Neuer Bakterienstamm bei Honigbienen entdeckt

  • Veröffentlicht am: 06.02.2017

Honigbienen sind anfällig für verschiedene Krankheitserreger. Sind die Völker nicht gesund, so überleben sie meist den Winter nicht. Im Rahmen einer Studie wurden die Bienen in den Fokus genommen, die sich im Winter von der Wintertraube lösen. Sie wurden auf das Bakterium Serratia marcescens im Blut der Bienen, der Hämolymphe, untersucht, das in bis zu 90 % der von der Traube abgewandten Arbeiterinnen gefunden werden konnte.

Im Vergleich zu Untersuchungen über das gesamte Jahr hinweg, konnte dasselbe Bakterium nur sehr selten in den Bienen gefunden werden, dagegen aber in rund der Hälfte der Varroa-Milben, die aus Völkern entnommen wurden, die mit Krankheitserregern belastete Honigbienen beherbergten.
Die Untersuchung der Hämolymphe mittels Durchflusscytometrie bei mit Keimen behafteten Honigbienen zeigte eine signifikante Reduktion von Plasmatozyten und anderen Arten von Hämocyten (Blutzellen).
Die Wissenschaftler konnten bei ihren weiteren Untersuchungen feststellen, dass das Bakterium bisher nicht als Erreger ausgewachsener Honigbienen eingestuft wurde. Die vollständige Analyse des Bakteriums unterstützt jedoch seine Klassifizierung als einen neuen Stamm von Serratia marcescens, der als S. marcescens-Stamm sicaria (Ss1) bezeichnet wird.

Im Vergleich zu anderen Stämmen von S. marcescens zeigt Ss1 mehrere phänotypische und genetische Unterschiede, darunter 65 Gene, die vorher nicht in anderen Serratia-Genomen gefunden wurden. Einige der Gene in Ss1 sind mit denen von bakteriellen Insekten-Pathogenen und Kommensalen – Bakterien, die in friedlicher Koexistenz mit ihrem Wirt leben – verwandt. Das Auftreten von Ss1 kann daher zum Zusammenbruch von Honigbienen-Völkern beitragen.

Auswirkungen auf die Gesundheit von Honigbienen gibt es viele. Zum Niedergang des Immunsystems führen multifaktorielle Einflüsse wie eine Exposition gegenüber Insektiziden und ein großes Spektrum mikrobieller Pathogene mit etwa 20 verschiedenen RNA-Viren, vier Bakterien, drei Pilzen und mehrere Protozoen-Parasiten.
Varroa-Milben parasitieren Honigbienen und dienen als Vektor für die Übertragung mehrerer Viren. Viele aktuelle Strategien zur Gesunderhaltung von Bienen-Völkern zielen daher darauf ab, Varroa destructor in den Griff zu bekommen. Weltweit betrachtet geht der Erfolg dabei zurück, da die Milben gegen die in vielen Ländern zur Behandlung gestatteten Akarizide Resistenzen gebildet haben.

Bakterielle Krankheiten – amerikanische und europäische Faulbrut – von Honigbienen sind ein weiteres Feld, bei dem weltweit betrachtet häufig Antibiotika eingesetzt werden.
Von Serratia marcescens wurde in einem Fall berichtet, Brutkrankheiten bei Honigbienen zu verursachen, weitere bakterielle Erkrankungen erwachsener Honigbienen werden durch Bacillus pulvifaciens und Spiroplasma melliferum ausgelöst, die in der Regel im Frühjahr während ausgedehnter Perioden von kühlem und nassem Wetter auftritt.

Die bakterielle Infektion mit Ss1 wurde bei lebenden Arbeiterinnen und Drohnen nachgewiesen, die sich abseits und unbeweglich von aktiven Bienen im Stock aufhielten. Das Bakterium konnte auch in 24 von 33 im Winter eingegangenen Bienenvölkern nachgewiesen werden. Ebenso wurde es in einer Lieferung Paketbienen und aufsitzender Varroa-Milben nachgewiesen - Bienen, die von außerhalb des Untersuchungsgebietes der Studie stammten.

Insgesamt wurden 3.219 Honigbienen und 1.259 Varroa-Milben für Analysen zwischen Dezember 2014 und September 2016 von 91 Bienenstöcken im westlichen zentralen Wisconsin und im östlichen Minnesota der USA gesammelt.

