Honigbienen unter Strom

  • Veröffentlicht am: 23.12.2019

Überlandleitungen führen zu Verhaltensänderungen bei Honigbienen. Foto: Michael Schwarzenberger/Pixabay, CC0

In einer Studie wurden Honigbienen Apis mellifera extrem niederfrequenten elektromagnetischen Feldern (ELF EMF) als abiotischem Umweltfaktor ausgesetzt. In der Umwelt können die Felder insbesondere von Überland-Stromleitungen ausgehen.

Extrem niederfrequente elektromagnetische Felder sind eine spezielle Art nicht ionisierender elektromagnetischer Strahlung im Frequenzbereich von 3 bis 300 Hz. Die Belastung der Umwelt damit hat im letzten Jahrhundert erheblich zugenommen.
Die Exposition gegenüber ELF-EMF wurde in Vorläufer-Studien mit einer Reihe verschiedener Auswirkungen auf Insekten in Verbindung gebracht, darunter Veränderungen in der Entwicklungsbiologie von Dimitrijević et al. 2014 und Zmejkoski et al. 2017, dem Bewegungsverhalten von Wyszkowska et al. 2016 und Maliszewska et al. 2018, der Molekularbiologie von Todorović et al. 2012 und Li et al. 2013 und der Immunantwort von Valadez-Lira et al. 2017.

Einige Studien wie die von Rogers et al. 1982 und Wellenstein 1973 deuten darauf hin, dass die Exposition von Honigbienen gegenüber ELF-EMF aus Stromleitungen stressig sein kann.
Greenberg et al. 1981 stellten fest, dass Bienenstöcke unter Stromleitungen eine erhöhte motorische Aktivität, eine abnormale Produktion von Propolis, eine verringerte Gewichtszunahme, einen Verlust an Königinnen, eine beeinträchtigte Produktion von Königinzellen, eine verringerte Brut und ein schlechteres Überleben im Winter aufwiesen. Insgesamt führte dies 1989 zu einer Warnung der US-Bundesbehörden, Bienenvölker nicht unter Stromleitungen aufzustellen.

In Bodennähe kann die ELF-EMF-Intensität unter Hochspannungsleitungen 100 μT erreichen, während fliegende Insekten in der Nähe von Stromleitern ELF-EMF-Werten über 1.000 μT ausgesetzt werden können wie Shepherd et al. 2018 zeigten.
Die Wissenschaftler haben untersucht, wie sich feldrealistische Werte elektromagnetischer Felder auf den Lernprozess und das Verhalten im Hinblick auf Aggressionen auswirken. Beides ist notwendig, um die Stärke eines Bienenvolkes zu gewährleisten.
Im Versuchsumfeld wurden Bienen 17 Stunden lang 100 μT oder 1000 μT ELF-EMF ausgesetzt, alternativ erhielt eine Vergleichsgruppe keinerlei Belastung.
Ein SER-Test (Sting Extension Response) wurde durchgeführt, um die Auswirkungen der elektromagnetischen Felder auf das aversive Lernen zu bestimmen; zusätzlich wurde ein Test mit Eindringlingen durchgeführt, um eine Veränderung des Aggressionsniveaus bestimmen zu können.

Die Exposition mit 100 μT und 1000 μT ELF-EMF verringerte die aversive Lernleistung um mehr als 20 %. Die Exposition gegenüber 100 μT ELF-EMF erhöhte auch die Aggressionswerte um 60 % als Reaktion auf Eindringlinge von Bienen aus fremden Bienenstöcken.

Die Mechanismen, die dem veränderten Verhalten der Honigbienen zugrunde liegen, können vielfältig sein. Dopamin wird eine Schlüsselrolle bei der Gedächtnisbildung beim aversiven Lernen von Honigbienen zugeschrieben.
Die ökologischen Auswirkungen dieser Effekte sind vielfältig: Rittschof et al. 2015 stellten beispielsweise fest, dass ein erhöhtes Maß an Aggression bei Honigbienen mit einer höheren Widerstandsfähigkeit gegenüber Umweltbelastungen und besseren Immunreaktionen verbunden ist. Häufigeres Stechen, führt aber auch zum Tod von Honigbienen, während eine weniger aggressive Reaktionen auf negative Reize wie aggressives Summen ebenso eine erfolgreiche Methode sein kann, Bedrohungen abzuwehren.

Eine herabgesetzte Lernfähigkeit führt aber zu Problemen, Bedrohungen in der Umwelt sicher zu erkennen. Eine Lernminderung dürfte sicher daher noch sehr viel deutlicher – nachteilig – auf die Überlebensfähigkeit von Individuen und Völkern auswirken.

Die Studie zeigt zum ersten Mal direkt, dass eine kurzzeitige ELF-EMF-Exposition in Bodennähe – etwa unter Hochspannungsleitungen – zu Veränderungen bei Honigbienen führen können: Das aversive Lernen wird verringert und das Aggressionsniveau erhöht sich. Diese Verhaltensänderungen könnten größere ökologische Auswirkungen auf die Fähigkeit der Bienen haben, mit Bedrohungen und negativen Umweltreizen umzugehen und angemessen darauf zu reagieren.

Wildbienen und weitere Bestäuber, die Flächen unter Stromleitungen als Rückzugsorte aufsuchen, könnten möglicherweise noch unter weitreichenderen Auswirkungen leiden. Die zugrunde liegenden Mechanismen sowie die potenziellen ökologischen Auswirkungen durch ELF-EMF sind auch weiterhin kaum untersucht.

Literaturstelle: 

Shepherd S, Hollands G, Godley VC, Sharkh SM, Jackson CW, Newland PL (2019) Increased aggression and reduced aversive learning in honey bees exposed to extremely low frequency electromagnetic fields. PLoS ONE 14(10): e0223614. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0223614

Die Studie ist in vollem Umfang frei zugänglich (Open Access).
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