Einfluss der Urbanisierung auf Wildbienen unterschätzt

  • Veröffentlicht am: 20.01.2022

Bei den Gehörnten Mauerbienen Osmia cornuta sind die Männchen deutlich kleiner als die Weibchen. Foto: Niels Gründel.

Wildbienen sind unverzichtbare Bestäuber, die sowohl die landwirtschaftliche Produktivität als auch die Vielfalt von Wildpflanzen weltweit unterstützen. Die Zahl ihrer Arten ist jedoch stark rückläufig, wozu viele Faktoren beitragen. Eine neue Studie weist darauf hin, dass die Auswirkungen des Faktors Urbanisierung womöglich unterschätzt wurden.

Die Populationen vieler Wildbienen-Arten sind weltweit aufgrund zahlreicher Faktoren stark rückläufig. Der Verlust von Lebensraum, Parasiten und Krankheiten, der Einsatz von Pestiziden und der Klimawandel sind insbesondere Ursachen dafür. Die Verstädterung trägt zum Verlust von Lebensräumen bei, und es wird erwartet, dass sich dieser Trend in den kommenden Jahrzehnten beschleunigen wird.

Frühere Studien haben immer wieder einen Rückgang an Menge und Diversität bodennistender Bienen in städtischen Gebieten festgestellt, was auf das Fehlen geeigneter Nistplätze in Städten zurückgeführt wird.

Die nun veröffentlichte Studie wurde im US-Bundesstaat Michigan durchgeführt. Die Wissenschaftler betrachteten dabei das Geschlechterverhältnis von Wildbienen und wie es sich in einer Region aufgrund ihrer Nutzung – ländlich oder städtisch – ändert.

Das Team stellte fest, dass das Geschlechterverhältnis der Wildbienen mit zunehmender Urbanisierung zuungunsten weiblicher Bienen verschoben wurde, soweit sie größere Körper besitzen als die Männchen. Die Studienergebnisse zeigen vor allem negative Auswirkungen der Verstädterung auf bodenbrütende Wildbienen.

„Diese Ergebnisse haben potenzielle Auswirkungen auf die Gesundheit und Bestäubungsleistungen der Bienenpopulation, da männliche und weibliche Bienen oft unterschiedliche Bestäubungsverhalten zeigen“, so Studienautor Paul Glaum von der Universität Wisconsin-Madison.

Geschlechtsspezifische Unterschiede im Verhalten von Bienen sollten bei der Analyse von Auswirkungen durch Umweltveränderungen auf Bienenpopulationen berücksichtigt werden.

Weibliche und männliche Bienen derselben Art bestäuben häufig verschiedene Pflanzenarten. Ein Rückgang der weiblichen Bienen kann daher die Bestäubungsleistungen für bestimmte Pflanzen einschränken.

Weniger weibliche Bienen bedeuten aber auch weniger Fortpflanzungspartner für die männlichen Bienen. Dies wiederum bedroht die Reproduktionsraten und damit künftige Generationen bestäubender Bienen. Sogar die genetische Vielfalt einer Art kann dadurch bedroht werden.

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Forschung die negativen Auswirkungen der Verstädterung auf bodennistende Bienen unterschätzen könnte, und unterstreichen, wie wichtig es ist, geschlechtsspezifische Unterschiede beim Bienenverhalten zu berücksichtigen, wenn die Auswirkungen von Umweltveränderungen auf Bienenpopulationen analysiert werden“, so Paul Glenn.

Um besser zu verstehen, wie sich die Verstädterung auf Bienen-Populationen auswirkt, untersuchten die Forscher Wildbienen in Gärten, Naturschutzgebieten und landwirtschaftlichen Höfen an 26 Standorten.
Die Flächennutzung um die Stellen an denen die Proben entnommen wurden, reichte von dicht besiedelten Städten, Vororten bis hin zu landwirtschaftlich geprägten Gebieten. Die Probenahme erfolgte in mehreren Städten im Südosten von Michigan, darunter Ann Arbor, Dearborn, Detroit, Dexter und Ypsilanti.

Insgesamt wurden 3.300 Bienen aus 143 Arten eingefangen. Die nicht heimische Europäische Honigbienen wurde bei der Studie gezielt außer acht gelassen.

74 % der Wildbienen gehörten Arten an, die ein Bodennest anlegen, die übrigen zählten zu Arten, die oberirdisch in Hohlräumen oder hohlen Baumstämmen nisten.

Die Forscher fanden heraus, dass das Geschlechterverhältnis der Wildbienen mit zunehmender Urbanisierung männlicher wurde, vor allem aufgrund des Rückgangs der weiblichen Bienen mit mittleren und großen Körpern. Sie sehen dafür zwei mögliche Ursachen.

In urbanen Landschaften, in denen Blütenpflanzen stark verstreut sind, neigen männliche Bienen mit größerem Körper eher als Weibchen dazu, sich weit von ihren Heimatnestern zu entfernen, um notwendige Nahrungsquellen zu erreichen und zu überleben.

Eine alternative Erklärung für die beobachtete Verschiebung des Geschlechterverhältnisses liegt in der Verstädterung der Bienen durch die Urbanisierung: Bei den meisten Bienenarten erfordert die Produktion von reproduktiven Weibchen mehr Nahrungsressourcen als die Produktion von Männchen. Infolgedessen könnte eine Knappheit an Pollen und Nektar dazu führen, dass mehr männliche Bienen produziert werden.

Die Studie ist in vollem Umfang frei zugänglich (Open Access).
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