Honigbienen fliegen auf Fungizide

  • Veröffentlicht am: 10.04.2019

May Berenbaum, links, und Ling-Hsiu Liao fanden heraus, dass Honigbienen eine leichte Präferenz für Nahrung zeigen, die das Fungizid Chlorthalonil in bestimmten Konzentrationen aufweist. Foto: L. Brian Stauffer/University of Illinois Urbana-Champaign

Arbeiterinnen der Honigbiene – so das rätselhaft anmutende Ergebnis einer Studie aus den USA – bevorzugen Zuckersirup mit dem Fungizid Chlorthalonil statt der gesünderen Variante ohne Belastung mit dem landwirtschaftlichen Giftstoff.

Andererseits schließt der Befund an eine Studie an, die Parallelen zwischen der Verwendung von Chlorothalonil und der Anwesenheit des Pilzparasiten Nosema fand (Wu, J. Y., Smart, M. D., Anelli, C. M. & Sheppard, W. S. Honey bees (Apis mellifera) reared in brood combs containing high levels of pesticide residues exhibit increased susceptibility to Nosema (Microsporidia) infection. J. Invertebr. Pathol. 109, 326–329, https://doi.org/10.1016/j.jip.2012.01.005 (2012).).

Ein vermehrter Chlorothalonil-Einsatz wurde auch mit den Verbreitungsverlusten der Gemeinen östlichen Hummel Bombus impatiens in Verbindung gebracht (Bernauer, O. M., Gaines-Day, H. R. & Steffan, S. A. Colonies of bumble bees (Bombus impatiens) produce fewer workers, less bee biomass, and have smaller mother queens following fungicide exposure. Insects 6, 478–488, https://doi.org/10.3390/insects6020478 (2015).).

Andere Forschungen haben gezeigt, dass die Europäische Honigbiene nur über ein sehr begrenztes Repertoire an entgiftenden Enzymen verfügt und dass die Exposition gegenüber einer potenziell toxischen Verbindung – einschließlich Fungiziden – ihre Fähigkeit beeinträchtigen kann, andere abzubauen.

„Viele gehen davon aus, dass Fungizide nur gegen Pilze wirken“, so May Berenbaum von der Universität Illinois. „Pilze sind jedoch viel enger mit Tieren verwandt als mit Pflanzen. Und Gifte, die physiologische Prozesse in Pilzen stören, können auch Tiere, einschließlich Insekten, potenziell beeinflussen.“

Einige Wissenschaftler argumentieren, dass Bienen möglicherweise weniger anfällig für landwirtschaftliche Chemikalien seien, als dies viele Laborstudien nahelegen, weil die Bienen potentiell toxische Chemikalien in der Umwelt aufspüren und aktiv vermeiden könnten. Dem gegenüber steht etwa eine Studie aus dem Jahr 2015: Ihre Autoren fanden heraus, dass Europäische Honigbienen und Dunkle Erdhummeln Bombus terrestris Nahrung bevorzugten, die mit Neonicotinoiden versetzt ist (Kessler, S. C. et al. Bees prefer foods containing neonicotinoid pesticides. Nature 521, 74–76, https://doi.org/10.1038/nature14414)

Um nun zu testen, ob die Arbeiterinnen der Honigbiene eine Vorliebe für andere Chemikalien zeigen, denen sie in heutiger freier Wildbahn begegnen können, richteten die Forscher dieser Studie zwei Futterstationen in einem großen Freifluggehege ein. Die Bienen konnten sich darin frei von einer Futterstelle zur nächsten bewegen und damit selbst entscheiden, welche Nahrung sie zu sich nahmen: Entweder Zuckersirup, der mit einer Chemikalie versetzt worden war, die getestet werden sollte oder mit dem Kontrollsirup. Im Verlauf der Studie testeten die Wissenschaftler die Reaktionen der Honigbienen auf neun natürlich vorkommende Chemikalien, drei Fungizide und zwei Herbizide in verschiedenen Konzentrationen.

Die Versuche zeigten, dass Honigbienen die natürlich vorkommende Chemikalie Quercetin stets bevorzugten. „Das ergibt Sinn, weil alles, was die Honigbienen zu sich nehmen, Quercetin enthält“, so May Berenbaum. „Es befindet sich Quercetin in Nektar, es gibt Quercetin in Pollen. Quercetin ist in Honig und Bienenbrot, und es ist ein verlässlicher Hinweis, den Bienen nutzen, um Nahrung zu erkennen.“

Zur Überraschung der Forscher bevorzugten die Bienen auch Zuckersirup, der mit Glyphosat bei 10 ppb gesättigt war, jedoch nicht bei höheren Konzentrationen. Und während die Bienen Sirup mit dem Fungizid Prochloraz vermieden, zeigten sie eine Zuneigung für Zuckersirup, der mit Chlorothalonil versetzt war mit 0,5 und 50 Teilen pro Milliarde, aber nicht mehr bei 500 ppb.

„Die Bienen vermeiden dieses Fungizid nicht nur nicht, sie nehmen bei bestimmten Konzentrationen sogar mehr davon auf“, erklärt May Berenbaum.

Honigbienen-Völker sind vor allem mit Fungiziden belastet und es ist wahrscheinlich, dass die Bienen diese Pestizide selbst durch ihre Sammelaktivitäten in die Kolonien eintragen. Die Präferenzen der Honigbienen für einige potentiell toxische Chemikalien könnten – wenngleich es verwirrend anmutet – das Ergebnis ihrer Entwicklungsgeschichte sein.

„Die Sammlerinnen der Honigbienen sind Spurenleser“, so May Berenbaum. „Sie sind vom zeitigen Frühling bis zum späten Herbst aktiv und es gibt für diese lange Saison nicht nur eine Trachtquelle. Wenn sie nicht die Fähigkeiten besäßen, ständig neue Quellen zu erschließen, könnte das ihren Erfolg ernsthaft gefährden. Unnatürliche Chemikalien könnten daher ein Signal für eine neue Nahrungsquelle sein.“

Die neuen Ergebnisse sind besorgniserregend angesichts von Forschungsergebnisse, die zeigen, dass die Exposition gegenüber Fungiziden auch die Fähigkeit der Honigbienen beeinträchtigt, von Imkern gegen die Varroa-Milbe eingesetzte Akarizide zu verstoffwechseln. „Die Dosis bestimmt das Gift“, so May Berenbaum. „Wenn die Fähigkeit, Gifte zu verstoffwechseln, beeinträchtigt ist, kann eine therapeutische Dosis zu einer toxischen Dosis werden. Und das scheint gegeben, wenn Honigbienen auf mehrere Pestizide stoßen.“

Literaturstelle: 

Ling-Hsiu Liao, Wen-Yen Wu, May R. Berenbaum. Behavioral responses of honey bees (Apis mellifera) to natural and synthetic xenobiotics in food. Scientific Reports, 2017; 7 (1) DOI: 10.1038/s41598-017-15066-5

Die Studie ist in vollem Umfang frei zugänglich (Open Access).
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