Gen macht Honigbienen zu Sozialparasiten
Zu sehen sind mehrere Kapbienen. Die schwarzen Tiere sind Pseudoköniginnen. Foto: Michael Allsopp/Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Eine kleine Veränderung im Erbgut der Kapbiene Apis mellifera capensis macht aus den sozial organisierten Tieren kämpferische Parasiten. Sie sorgt dafür, dass die eigentlich unfruchtbaren Arbeiterinnen damit beginnen, selbst Eier zu legen und andere Völker zu bekämpfen.
Honigbienen sind soziale Insekten, die in großen Völkern mit einer ausgeprägten Sozialstruktur zusammen leben. Innerhalb eines Bienenstaats sind die Rollen klar verteilt: Es gibt neben den männlichen Drohnen zahlreiche unfruchtbare weibliche Arbeiterbienen, die sich um die Nestpflege kümmern und die Königin versorgen. Letztere ist als einziges Tier für den Nachwuchs des gesamten Volks zuständig: Aus ihren unbefruchteten Eiern entwickeln sich männliche Drohnen und aus befruchteten Eiern weibliche Bienen. Neue Königinnen werden erst dann herangezogen, wenn sich das Volk teilt, die bisherige Königin gestorben ist oder sie aus Altersgründen nicht mehr in der Lage ist, für neue Nachkommen zu sorgen.
Anders ist das bei der in Südafrika beheimateten Kapbiene. Einige ihrer Arbeiterinnen sind dazu imstande, aus unbefruchteten Eizellen weibliche Nachkommen zu zeugen. Nachdem die Tiere ihr eigenes Volk großgezogen haben, beginnen die falschen Königinnen damit, fremde, aber nahverwandte Bienenvölker anzugreifen und deren Stock letztlich zu übernehmen. Erstmals wurde das Verhalten in den 1990er Jahren von Imkern beobachtet, die versucht hatten, die Kapbiene in einer Region Südafrikas anzusiedeln, in der eine andere Honigbienen-Unterart lebte.
„Das Phänomen, dass Arbeiterbienen voll entwickelte Eierstöcke haben und ihren eigenen Nachwuchs aus unbefruchteten Eiern produzieren können, kommt hin und wieder vor und wird Parthenogenese oder auch Jungfernzeugung genannt“, erklärt der Biologe Dr. Eckart Stolle von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Bei Kapbienen schlüpfen aus den unbefruchteten Eiern Weibchen – nicht wie normalerweise Drohnen. Dieses Phänomen ist als Thelytokie bekannt. „Das Syndrom ist zwar ungewöhnlich, ergibt aber evolutionär gesehen Sinn: Wenn eine Königin plötzlich stirbt, ermöglicht dieser Prozess es, das Bienenvolk zu retten“, ergänzt Denise Aumer, ebenfalls von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
Seit mehreren Jahren suchen Wissenschaftler nach den genetischen Grundlagen für die Thelytokie und den Gründen, warum nicht alle Honigbienen darüber verfügen. Die Biologen sind diesem Prozess nun während ihrer Studienarbeit auf die Schliche gekommen: Sie verglichen das Erbgut von Kapbienen, die entweder den parasitären oder den normalen Nachwuchs hervorbringen. So fanden die Wissenschaftler ein spezielles Gen, das für die Entwicklung des parasitären Nachwuchses zuständig ist. Eine winzig kleine Variation im Code dieses Gens sorgt dafür, dass die Thelytokie in Gang gesetzt wird.
Außerdem konnten die Forscher zeigen, dass dieses Merkmal dominant vererbt wird. „Eigentlich müsste das zur Folge haben, dass im Laufe der Zeit immer mehr Bienenvölker darüber verfügen. Das ist aber nicht der Fall. Offenbar ist der zugrundeliegende Mechanismus komplexer“, so Eckart Stolle weiter. Die Forscher vermuten, dass das Thelytokie-Gen nur in Kombination mit der normalen Variante funktioniert oder dass eine Dopplung der Gene sogar tödlich für die Tiere sein kann. Bisher ist die Thelytokie nur von einigen Tieren bekannt, darunter mehrere global invasive Ameisenarten.
Aumer D. et al. A single SNP turns a social honey bee (Apis mellifera) worker into a selfish parasite. Molecular Biology and Evolution (2019). doi: 10.1093/molbev/msy232/5232789