Evolution des Gehirns bei Honigbienen

  • Veröffentlicht am: 05.06.2023

Die Forscher fanden heraus, dass sich drei verschiedene, spezialisierte Kenyon-Zell-Subtypen im Gehirn von Honigbienen anscheinend aus einem einzigen, multifunktionalen Vorfahren des Kenyon-Zell-Subtyps entwickelt haben. Foto: Beth Hope/Unsplash

Spezialisierte Neuronen in einigen Insektengehirnen, die mit hoch entwickelten Verhaltensweisen zusammenhängen, haben sich möglicherweise aus einem multifunktionalen Vorfahren entwickelt.

Honigbienen werden seit mehr als 100 Jahren als wichtiges Insektenmodell für ein besseres Verständnis von Lernen und Gedächtnis herangezogen.

Ein Team japanischer Wissenschaftler hält ein neues Modell für die Evolution höherer Gehirnfunktionen und Verhaltensweisen in der Insektenordnung der Hymenoptera für sehr wahrscheinlich. Das Team verglich die Kenyon-Zellen, eine Art neuronaler Zellen in den Pilzkörpern „primitiver“ Pflanzenwespen und hochentwickelter Honigbienen. Die Pilzkörper sind ein Teil des Insektengehirns, das an Lernen, Gedächtnis und sensorischer Integration beteiligt ist.

Die Forscher fanden heraus, dass sich drei verschiedene, spezialisierte Kenyon-Zell-Subtypen im Gehirn von Honigbienen anscheinend aus einem einzigen, multifunktionalen Vorfahren des Kenyon-Zell-Subtyps entwickelt haben.

Das Studium von Insekten kann dabei helfen, nicht nur zu verstehen, wie sich ihr Verhalten entwickelt hat, sondern auch das Verhalten hoch entwickelter Tiere, einschließlich uns Menschen. Das Gehirn von Säugetieren ist groß und komplex, daher ist es schwierig zu erkennen, welche Verhaltensweisen und neuralen und genetischen Veränderungen sich im Laufe der Zeit gemeinsam entwickelt haben. Im Vergleich dazu sind Insektengehirne erheblich kleiner und einfacher, was sie zu nützlichen Modellen für Studien macht.

„Im Jahr 2017 berichteten wir, dass die Komplexität von Kenyon-Zell-Subtypen in Pilzkörpern in Insektengehirnen mit der Verhaltensdiversifizierung bei Hautflüglern - einer großen und vielfältigen Ordnung von Insekten - zunimmt“, erklärt Professor Takeo Kubo von der Universität Tokio. „Mit anderen Worten, je mehr Kenyon-Zell-Subtypen ein Insekt hat, desto komplexer sind Gehirn und Verhaltensweisen, die es zeigen kann. Aber wir wussten nicht, wie sich diese verschiedenen Subtypen entwickelt haben. Das war der Anstoß für diese neue Studie.“

Das Team der Forscher wählte zwei Hymenoptera-Arten als Vertreter für unterschiedliche Verhaltensweisen aus: die Rübsen-Blattwespe Athalia rosae, die einen einzigen Kenyon-Zell-Subtyp besitzt und die hochentwickelte, soziale Honigbiene, die drei Kenyon-Zell-Subtypen aufweist. Da die Blattwespe ein „primitiveres“ Gehirn hat, wird angenommen, dass sie einige angestammte Eigenschaften des Gehirns der Honigbienen enthält. Um die potenziellen Evolutionswege zwischen den Arten aufzudecken, verwendeten die Forscher eine Transkriptomanalyse, um die Genexpressionsprofile der verschiedenen Kenyon-Zell-Subtypen zu identifizieren, ohne vorher Annahmen treffen zu müssen.

