Neuer Glyphosat-Report zeigt schwere Regelverletzung bei Krebsbewertung durch ECHA

  • Veröffentlicht am: 14.07.2017

Glyphosat und Krebs: Systematischer Regelbruch durch die Behörden. Die Tricks von Monsanto und der Beitrag der Behörden, um Glyphosat vor einem Verbot zu retten. Quelle: Global 2000

Rechtsbruch bei der Glyphosatbewertung? Eine Woche bevor die Mitgliedsstaaten am 19. Juli in Brüssel den Vorschlag der EU-Kommission über die Erneuerung der Glyphosat-Zulassung behandeln, hat die österreichische Umweltschutzorganisation Global 2000 einen neuen Report herausgegeben. Der vom deutschen Toxikologen Peter Clausing verfasste Report in englischer Sprache ist mit Kurzfassungen in sieben Sprachen verfügbar und in zahlreichen europäischen Ländern mithilfe von Partnerorganisationen erschienen.

Der Report besteht aus einer umfassenden Analyse der Glyphosat-Bewertung durch die Europäische Chemikalienagentur ECHA und andere EU-Behörden. Er belegt wie die Behörde OECD- und ECHA-interne Regeln verletzte, um Beweise für die Karzinogenität von Glyphosat aus den Herstellerstudien zu verwerfen, und zu dem Schluss zu gelangen, dass de Chemikalie nicht krebserregend sei.

Seit November 2015 ist bekannt, dass (mindestens) sieben von zwölf Langzeitstudien mit Glyphosat bei Ratten und Mäusen statistisch signifikante Krebsbefunde aufweisen. In der vorliegenden Analyse prüfte der Studienautor Dr. Peter Clausing die statistisch signifikanten Befunde auch auf ihre „biologische Relevanz“. Der Toxikologe Clausing untersuchte also, ob außer der Signifikanz der Tumorhäufigkeit noch weitere Faktoren dafür sprechen, dass die beobachteten Effekte durch Glyphosat verursacht wurden. Der vorliegende Report „Glyphosat & Krebs: systematischer Regelbruch durch Behörden“ zeigt auf, dass sieben von zehn anwendbaren Kriterien für biologische Relevanz die statistisch signifikanten Befunde unterstützen. Dazu zählen unter anderem die Reproduzierbarkeit des Effekts in mehreren Studien, die Dosisabhängigkeit des Effekts und eine Bestätigung durch so genannte historische Kontrolldaten.

„Doch die Behörden verdrehten und missinterpretierten diese in OECD- und ECHA-Leitlinien beschriebenen Kriterien für biologische Relevanz“, erklärt der Toxikologe Clausing: „Sie machten das scheinbar mit System und gingen sogar soweit, fiktive Kriterien zu erfinden.“

So wurde von den Regulierungsbehörden die Existenz einer „1.000 Milligramm-Limit Dose“ für Krebsstudien mit Mäusen und Ratten behauptet, deren angebliche Überschreitung die Aussagekraft der Krebsbefunde infrage stellen würde. Tatsächlich gibt es diese behauptete „Limit Dose“ für Krebsstudien schlichtweg nicht. Hinzu kommt eine willkürliche Studienauswahl, die eine Schwächung der massiven Beweislast für Lymphdrüsenkrebs bei Mäusen zur Folge hatte: So schlossen die Behörden eine für die Auswertung von Lymphdrüsenkrebs unbrauchbare Studie trotz ihrer offenkundigen schweren Mängel in ihre Bewertung mit ein. Gleichzeitig schlossen die Behörden eine zentrale Studie, die den Lymphdrüsenkrebs-Befund klar unterstützt, von ihrer Bewertung aus. Als Begründung für den Ausschluss wurde eine angebliche Virusinfektion der Labormäuse geltend gemacht, welche den Tumorbefund beeinflusst haben könnte. Doch wie die Nachforschungen bei der Erstellung des Reports ergeben haben, ist das einzige vorweisbare Indiz für das Vorliegen dieser behaupteten Virusinfektion der Hinweis eines ehemaligen hohen EPA-Mitarbeiters während einer Telefonkonferenz mit der EFSA im September 2015. Dieser – inzwischen ehemalige - EPA-Mitarbeiter wird in einem laufenden US-Gerichtsverfahren der Konspiration mit Monsanto verdächtigt.

„Regeln und Vorschriften sind dazu da, um eingehalten zu werden. Das erwarten Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union auch von den Europäischen Behörden und im Speziellen auch bei der Zulassung von Pestiziden“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Josef Unterweger. „Krebs ist die häufigste Todesursache unter den dreißig- bis siebzigjährigen Österreicherinnen und Österreicher“, ergänzt Helmut Burtscher, Biochemiker bei Global 2000: „Die Massivität, mit der EU-Regulierungsbehörden Gesetze zum Schutz vor krebserregenden Chemikalien verletzen, ist der beste Garant dafür, dass sich an dieser traurigen Bilanz auch in Zukunft nichts ändern wird. Es sei denn, die Politik schiebt dem einen Riegel vor.“

Die Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten, die am 19. Juli über Glyphosat beraten, dürfen dem fehlerhaften Urteil der Behörden nicht folgen. Sie müssen das in der EU geltende Vorsorgeprinzip anwenden und ein Verbot von Glyphosat durchsetzen, fordert Global 2000. Die Gesundheit von 500 Millionen EU-Bürgern steht auf dem Spiel.

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