Gelée royale heftet Königinnen in der Weiselzelle an
Weiselzelle im Honigbienenvolk. Darin reichlich Gelée royale - auch als Klebstoff. Foto: Niels Gründel
Ein besonderes Proteingemisch im Futtersaft von Bienen hilft dabei, das Überleben der Königinnenlarven zu sichern. Das hat aber weniger mit der Ernährung der Tiere zu tun als mit Statik. Durch ihre speziellen Eigenschaften verhindern die Proteine, dass die großen und schweren Larven aus ihren Zellen fallen. Wie dies auf molekularer Ebene bewerkstelligt wird, haben Forscher nun herausgefunden.
Bienenköniginnen haben während ihrer Entwicklung ein Problem: Da sie besonders groß werden, können die Larven nicht in den normalen Arbeiterinnenzellen einer Wabe großgezogen werden. „Für den royalen Nachwuchs bauen die Bienen spezielle Königinnenzellen, die am unteren Ende einer Wabe angebracht sind. Die Larven entwickeln sich in diesen Zellen gewissermaßen an der Decke hängend und müssen irgendwie davon abgehalten werden, aus der Zelle zu fallen“, sagt die Biologin Dr. Anja Buttstedt, von der Technischen Universität Dresden.
Honigbienen füttern Königinnenlarven ausschließlich mit dem Sekret ihrer Futtersaftdrüsen, dem Gelée royale. Dieses enthält alle Nährstoffe, die die Larven brauchen, um sich zu stattlichen Königinnen zu entwickeln. „Lange haben Wissenschaftler nach einem bestimmten Stoff im Gelée royale gesucht, der dafür sorgt, dass aus den Larven keine Arbeiterinnen, sondern Königinnen werden. Dabei sind im letzten Jahrzehnt auch die darin enthaltenen Proteine in den Fokus geraten“, so Biologieprofessor Robin Moritz von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. So sorgte der japanische Wissenschaftler Masaki Kamakura 2011 mit einer Studie für Aufsehen, in der er angeblich ein Protein entdeckte, das nach dem Verzehr alle Larven zu Königinnen heranwachsen lies: das Protein MRJP1, auch bekannt als Royalactin. Diese Studie konnte das Forscherteam aus Halle 2016 widerlegen. „Da aber MRJP1 mengenmäßig das Hauptprotein im Gelée Royale darstellt, konnten wir uns nicht vorstellen, dass das Protein keine besondere Funktion hat“, so Robin Moritz weiter.
Bereits in früheren Studien war den Wissenschaftlern eher zufällig aufgefallen, dass Gelée royale ohne dieses Protein deutlich flüssiger wird. Die Gruppe aus Halle untersuchte deshalb die Struktur von MRJP1 und fand heraus: Bei einem leicht sauren pH-Wert von 4.0 bildet es in Kombination mit dem Protein Apisimin eine faserartige Struktur aus, die aufgereihten Perlen auf einer Schnur ähnelt. Da auch das Gelée royale für gewöhnlich den gleichen leicht sauren pH-Wert hat, gingen die Forscher der Frage nach, welche Funktion diese faserartige Struktur haben könnte. In Zusammenarbeit mit Biotechnologen und Pharmazeuten der MLU sowie dem Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS konnten die Biologen zeigen: Nur bei einem pH-Wert von 4.0 ist das Gelée royale hinreichend zähflüssig, um zu verhindern, dass die Königinnen-Larven aus ihren Zellen fallen. „Als wir den pH-Wert künstlich erhöhten, wurde nicht nur das Larvenfutter deutlich flüssiger. Auch die Larven fielen aus ihren Zellen heraus und konnten sich nicht vollständig entwickeln“, so Anja Buttstedt. Dies würde zur Folge haben, dass das ganze Bienenvolk zu Grunde geht, da die Königin als einzige Biene für den Nachwuchs des Volks zuständig ist.
Die Forschergruppe konnte weiterhin zeigen, dass allein die beiden Proteine MRJP1 und Apisimin für die praktische Konsistenz des Gelée royale zuständig sind. Auch eine bereinigte Mischung, die nur noch aus den beiden Eiweißen bestand, veränderte ihre Zähflüssigkeit in Abhängigkeit des pH-Wertes. „Somit ist die Rolle des MRJP1 im Gelée royale auf keinen Fall unspektakulär. Das Protein sichert schlicht und einfach das Überleben eines Bienenvolks – wenn auch auf ganz andere Weise als zunächst vermutet“, fasst Anja Buttstedt das Ergebnis der Studie zusammen.
A. Buttstedt, C.I. Muresan, H. Lilie, G. Hause, C.H. Ihling, S.-H. Schulze, M. Pietzsch & R. Moritz. How honey bees defy gravity with royal jelly to raise queens. Current Biology DOI: 10.1016/j.cub.2018.02.022