Trotz der offensichtlichen Infektion durch Ss1 konnte nicht beobachtet werden, dass infizierte Bienen durch andere Arbeiterinnen im Volk quasi gewaltsam aus dem Stock gedrängt wurden.
Die Ss1-Konzentrationen bei Drohnen war deutlich höher als bei Arbeiterinnen. Zusätzliche Gene von Ss1 können das Bakterium dazu befähigen, zwischen der Honigbiene und V. destructor als Zwischenwirte zu wechseln.

Beobachtungen legen zudem nahe, dass Ss1 für die Milben selbst nicht gefährlich ist, das Bakterium aber von Biene zu Biene übertragen wird. Die Wissenschaftler nehmen an, dass das Bakterium während der Fütterung zwischen den Bienen übertragen wird.
Vieles deutet darauf hin, dass eine Infektion der Honigbienen-Hämolymphe durch Ss1 einen Teil der Wirtsabwehrmechanismen unterdrückt. Dies kann die Fähigkeit von infizierten Bienen beeinträchtigen, die Ausdehnung des Bakteriums in der Hämolymphe zu begrenzen.

Die Wissenschaftler folgern aufgrund ihrer Beobachtungen zudem, dass die Anzahl der mit Ss1 infizierten Bienen innerhalb einer Kolonie von mehreren Variablen abhängt. Die ermittelten Daten deuten auf die Möglichkeit hin, dass Ss1 zwischen Honigbienen durch Varroa-Milben übertragen wird. Daher ist anzunehmen, dass saisonale Veränderungen der Bienenaktivität und die Häufigkeit von V. destructor im Bienenstock im Verhältnis zur Gesamtzahl der Honigbienen ausschlaggebend sind. Darüber hinaus sind Faktoren wie etwa die Aktivität der Königin, der Ernährungszustand und die genetische Abstammung der Honigbienen denkbar.

Die Übertragungsrate von Ss1 innerhalb eines Bienenstocks kann besonders hoch sein, wenn die Zahl der Milben vor dem Einsetzen des Winters Höchstwerte erreicht. Ein erhöhter Bienenverlust aufgrund von Ss1 im Herbst könnte daher die kritische Anzahl der Bienen im Volk erreichen, die zur Aufrechterhaltung der Thermoregulation im Bienenvolk erforderlich ist und die Anzahl der notwendigen Honigbienen, die im Frühjahr zur Brutaufzucht benötigt wird.

Der Nachweis von Ss1 ging mit mehreren Symptomen unterschiedlicher Bienenkrankheiten einher, etwa Infektionen bei Arbeiterinnen und Drohnen und einer verminderten Zahl zirkulierender Hämocyten bei infizierten Arbeiterinnen. Allerdings haben Völker, bei denen Ss1 nachgewiesen wurde, durchaus auch länger als ein Jahr durchgehalten. Die Krankheit trat nicht auf, sondern wurde im Volk verdeckt.

Im Rahmen ihrer Studie versuchten die Forscher, einen Nachweis für das pathogene Potential von Ss1 in lebenden Honigbienen zu erhalten. Trotz der vermuteten Verbindung von Ss1 mit Krankheit, Tod und Wintersterblichkeit bei Honigbienen liefert die Studie keinen kausalen Beweis für Ss1 beim Tod von Völkern.

Die Studie führt den Nachweis über die Isolierung und Beschreibung des neuen Ss1-Bakteriums aus der Hämolymphe erkrankter Honigbienen, die Anzeichen für eine verminderte zelluläre Immunität zeigen. Ss1 wurde zudem aus einer Untergruppe von V. destructor isoliert, die bei septischen Bienen gefunden wurden. Wie genau die Übertragung von Ss1 im Bienenvolk vonstattengeht und welche Auswirkungen davon ausgehen, dem müsste jedoch in weiteren Studien nachgegangen werden.

Literaturstelle: 

Burritt NL, Foss NJ, Neeno-Eckwall EC, Church JO, Hilger AM, Hildebrand JA, et al. (2016) Sepsis and Hemocyte Loss in Honey Bees (Apis mellifera) Infected with Serratia marcescens Strain Sicaria. PLoS ONE 11(12): e0167752. doi:10.1371/journal.pone.0167752

Die Studie ist in vollem Umfang frei zugänglich (Open Access).
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