Wildbienen verhungern im ländlichen Raum

  • Veröffentlicht am: 28.03.2019

Manche Wildbienen benötigen auch noch spät im Jahr ausreichend Nahrung. Foto: Niels Gründel

Um die einheimischen Wildbienen ist es nicht gut bestellt – mehr als die Hälfte aller Arten ist gefährdet. Deutsche und eidgenössische Wissenschaftler sind in ihrer Studie darauf gestoßen, dass besonders spätfliegende Arten auf dem Land betroffen sind.

Wildbienen sind als Blütenbestäuber ökologisch unverzichtbar und damit von enormem ökonomischen Nutzen. Doch von den über 500 Wildbienenarten in Deutschland sind mehr als die Hälfte bedroht oder lokal schon ausgestorben. Forscher haben anhand von Veränderungen der Roten Liste untersucht, welche Faktoren den Rückgang der Wildbienen verursachen. Ihre Ergebnisse legen nahe, dass die Bienen in landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten vor allem im Spätsommer zu wenig Nahrung finden.

Hummeln – auch sie gehören zu den Wildbienen – besuchen im gleichen Zeitraum wie Honigbienen rund drei- bis fünfmal mehr Blüten auf. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) gibt den monetären Wert der Insektenbestäubung in Europa auf über 14 Milliarden Euro pro Jahr an, manche Pflanzen wie Tomaten oder Glockenblumen werden ausschließlich von Wildbienen bestäubt. Aktuelle Studien zeigen, dass die Zahl der Insekten weltweit dramatisch ab – und das gilt auch für die Wildbienen. „Allgemein scheint die Artenvielfalt von Bienen aufgrund der intensiven Landwirtschaft und des verstärkten Einsatzes von Pestiziden, die sich beide negativ auf Nahrungsquellen und Nistmöglichkeiten auswirken, rückläufig zu sein“, so Susanne Renner von der Ludwig-Maximilians-Universität München. „Wir wollten herausfinden, welche Eigenschaften bestimmte Arten besonders anfällig dafür machen, lokal auszusterben.“

Für ihre Untersuchung nutzten die Wissenschaftler Veränderungen des in der sogenannten Roten Liste festgehaltenen Gefährdungsstatus einheimischer Wildbienenarten, der in Deutschland seit mehr als 40 Jahren erfasst wird. „Auf der Basis dieser Daten haben wir untersucht, welche artspezifischen Eigenschaften – etwa Habitatwahl, Pollen-Spezialisierung, Körpergröße, Nistplatzwahl, Dauer der Flugaktivität und Zeitpunkt des Auftretens während der Saison – statistisch den Gefährdungsstatus beziehungsweise das Aussterben einer Art voraussagen“, erklärt Susanne Renner das Vorgehen.

Insgesamt konnten die Wissenschaftler 445 der 561 in Deutschland bekannten Bienenarten in ihre Analyse einbeziehen und somit 79 Prozent der deutschen Bienenfauna abdecken. Dabei zeigte sich zu ihrer Überraschung, dass die Spezialisierung auf bestimmte Blüten entgegen ihrer Erwartung keinen Effekt hatte. „Zwei Faktoren allerdings waren extrem stark mit einer Gefährdung korreliert: Die Habitatpräferenz –, also die Spezialisierung auf einen Lebensraum – und eine Flugzeit erst im Spätsommer“, erläutert Studienautorin Michaela Hofmann von der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Das Bienenvorkommen in den Städten ist vergleichsweise stabil, und Bienen, die im Frühling ausfliegen, wie etwa die Gehörnte Mauerbiene Osmia cornuta, gelten als nicht gefährdet. Im Gegensatz dazu erhöhten enge Lebensraumpräferenzen, eine kurze Flugzeit und das Auftreten erst im Spätsommer das Aussterberisiko. „Den Spätfliegern – dazu gehört beispielsweise die Zahntrost-Sägehornbiene Melitta tricincta – vor allem auf dem Land geht es unserer Interpretation nach nicht gut, weil es dort dann nicht mehr genug Nahrung gibt. Landwirtschaftlich intensiv genutzte Flächen sind im Spätsommer von Blüten ausgeräumt, während es im Frühling wenigstens noch Massenpflanzen wie Raps und blühende Obstplantagen gibt“, so Susanne Renner. Dieser Faktor ist für die Wissenschaftler der wahrscheinlichste Grund für den Rückgang der Wildbienen-Arten in Deutschland.

Die Förderung umweltfreundlicher Anbaumethoden, wie sie im Volksbegehren Artenvielfalt gefordert werden, könnte auch spätfliegenden Bienenarten zugutekommen, ist Susanne Renner überzeugt. Helfen würden nach Ansicht der Wissenschaftler beispielsweise eine seltenere Mahd, die Anlage von Blühstreifen oder das Stehenlassen von Ackerrandstreifen mit Ackerunkräutern. „Aber auch Hobbygärtner können jetzt schon Bienen helfen, indem sie auf vielfältige Hausgärten ohne Pestizide und Mähroboter setzen“, erklärt Susanne Renner.

Literaturstelle: 

Michaela M. Hofmann et al. Narrow habitat breadth and late-summer emergence increases extinction vulnerability in Central European bees, Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences (2019). DOI: 10.1098/rspb.2019.0316

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