Seltene Ackerwildkräuter besonders wertvoll für Wildbienen
Klatschmohn zählt zu den seltenen Ackerwildkräutern in modernen Feldern. Foto: Wolfgang Eckert/Pixabay
Die Intensivierung der Landwirtschaft hat zu weniger Ackerwildkräutern und damit Wildbienen geführt, eine der Hauptursachen für den weltweiten Verlust der biologischen Vielfalt. Unklar ist, wie gefährdete seltene Ackerwildkräuter durch die Bereitstellung zusätzlicher Blütenressourcen in Agrarlandschaften zum dauerhaften Überleben blütenbesuchender Wildbienen beitragen.
In einer Studie wurden die Auswirkungen der Aussaat zehn seltener Arten auf Wildbienen in einem Versuchsfeld und auf zehn verschiedenen landwirtschaftlichen Betrieben mit nährstoffarmen Böden untersucht.
Die Aussaat seltener Ackerwildkräuter auf Parzellen mit und ohne Getreideeinsaat wurde mit einjährigen und mehrjährigen Wildblumenstreifen verglichen.
Die Ergebnisse zeigen, dass seltene Ackerwildkräuter auf Parzellen ohne Getreideeinsaat ebenso viele Wildbienen anzogen wie Wildblumenstreifen. Dichte und Artenreichtum der Wildbienen nahmen im zweiten Jahr in den im Herbst gesäten Kulturen zu, wahrscheinlich weil diese seltenen Pflanzen von den Wildbienen bevorzugt wurden.
Vor allem lieferten seltene Ackerwildkräuter Blüten, die von Hummeln mit langen Zungen bevorzugt werden; auf intensiv bewirtschafteten Ackerflächen fehlen sie häufig.
Die Studienergebnisse zeigen, dass die Aussaat seltener Ackerwildkräuter die Nischenvielfalt und damit die Ressourcenverfügbarkeit für Wildbienen erhöhen kann und auch die Vielfalt der Ackerpflanzen in degradierten Agrarlandschaften erhalten kann. Die Erhaltung von Ackerwildkräutern durch Aussaat kann auch Wildbienengemeinschaften unterstützen und ein wichtiges Instrument für eine bestäubungsfreundliche Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen sein.
Nachgefragt im Interview
bienen-nachrichten.de hat bei der Studienautorin Alina Twerski Hintergrundinformationen der Studie erfragt und wollte wissen, ob Ackerwildkräuter auch im eigenen Garten sinnvoll sind.
Wo wurde die Studie durchgeführt und wie sah der Versuchsaufbau aus?
Die Studie wurde in der Münchner Schotterfläche durchgeführt. Es gab einen Parzellenversuch auf den Flächen der Seidlhof Stiftung in Gräfelfing. Hier haben wir verschiedene Versuchsvarianten ausprobiert. Um den Einfluss unterschiedlicher Standort- und Bewirtschaftungsbedingungen zu untersuchen, wurden zusätzlich zum Parzellenversuch auf zehn Praxisbetrieben in der Münchner Schotterebene auch Parzellen angelegt.
Wie werden die Kosten für einen derart aufwendigen Versuchsaufbau finanziert?
Das Forschungsvorhaben wurde von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt finanziert und am Lehrstuhl für Renaturierungsökologie der Technischen Universität München unter der Leitung von Harald Albrecht und Christina Fischer durchgeführt.
Welche seltenen Ackerwildkräuter wurden (warum) ausgewählt?
Es wurden zehn seltene Ackerwildkräuter ausgewählt: Acker-Lichtnelke (Silene noctiflora), Gewöhnlicher Feldrittersporn (Consolida regalis), Eiblättriges Tännelkraut (Kickxia spuria), Knollen-Platterbse (Lathyrus tuberosus), Gezähnter Feldsalat (Valerianella dentata), Klatschmohn (Papaver rhoeas), Ackerröte (Sherardia arvensis), Venus-Frauenspiegel (Legousia speculum-veneris), Acker-Steinsame (Buglossoides arvensis) und Finkensame (Neslia paniculata).
Auswahlkriterien für die verwendeten Zielarten waren ihre Gefährdung, die Zugehörigkeit zu verschiedenen Pflanzenfamilien, unterschiedliche Keimungsansprüche (drei winterannuelle, vier sommerannuelle und drei Arten ohne klare Bindung an winter- oder sommerannuelle Feldfrüchte), ihre geringe Konkurrenzkraft und die Verfügbarkeit von lokalem Saatgut aus der Münchner Schotterebene.