„Ich war überrascht, dass jeder der drei Kenyon-Zell-Subtypen der Honigbienen eine vergleichbare Ähnlichkeit mit dem einzelnen Kenyon-Zell-Typ der Blattwespe aufwies“, so Hiroki Kohno von der Universität Tokio. „Basierend auf unserer anfänglichen vergleichenden Analyse mehrerer Gene hatten wir zuvor angenommen, dass zusätzliche Kenyon-Zell-Subtypen nach und nach hinzugefügt wurden. Sie scheinen jedoch durch funktionale Trennung und Spezialisierung von einem multifunktionalen Ahnentyp getrennt worden zu sein.“ Als die Anzahl der Kenyon-Zell-Subtypen zunahm, erbte jeder Subtyp fast gleichermaßen einige unterschiedliche Eigenschaften von einem angestammten Kenyon-Zelltypen. Diese wurden dann auf unterschiedliche Weise modifiziert, was zu ihren vielfältigen heutigen Funktionen führte.

Die Forscher wollten ein konkretes Verhaltensbeispiel dafür, wie angestammte Kenyon-Zell-Funktionen sowohl bei Blattwespen als auch bei Honigbienen vorhanden sind. Also trainierten sie Blattwespen für einen bei Honigbienen üblichen Verhaltenstest, bei dem die Insekten lernen, einen Geruchsreiz mit einer Belohnung zu verbinden.

Die Blattwespen waren allerdings schwer zu trainieren, da sie nicht auf die sonst übliche, süße Zuckerlösung reagierten und bei Berührung sogar den Tod vortäuschen können. Die Forscher konnten sie schließlich von einer Kooperation überzeugen, indem sie ihnen als Belohnung Extrakte aus ihrer Lieblingspflanze anboten, dem Losbaum.

Nach den anfänglichen Problemen gelang es dem Team schließlich, die Blattwespen mit der Gedächtnisaufgabe zu beschäftigen. Die Forscher manipulierten dann eine Proteinkinase namens CaMKII in den Larven der Blattwespen, das bei Honigbienen mit der Bildung des Langzeitgedächtnisses, einer Kenyon-Zell-Funktion, in Verbindung gebracht wird. Das Langzeitgedächtnis der Blattwespen war in ihrem späteren Lebenszyklus beeinträchtigt, was darauf hindeutet, dass das CaMKII sowohl bei Blattwespen als auch bei Honigbinen eine ähnliche Rolle spielt. Obwohl CaMKII über den gesamten einzelnen Kenyon-Zell-Subtyp in Blattwespen aktiv war, wurde es bei Honigbienen vorzugsweise nur in einem Kenyon-Zell-Subtyp exprimiert. Dies deutet darauf hin, dass die Rolle von CaMKII im Langzeitgedächtnis an den spezifischen Kenyon-Zell-Subtypen bei Honigbienen weitergegeben wurde.

Trotz Unterschieden in der Größe und Komplexität der Gehirne von Insekten und Säugetieren gibt es Gemeinsamkeiten in Bezug auf die Funktion und die grundlegende Architektur des Nervensystems. Aus diesem Grund kann das in dieser Studie vorgeschlagene Modell für die Evolution und Diversifizierung von Kenyon-Zell-Subtypen dazu beitragen, auch die Evolution des menschlichen Verhaltens besser zu verstehen.
Das Team der Wissenschaftler will als nächstes Kenyon-Zell-Typen untersuchen, die parallel zu sozialen Verhaltensweisen wie dem Schwänzeltanz der Honigbiene erworben wurden.

„Wir möchten klären, ob das hier vorgestellte Modell auf die Evolution anderer Verhaltensweisen anwendbar ist“, so Studienautor Takayoshi Kuwabara von der Universität Tokio. „Es gibt viele Rätsel um die neuronale Basis, die das Sozialverhalten steuert, sei es bei Insekten, Tieren oder Menschen. Wie es sich entwickelt hat, ist noch weitgehend unbekannt. Ich glaube, dass diese Studie eine Pionierarbeit auf diesem Gebiet ist.“

Literaturstelle: 

Takayoshi Kuwabara, Hiroki Kohno, Masatsugu Hatakeyama, Takeo Kubo, "Evolutionary dynamics of mushroom body Kenyon cell types in hymenopteran brains from multi-functional type to functionally specialized types," Science Advances: May 6, 2023, doi:10.1126/sciadv.add4201.

Die Studie ist in vollem Umfang frei zugänglich (Open Access).
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