Imidacloprid schädigt kleine Völker besonders

  • Veröffentlicht am: 25.09.2017

Beispiele von Brutmustern von Kolonien, die chronisch Imidacloprid (0, 10, 20, 50 und 100 ppb) ausgesetzt waren. Im Ergebnis zeigen sich signifikant schlechteres Brutmuster (mehr leere Zellen), insbesondere bei höheren Behandlungen, verglichen mit unbehandelten Kolonien. Quelle: Judy Wu-Smart und Marla Spivak, CC BY 4.0

Honigbienen können durch viele verschiedene Faktoren in ihrer Gesundheit beeinträchtigt werden. Einer der Faktoren sind die in der konventionellen Landwirtschaft allgegenwärtig zum Einsatz gelangenden systemischen Neonicotinoide. Die direkte Aufnahme der Insektizide durch den Verzehr von kontaminiertem Nektar und Pollen aus behandelten Pflanzen oder auch Guttationswasser kann die Sammelleistung, das Lernverhalten und das Gedächtnis der Arbeiterinnen beeinträchtigen, was in zahlreichen Studien bereits nachgewiesen wurde. Weniger gut untersucht sind bisher die potentiellen Auswirkungen von Neonicotinoiden auf Königinnen.

Wissenschaftler in den Vereinigten Staaten haben in einer Studie die Auswirkungen auf die Königinnen-Produktivität bewertet und dazu Völker verschiedener Größen (1.500, 3.000 und 7.000 Bienen) drei Wochen lang mit Imidacloprid (0, 10, 20, 50 und 100 ppb) über Futtersirup gefüttert.
Imidacloprid deckt 41,5 % des gesamten Neonicotinoid-Marktes ab und ist das weltweit meist verkaufte Insektizid, wodurch Bienen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit davon belastet werden.

Die in den Untersuchungen gewählten Konzentrationen von Imidacloprid entsprechen unterschiedlichen Dosen, auf die Bienen in der Natur treffen können. Die niedrigeren Dosen, 10 und 20 ppb, entsprechen in etwa den Rückständen, die charakteristischerweise im Nektar und Pollen landwirtschaftlicher Kulturen anzutreffen sind, die durch Boden- und Blattsprühanwendungen nach Herstelleranweisung behandelt werden. Für einige Nutzpflanzen – etwa Getreide oder Kürbisse – sind jedoch höhere Rückstandsniveaus (60 - 80 ppb im Pollen) bekannt, wenn Neonicotinoide beispielsweise durch Tropfbewässerung appliziert werden. Die höheren Dosen, 50 und 100 ppb, stellen Rückstände dar, die sich typischerweise in städtischen Pflanzungen antreffen lassen, etwa Rhododendron oder Kornelkirsche (Rhododendron spp., Cornus mas), die durch Boden- oder Stamminjektionen behandelt werden.
Insofern stellen die untersuchten Konzentrationen umweltrelevante Expositionsraten für Bienen dar, die sowohl in ländlichen als auch in städtischen Gebieten zu Sammelflügen aufbrechen.

Im Ergebnis fanden die Forscher in allen behandelten Kolonien nachteilige Effekte durch Imidacloprid auf die Königinnen (Eiablage und Bewegungsaktivität), Arbeiterinnen (Sammelleistung und hygienische Aktivitäten) und die Kolonieentwicklung insgesamt (Brutentwicklung und Polleneinlagerung). Einige Effekte waren weniger offensichtlich, da die Koloniegröße zunahm, was nahelegt, dass größere Völker einen Puffer für Pestizidbelastungen bilden können.

Die Ergebnisse verdeutlichen die Komplexität der Quantifizierung von Expositionseffekten auf die hoch sozialen Honigbienen und stehen im Einklang mit früheren Studien, was nahelegt, dass Honigbienen bei der Entgiftung von Neonicotinoiden im Vergleich zu anderen Bienenarten insgesamt besser und weniger anfällig sind. Dennoch zeigen die Ergebnisse, dass insbesondere kleine Völker einen weniger großen Puffer gegenüber agrochemischen Belastungen besitzen und damit einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind.

In der Natur sind Königinnen Umweltgiften nur indirekt über Trophallaxis – der Weitergabe von Nahrung von Tier zu Tier - ausgesetzt, wenn sie von den Ammenbienen gefüttert werden. Trophallaxis bei sozialen Insekten dämpft die Toxizität tödlicher Gifte, da sie durch andere unbelastete Nahrungsmittel oder Körperflüssigkeiten verdünnt werden.

Diese Studie zeigt, wie Neonicotinoide die kurzzeitige Volksfunktionalität beeinträchtigen können. Die Daten deuten darauf hin, dass Maßnahmen zur Risikominderung auf eine Verringerung der Neonicotinoid-Exposition im zeitigen Frühjahr konzentriert werden sollten, wenn die Völker noch besonders klein und die Königinnen besonders anfällig für entsprechende Belastungen sind.

Literaturstelle: 

Wu-Smart, J. and Spivak, M. Sub-lethal effects of dietary neonicotinoid insecticide exposure on honey bee queen fecundity and colony development. Sci. Rep. 6, 32108; doi: 10.1038/srep32108 (2016).

Die Studie ist in vollem Umfang frei zugänglich (Open Access).
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