ist. Bei ihren Untersuchungen fand das Team der Wissenschaftler heraus, dass Glyphosat die Produktion von Melanin hemmt, das Insekten häufig als Teil ihrer Immunabwehr gegen Bakterien und Parasiten benötigen. Dadurch wird ihre Resistenz gegen Infektionen durch häufig vorkommende Krankheitserreger verringert.

„Die Feststellung, dass Glyphosat durch Beeinträchtigung der Melanin-Produktion eine nachteilige Wirkung auf Insekten zu haben scheint, deutet auf das Potenzial für große ökologische Auswirkungen hin, einschließlich Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit“, so Daniel Smith von der Johns Hopkins Universität.

„Unsere Ergebnisse zeigen unerwartete Auswirkungen eines weit verbreiteten Herbizids und machen uns darauf aufmerksam, dass die Verbreitung dieser Chemikalien in der Umwelt unbeabsichtigte Folgen haben kann“, ergänzt Professor Arturo Casadevall von der Johns Hopkins Universität.

Dass menschliche Produkte und Aktivitäten durch die Verwendung gewöhnlicher Haushalts- oder Industriechemikalien versehentlich Auswirkungen in der Umwelt haben, ist nicht neu: Beispielsweise haben die meisten Länder vor etwa 50 Jahren das übliche Pestizid DDT wegen seiner schädlichen Auswirkungen auf Insekten, Fische und Vögel verboten.
In den letzten Jahren haben offensichtliche Rückgänge von Insekten-Populationen bei Wissenschaftlern zu Bedenken geführt, dass andere gängige Chemikalien, einschließlich Glyphosat, ebenfalls schädliche Störungen der Ökosysteme verursachen könnten.

Frühere Forschungen deuten darauf hin, dass Glyphosat nachteilige Auswirkungen auf Honigbienen und andere Insektenarten haben kann, und sei es nur indirekt über die Beeinträchtigung notwendiger Darmbakterien.
Bereits im Jahr 2001 stellte Arturo Casadevall mit einem anderen Forscher-Team fest, dass Glyphosat Pilze schwächen kann, indem es die Produktion von Melanin hemmt, die pathogenen Pilzen hilft, dem Immunsystem der von ihnen infizierten Tiere zu widerstehen.

Melanin besitzt viele Funktionen im Tierreich. Während es beim Menschen am besten als lichtabsorbierendes Pigment bekannt ist, das die Haut vor Schäden durch ultraviolette Strahlung schützt, spielt Melanin eine wichtige Rolle im Immunsystem von Insekten.

In der nun veröffentlichten Studie untersuchten die Forscher die Auswirkungen von Glyphosat auf die Melaninproduktion und die Immunität bei zwei repräsentativen Insektenarten.

Melanin wirkt bei der Immunität von Insekten im Wesentlichen, indem es ein eindringendes Bakterium, einen Pilz oder einen Parasiten quasi einfängt und abtötet. Die Melaninproduktion steigt als Reaktion auf die Infektion an, und in einem als Melanisierung bezeichneten Prozess umgeben Melaninmoleküle den eindringenden Erreger - während hochreaktive Moleküle, die im Rahmen des Melaninsyntheseprozesses produziert werden, den Eindringling effektiv zerstören.
Glyphosat hemmt in den Larven der Großen Wachsmotte die komplexen Reaktionen, die Melanin synthetisieren; es schwächt damit die Melanisierungsreaktion und verkürzt damit das Überleben der Insekten, wenn sie mit dem Pilz Cryptococcus neoformans infiziert sind.

Glyphosat steigert Malaria-Verbreitung

In ähnlicher Weise hemmt Glyphosat bei A. gambiae die Melanin-Produktion und -Melanisierung und erhöht dadurch die Anfälligkeit der Mücken für eine Infektion mit Plasmodium falciparum, einem gefährlichen Malaria-Parasiten. Die Wissenschaftler fanden auch heraus, dass Glyphosat die Zusammensetzung der Bakterien- und Pilzpopulation im Mitteldarm der Mücken verändert, dem Mikrobiom im Darm, das wie beim Menschen die Gesundheit der Mücken reguliert.

In einer weiteren Reihe von Experimenten stellte das Forscher-Team fest, dass andere phosphathaltige Verbindungen, die mit Glyphosat verwandt sind, ähnliche Wirkungen bei einer Reduzierung der Melanisierung haben.

Für die Forscher ergeben sich dadurch Bedenken hinsichtlich der Schädlichkeit von Glyphosat und möglicherweise auch anderer phosphathaltiger Verbindungen auf Insekten-Populationen.
Insekten spielen im globalen Ökosystem eine bedeutende Rolle, und die Störung ihrer Populationen kann wiederum erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Menschen haben, beispielsweise in der Landwirtschaft und sogar im Bereich der Infektionskrankheiten.

„Mücken, die Glyphosat ausgesetzt waren, waren weniger in der Lage, Plasmodium-Infektionen zu kontrollieren, denen sie sonst widerstanden hätten, was darauf hindeutet, dass eine Glyphosat-Exposition sie zu besseren Überträgern für Malaria machen könnte“, so Daniel Smith. „Diese Ergebnisse werfen Bedenken hinsichtlich des zunehmenden Einsatzes von Glyphosat in Regionen der Welt auf, in denen Malaria endemisch ist.“

Die Forscher untersuchen nun die langfristigen Auswirkungen von Glyphosat auf Insekten-Populationen über mehrere Generationen hinweg.

Literaturstelle: 

Smith DFQ, Camacho E, Thakur R, Barron AJ, Dong Y, Dimopoulos G, et al. (2021) Glyphosate inhibits melanization and increases susceptibility to infection in insects. PLoS Biol 19(5): e3001182. https://doi.org/10.1371/journal.pbio.3001182

Die Studie ist in vollem Umfang frei zugänglich (Open Access).
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