Tote Hummeln unter Linden

  • Veröffentlicht am: 30.07.2018

Gift im Nektar ist nicht der Grund für das Hummelsterben unter Linden. Foto: Niels Gründel

Jedes Jahr berichten Menschen von zahlreichen toten Hummeln unter Lindenbäumen. Giftstoffe im Nektar sind durchaus dazu imstande, Bienen und andere Bestäuber davon abzuhalten Nektar zu stehlen ohne eine Gegenleistung zu erbringen. Ist das eine mögliche Erklärung?

Nektar des Eisenhuts Aconitum enthält toxische Alkaloide. Sie halten Dunkle Erdhummeln Bombus terrestris durchaus von einem Nektardiebstahl ab, nicht aber die Gartenhummel Bombus hortorum, einem erwünschten Bestäuber. Sie verträgt höhere Konzentrationen des potenziellen Giftstoffs. In ähnlicher Weise können Toxine im Nektar von Pontischem Rhododendren Rhododendron ponticum Honigbienen abschrecken oder sogar töten, während Hummeln davon nicht betroffen sind. Man könnte auch sagen: Diese Rhododendren mögen Hummeln als Bestäuber, aber keine Honigbienen.

Lindenbäume Tilia sp., Malvaceae werden sehr unterschiedlich im Hinblick auf die Nützlichkeit für Bienen eingeschätzt. In der Antike galten Lindenbäume als reichhaltige Nahrungspflanzen für Honigbienen. Und Lindenbäume wurden in Europa angebaut, um Honigbienen seit dem Mittelalter zu unterstützen, da sie als zuverlässige Nektarquelle gelten. Im Widerspruch dazu gibt es durchaus Berichte seit dem 16. Jahrhundert, die davon ausgehen, dass Linden den Bienen schaden, da unter blühenden Linden immer wieder ein Massensterben der Bestäuber zu beobachten war. Insbesondere die Silberlinde Tilia tomentosa Moench wird mit dem Bienensterben in Verbindung gebracht. Zahlreiche Berichte unterstellen einen toxischem Nektar.

Die Silberlinde stammt aus Südosteuropa, ist aber weit außerhalb ihrer heimischen Verbreitung in Europa und Nordamerika gepflanzt worden. Linden gehören aktuell zu den häufigsten städtischen Bäumen in ganz Europa und Nordamerika und besitzen damit durchaus das Potenzial, städtische Bestäuber zu beeinflussen. Angesichts der Bedeutung städtischer Lebensräume für Bestäuber ist es durchaus angebracht, zu überprüfen, inwieweit Linden schädlich für Bestäuber sind und was die Ursachen dafür sind.

Hummeln sind am stärksten betroffen und machen über 75 % der toten Bienen unter Linden aus, wobei Hummelarten mit kurzer Zunge wie die Dunkle Erdhummel dominieren. Honigbienensind dagegen weit weniger betroffen, obwohl sie sich reichlich an den Nektarressourcen bedienen.

Kein vergifteter Linden-Nektar

Jüngste Forschungen deuten jedoch darauf hin, dass es im Nektar nichts gibt, was die Bienen vergiftet. In Einzelfällen kann zwar eine Neonicotinoid-Behandlung gegen Blattläuse einige der massiven Todesfälle erklären, doch der Grund für das massenhafte Sterben insgesamt muss ein gänzlich anderer sein.

In einige Studien wurde nachgewiesen, dass Lindenblüten-Nektar Koffein in relativ hoher Dosis enthält. Für eine Vergiftung der Bienen sind die Konzentrationen jedoch nicht ausreichend. Aber in zwei früheren Studien wurde gezeigt, dass Koffein das Gedächtnis von Bienen für florale Merkmale wie Gerüche, die mit Nahrung assoziiert sind, beeinflussen kann. Bienen können auf diese Weise dahingehend von den Pflanzen ausgetrickst werden, dass sie koffeinhaltige Nahrungsquelle überbewerten, auch dann, wenn andere Blüten eigentlich die bessere Wahl darstellen.

Es ist daher denkbar, dass der süße Duft der Linden in Zusammenhang mit dem Koffein im Nektar zu einer fatalen Anziehung für die Bienen führt, bis ihnen die Energie ausgeht und sie schließlich verhungern. Die Wissenschaftler des Royal Botanic Gardens in Kew wollen dem Phänomen daher auch weiter auf den Grund gehen.

Bäume in der Stadt sind für uns Menschen mit Vorteilen verbunden. Sie übernehmen etwa das Filtern verschmutzter Luft und einige Bäume stellen darüber hinaus Bestäubern reichlich Nektar und Pollen bereit. Doch im Hinblick auf den Erhalt einer gesunden und reichhaltigen Bestäuberpopulation, müssen wir die positiven und negativen Auswirkungen der verschiedenen, oft nicht einheimischen Bäume besser verstehen, die wir in unseren Städten pflanzen.
Die Wissenschaftler empfehlen im Spätsommer für ausreichende alternative Nahrungsquellen in Städten zu sorgen, um das Bienensterben an Silberlinden zu reduzieren.

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DOI: 10.1098/rsbl.2017.0484

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