Droht Wildbienen eine Pandemie?

  • Veröffentlicht am: 30.07.2020

Weltweite Verbreitung von Nosema-Infektionen bei Wild- und Honigbienen. Quelle: Grupe, Quandt 2020, CC BY 4.0.

Forscher haben herausgefunden, dass es zunehmende Hinweise gibt, dass neben Honigbienen vor allem Wildbienen seit rund zwei Jahrzehnten auf der ganzen Welt mit Nosema infiziert sind und sich das Pilzpathogen weiter ausbreitet.

Die Wissenschaft hat sich beim Nachweis von Nosema fast ausschließlich auf die zur kommerziell eingesetzten Honigbiene beschränkt. Über die Auswirkungen dieses Erregers auf oftmals endemische Solitärbienen, die die Mehrheit der rund 20.000 Bienenarten auf dem Planeten ausmachen, ist bisher fast nichts bekannt.

„Es muss noch mehr Arbeit geleistet werden, um die Nosema-Infektionen bei Wildbienen und die möglichen Folgen für einheimische Ökosysteme zu verstehen, denn womöglich erleiden Wildbienen bei einer Infektion ein ähnliches Schicksal wie Honigbienen“, so Studienautor Arthur Grupe von der Universität Colorado.

Wildbienen sind nicht nur als Bestäuber in ihren lokalen Ökosystemen unglaublich wichtig, da Honigbienen an diesen Orten im Allgemeinen nicht vorkommen, sondern sie tragen ebenso zur Bestäubung landwirtschaftlicher Nutzpflanzen bei.

Nosema ist ein Pilzpathogen, ein sporenbildender einzelliger Parasit.
Er überlebt, indem er den Darm von Bienen infiziert, wo Nosema keimt, die Wirtszelle infiziert, sich vermehrt und die Wirtszelle aufbricht, um Sporen freizusetzen. Während sie durch den Verdauungstrakt geleitet werden, können diese Sporen andere Zellen im Körper der Biene infizieren, die Biene krank machen und dabei Blumen, Pollen und Bienenstöcke kontaminieren. Einige Nosema-Stämme senken sogar die Spermienzahl und verstümmeln männliche Genitalien von Hummeln, wodurch deren Fortpflanzungserfolg verringert wird.

Verschiedene Stämme, hauptsächlich Nosema apis und Nosema ceranae, treten nun auch an neuen Orten auf, wobei einige Stämme, insbesondere N. ceranae, das ganze Jahr über Infektionen in Bienenstöcken verursachen – bei Bienen, die den Erreger zuvor saisonal abwehren konnten.

Im US-Bundesstaat Colorado wurde bisher nur Nosema bombi dokumentiert, das Hummeln infiziert. Laut Arthur Grupe liegt das schädlichere Pathogen N. ceranae jedoch wahrscheinlich nicht weit dahinter in seiner Verbreitung zurück.

Es gibt einige Behandlungen, darunter Pflanzenextrakte, Züchtungsmethoden für Resistenzen und mikrobielle Ergänzungsmittel. Die meisten Untersuchungen an Wildbienen beschränkten sich jedoch auf DNA-basierte Methoden, mit denen der Erreger einer Biene untersucht wird, anstatt ganzheitlicher zu untersuchen, wie er sich auf die Biene und ganze Populationen auswirkt.

Die Autoren der Studie sagen, dass es für Wissenschaftler von entscheidender Bedeutung sei, besser zu verstehen, wie diese Nosema-Stämme um den Globus reisen und endemische Solitärbienen schädigen. Nosema kann zu Bienenpandemien führen und zum Zusammenbruch ganzer Arten beitragen.

Nosema als Auslöser von Kaskadeneffekten

Einige Blumen, wie Keckiella antirrhinoides können nur von einer Biene oder einem Insekt in der richtigen Größe und mit dem richtigen Gewicht bestäubt werden, wodurch sich die Blume öffnet, wenn die Biene darauf landet. Wenn diese Bienen-Art durch eine Infektion ausgelöscht wird, kann diese Pflanze ebenfalls verschwinden und andere Tiere, die auf ihre Früchte oder Blätter angewiesen sind, können folgen.

Blumen sind auch Orte, an denen Solitärbienen, die Mehrheit aller Bienenarten, ihre Partner treffen. Wenn diese Blumen absterben, sterben auch die Orte, an denen Bienen ihre Fortpflanzungspartner finden.

Eine weitere große Bedrohung für endemische Bienen ist das Überspringen von Krankheitserregern, wenn infizierte Honigbienen den Pilz auf Blüten hinterlassen und Wildbienen ihn aufnehmen. Diese endemischen Bienen, die mit dem Erreger noch nie zuvor Kontakt hatten, könnten weit anfälliger für dessen negative Auswirkungen sein.

Das Gleiche könnte umgekehrt passieren: Wenn sich bei Wildbienen ein neuartiger Nosema-Stamm entwickelt, könnte dieser Stamm seinen Weg zurück in kommerzielle Honigbienen-Populationen finden, der dort größere Schäden anrichtet als bisher bekannte Stämme.

Ohne zu wissen, wie Nosema Wildbienen betrifft, könnte eine ganze Pandemie und ihre ökologischen Folgen unbemerkt bleiben.

„Wir wissen so wenig über die Biologie des Geschehens“, so Alisha Quandt von der Universität Colorado. „Das ist einer der Gründe, warum wir es für so wichtig halten, dass die Menschen mit dieser Art von Überwachungsarbeit beginnen, sich ins Feld begeben und mehr Wildbienen untersuchen.“

Literaturstelle: 

Grupe AC II, Quandt CA (2020) A growing pandemic: A review of Nosema parasites in globally distributed domesticated and native bees. PLoS Pathog 16(6): e1008580. https://doi.org/10.1371/journal.ppat.1008580

Die Studie ist in vollem Umfang frei zugänglich (Open Access).
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