Bedeutung nachtaktiver Bestäuber weitgehend unklar

  • Veröffentlicht am: 03.04.2023

Die imposanten Blüten des brasilianischen Orchideenbaums werden hauptsächlich nachts durch den Tabakschwärmer bestäubt. Foto: Dick Culbert/Flickr, CC BY 2.0

Insekten als Bestäuber sind entscheidend für die Stabilität des Ökosystems und für die Ernährungssicherheit der Menschheit. Die meisten Studien haben bisher die Bedeutung wildlebender und tagaktiver Bestäuber in Anbausystemen untersucht. In einer Meta-Studie ist ein Team von Wissenschaftlern nun der Bedeutung nachtaktiver Bestäuber nachgegangen.

Das Forscherteam fand Nachweise von Interaktionen zwischen Pflanzen und nachtaktiven Bestäubern für 52 Pflanzenfamilien, wobei Kakteengewächse, Hülsenfrüchtler und Spargelgewächse am häufigsten genannt wurden. Insgesamt 81 Tierfamilien wurden dabei als nachtaktive Pflanzenbestäuber beschrieben, insbesondere Schwärmer, Eulenfalter und Blattnasen-Fledermäuse.
Die Nachweise im Einzelnen fielen unterschiedlich aus; in einigen Fällen wurden sie auf der Grundlage von Blütenmerkmalen abgeleitet und nicht durch Beobachtungen gedeckt.
Viele Literaturquellen lieferten Beweise für die nächtliche Bestäubung für mehr als ein Pflanzen- oder Tiertaxon, sodass die Gesamtzahl der Erwähnungen die Anzahl der Quellen übersteigt.

Dass über die Rolle nachtaktiver Bestäuber so wenig bekannt ist, spiegelt wahrscheinlich die Schwierigkeit wieder, entsprechende Beobachtungen nachts durchführen zu können. Vielfach beschränken sich daher die Nachweise auf einer Dokumentation des Pollens auf den Körpern der Blütenbesucher.
Für Tierfamilien, die ein größeres Forschungsinteresse auf sich ziehen, liegt tendenziell eine größere Bandbreite an Beweisen vor; insgesamt stießen die Wissenschaftler nur auf sehr wenige experimentelle Beweise für die Wirksamkeit von Bestäubern, und diese wenigen Studien konzentrierten sich typischerweise auf Fledermäuse und Schwärmer.

Schlüssige Nachweise liegen etwa für die Curaçao-Blütenfledermaus Leptonycteris curasoae als Hauptbestäuberin für Agave angustifolia vor, wobei auch Motten die Blüten bestäuben.
Einige in der Meta-Studie ausgewerteten Arbeiten zeigen Nutzpflanzen auf, die ausschließlich nachts bestäubt werden, beispielsweise wird der brasilianische Orchideenbaum Bauhinia forficata hauptsächlich vom Tabakschwärmer Manduca sexta bestäubt (Neto, 2013). Bienen besuchen zwar tagsüber die Blüten und sammeln Pollen, berühren jedoch nicht die Narbe, wodurch ihre Besuche der allgemeinen Fitness der Pflanze abträglich sind (Newstrom & Robertson, 2005).
Ein weiteres Beispiel ist das gewöhnliche Seifenkraut Saponaria officinalis, das ausschließlich nachts von Motten und Schwärmern bestäubt wird (Wolff et al., 2006). Und bei Äpfeln tragen sowohl tagaktive als auch nachtaktive Bestäuber gleichermaßen zum Fruchtansatz bei (Robertson et al., 2021).

Umgekehrt gibt es eine vergleichsweise größere Menge an experimentellen Beweisen, die zeigen, dass Pflanzen von der nächtlichen Bestäubung profitieren, wobei die Bestäuber selbst aber nicht identifiziert werden konnten.

Die weltweite Verbreitung der Forschung zur nächtlichen Bestäubung von Nutz- und Heilpflanzenarten ist lückenhaft, wobei die meisten Arbeiten in Brasilien und Mexiko durchgeführt wurden. Studien in Mexiko beziehen sich überwiegend auf Pflanzen der Familien Cactaceae und Asparagaceae, insbesondere auf Agavenarten. Bei Studien in Brasilien stand keine bestimmte Pflanzenfamilie im Vordergrund. Tropische Regionen scheinen nach Auswertung der Literatur Hotspots für die nächtliche Bestäubung von Nutzpflanzen zu sein.
Berücksichtigung in der Meta-Studie fanden Studienergebnisse wissenschaftlicher Zeitschriften, die auf Englisch verfasst wurden. Den Autoren ist bekannt, dass dadurch einige Studien ausgeschlossen worden sind.

Die Auswertung der Ergebnisse deutet darauf hin, dass nachtaktive Bestäuber eine Vielzahl von Nutzpflanzen besuchen und möglicherweise wichtiger für die Funktion des Ökosystems und die Nahrungsmittelproduktion sind als derzeit angenommen. Aktuelle Richtlinien in Anbausystemen, die insbesondere zum Schutz von Honigbienen eingeführt wurden, wie etwa Vorschriften zum Einsatz von Pestiziden außerhalb der Flugzeiten der Bienen, werden daher wahrscheinlich nachtaktive Bestäuber nicht schützen.

Die Studie ist in vollem Umfang frei zugänglich (Open Access).
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