Welche Wildbienen waren besonders häufige Besucher der Ackerwildkräuter?
Vor allem zwei häufig auftretende Interaktionen konnten wir in unserer Studie zeigen: Die Gartenhummel (Bombus hortorum) wurde häufig auf den Blüten von Consolida regalis beobachtet. Die Blüten von C. regalis haben einen langen Sporn, was die Affinität der langzüngigen Gartenhummel zu dieser Pflanzenart erklärt. Des Weiteren wurde die Zweifarbige Sandbiene (Andrena bicolor) fast ausschließlich auf Legousia speculum-veneris, einer Pflanze aus der Familie der Glockenblumengewächse (Campanulaceae), gefunden. Die zweite Generation der Zweifarbigen Sandbiene hat eine Affinität gegenüber Campanulaceaen, welche eher seltene Pflanzen auf dem Acker sind. Unsere Studie demonstriert, dass seltene Ackerwildkräuter die Nischenvielfalt für Wildbienen in Agrarlebensräumen erhöhen können, was wiederum zu einer Stabilisierung der Wildbienengemeinschaft führen kann.
Lassen sich ganze Wildblumenstreifen durch wenige der seltenen Ackerwildkräuter ersetzen?
Prinzipiell kann man dies nicht generalisieren, weil es sehr davon abhängt, welche seltene Ackerwildkrautarten eingesät werden. In unserem Versuch wurden tatsächlich auf den Parzellen mit Aussaat der seltenen Ackerwildkräuter und ohne Getreideeinsaat genauso viele Wildbienen erfasst wie auf Parzellen mit kommerziellen Blühmischungen des Kulturlandschaftsprogramms aus Bayern, was sehr erfreulich ist, vor allem in Anbetracht der Tatsachen, dass Blühmischungen hauptsächlich mit dem Ziel, Bestäuber anzulocken konzipiert wurden.
Lassen sich die seltenen Ackerwildkräuter auch im kommerziellen Maßstab aussäen und wird dies auch von Landwirten akzeptiert?
Theoretisch lassen sich seltene Ackerwildkräuter auch im kommerziellen Maßstab aussäen, vorausgesetzt die Maßnahme wird naturschutzfachlich betreut. Es gibt auch unterschiedliche Möglichkeiten – die produktionsintegrierte Kompensation oder das Vertragsnaturschutzprogramm –, die die Aussaat oder die Förderung verbliebener artenreicher Äcker ermöglichen. Die ausführlichen Ergebnisse können im öffentlich verfügbaren DBU-Abschlussbericht nachgelesen werden.
Ein wichtiger Teil unseres Projektes befasste sich mit der Akzeptanz von Landwirt*innen gegenüber Ackerwildkrauteinsaaten. Diese sind durchaus zugänglich, wenn eine gute Beratung und Betreuung sichergestellt ist und keine finanziellen Nachteile entstehen. Sie sind motiviert, Förder- und Schutzmaßnahmen umzusetzen, wenn sie sich mit der naturschutzfachlichen Bedeutung von Ackerwildkräutern auseinandersetzen.
Macht es Sinn, einige der seltenen Ackerwildkräuter auch im eigenen Garten auszusäen, wenn man Wildbienen helfen möchte?
Auch hier hängt es wieder stark von den Arten ab: Viele vor allem seltene Ackerwildkräuter sind eher kleinblütig und unauffällig und deshalb für Bestäuber nicht sehr interessant. Und wenn man Ackerwildkräuter im Garten ansät, dann muss man auch richtig „Unkraut jäten“, weil diese Arten sehr konkurrenzschwach sind und einen jährlichen Bodenumbruch brauchen. Das wichtigste ist, dass bei einer Aussaat regionales Saatgut verwendet wird! Leider ist dieses so genannte autochthone Saatgut für viele Herkunftsregionen nicht verfügbar.
Für unseren Garten haben wir in unmittelbarer Umgebung Saatgut von vielen verschiedenen, heimischen Ruderal- und Grünlandarten gesammelt und ausgesät. Dies ist eine kostengünstige Alternative zu den herkömmlichen Blühmischungen für den privaten Haushalt. Das Sammeln macht viel Spaß und man reduziert das Risiko der Verunkrautung oder Florenverfälschung.