Führt Sozialität zum Lösen komplexer Aufgaben?

  • Veröffentlicht am: 07.02.2023

Komplexe Blüten mit viel Nektar werden längst nicht von allen Bienen genutzt. Foto: Matt Seymour/Unsplash

Die Entstehung von Tiergesellschaften ist ein großer evolutionärer Übergang, doch die Auswirkungen lernabhängiger Innovationen in der evolutionären Entwicklung sind unzureichend verstanden. Die Artenvielfalt der Bienen ist unfassbar groß und die Lebensweise einzelner Arten reicht von solitär lebenden Bienen bis hin zu eusozialen Arten. Damit sind Bienen ein ideales Modell für die Erforschung der sozialen Evolution.

In einer Studie hat ein Team von Wissenschaftlern unter Verwendung eines theoretischen Modells der Nahrungssuche von Bienen die Auswirkungen mehrerer lebensgeschichtlicher Parameter auf die Tendenz der Bienen vorhergesagt, morphologisch komplexe Blüten zu besuchen. Komplexe Blüten sind für Bienen schwerer zugänglich als einfache, locken aber mit einem höheren Belohnungsfaktor.

Zu den Besonderheiten eusozialer Bienenvölker zählen überlappende Generationen, eine reproduktive Kastendifferenzierung und die gemeinschaftliche Brutpflege durch Arbeiterinnen.
Das mathematische Modell sagt voraus, dass einige dieser Merkmale den Bienen durchaus helfen, die anfänglichen Kosten für das Erlernen eines komplexen Zugangs einer Blüte wettzumachen und sich am Ende die Gesamtnahrungsaufnahme ihrer Kolonie erhöht, - sich die Investition quasi auszahlt.

Überlappende Generationen begünstigen langlebige Völker und die Nahrungsreserven früherer Generationen ermöglichen es, Zeit aufzuwenden, um den Umgang mit komplexen Blüten zu erlernen. Dies wiederum erhöht am Ende den Gesamtnutzen für ein Bienenvolk.
In großen Völkern stehen ausreichend Sammlerinnen für die Nahrungssuche an einfachen Blüten zur Verfügung, während andere Arbeiterinnen an komplexen Blüten Erfahrungen sammeln können.
Zwischen Sozialität und Lebensdauer besteht kein Zusammenhang. 
Sowohl Solitärbienen als auch soziale Bienen sollten sich von komplexen Blumen ernähren können, wenn sie ausreichend lernfähig und langlebig genug sind.

Die Ergebnisse des Modells deuten auf einige lebensgeschichtliche Merkmale hin, die das Erlernen der Nahrungssuche bei komplexen Blumen begünstigen und mit Sozialität verbunden sind, während andere Merkmale davon unabhängig sind.
Die Eusozialität kann den Wechsel von einfachen zu komplexen Blumen erleichtern, ist aber nicht zwingend erforderlich; zu beobachten ist etwa eine höhere Blütenspezialisierung vieler Solitärbienen.
Und sowohl Solitärbienen als auch eusoziale Bienen suchen komplexe Blüten auf.

Größere Bienen mit längerer Zunge besuchen häufiger Blüten mit tieferen Kronröhren. Von Stang et al. 2009 wurde dies vor allem auf eine Größenanpassung zwischen Rüssel- und Kronenlängen zurückgeführt. Die Forscher der aktuellen Studie sehen aber eine weitere Interpretation der empirisch beobachteten Korrelation zwischen Bienengröße und Blütentiefe: Die Lernfähigkeit verbessert sich mit der Körpergröße bei allen Bienenarten wie Collado et al. 2021 feststellten. Daher können größere Bienen einen höheren langfristigen Nutzen aus ihren Besuchen komplexer Blüten ziehen.

Auf Basis des Modells kommen die Wissenschaftler zu einer neuen Hypothese für einen spezifischen evolutionären Übergang der Entstehung von Eusozialität bei Insekten; sie ergänzt die derzeit verfügbaren Erklärungen und erweitert sie.

Das Modell verbindet eine Veränderung der ökologischen Bedingungen, die Ausbreitung morphologisch komplexer Blüten mit der sozialen Entwicklung ihrer Bestäuber. Lebensgeschichtliche Merkmale, die mit dem sozialen Leben korrelieren, ermöglichen es einer Untergruppe von Bestäubern allmählich hochprofitable komplexe Blumen zu nutzen.

Literaturstelle: 

Keasar Tamar, Pourtallier Odile and Wajnberg Eric 2023. Can sociality facilitate learning of complex tasks? Lessons from bees and flowers, Phil. Trans. R. Soc. B3782021040220210402

Die Studie ist in vollem Umfang frei zugänglich (Open Access).
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