Gelée royale programmiert Stammzellen bei Säugetieren

  • Veröffentlicht am: 14.04.2020

Königinnen sind deutlich größer als die genetisch identischen Arbeiterinnen. Foto: PollyDot/Pixabay, CC0

Ein aktiver Eiweißbestandteil von Gelée Royale hilft Honigbienen dabei, neue Königinnen zu schaffen. Forscher haben ein ähnliches Protein bei Säugetieren identifiziert, das kultivierte embryonale Stammzellen pluripotent hält.

Ein Säugetier-Protein, das in seiner Struktur dem aktiven Bestandteil des Gelée Royale bei Honigbienen entspricht, fungiert als eine Art Jungbrunnen embryonaler Stammzellen bei Mäusen.
Das Protein bewirkt, dass die Zellen pluripotent bleiben, was bedeutet, dass sie zu einer beliebigen Zelle im Körper werden können, unter Bedingungen, die normalerweise dazu führen würden, dass sie sich zu spezialisierten Zellen entwickeln.

Der recht unerwartete Befund wird wahrscheinlich die Debatte über die besondere Wirkung von Gelée Royale beim Menschen neu anfachen. Wichtiger aus Sicht der Wissenschaftler ist allerdings, dass die Entdeckung neue Wege zur Pluripotenz aufzeigt und neue Wege ermöglichen könnte, Stammzellen bei zukünftigen Therapien einzusetzen.

„In volkstümlichen Überlieferungen ist Gelée Royale eine Art Supermedizin, vor allem in Asien und Europa“, sagt Professor Kevin Wang, „aber die DNA-Sequenz von Royalactin, die aktive Komponente im Gelée Royale kommt einzig bei Honigbienen vor. Nun haben wir ein strukturell ähnliches Säugetierprotein identifiziert, das die Pluripotenz von Stammzellen aufrechterhalten kann.“

Da Gelée Royale nur die besonders große und fruchtbare Königin im Bienenvolk erhält, hat sich der Mythos entwickelt, dass das, was für die Königin gut ist, für den Menschen erst recht gut sein muss. Es gibt durchaus Studien, die Auswirkungen auf den menschlichen Cholesterinspiegel, den Blutdruck, das Nervensystem und hormonelle Aktivitäten nachweisen. Von der „Food and Drug Administration“ wurde es in den Vereinigten Staaten aber nicht für medizinische Zwecke zugelassen.

Gelée Royale beeinflusst Entwicklung der Königin

Kevin Wang konzentrierte sich anfangs auf die extremen Unterschiede zwischen Bienenköniginnen und den viel kleineren Arbeiterinnen, obwohl beide weiblichen Bienen ein identisches Genom besitzen und die Larven am ersten Tag alle gleich sind.

Schnell konzentrierte er sich zusammen mit seinen Kollegen auf das Protein Royalactin. Sie verwendeten es bei embryonalen Stammzellen von Mäusen, um die Reaktion der Zellen zu untersuchen.

„Damit Gelée Royale die Entwicklung der Königin beeinflussen kann, muss es auf frühe Vorläuferzellen der Bienenlarven einwirken“, so Kevin Wang. „Wir haben uns also entschieden zu sehen, welche Auswirkungen – wenn überhaupt – dies auf embryonale Stammzellen hat.“
Wenn embryonale Stammzellen im Labor gezüchtet werden, neigen sie dazu, ihren Zustand aufzugeben und sich in spezialisierte Zellen differenzieren.

Zu ihrer Überraschung stellte das Team um Kevin Wang fest, dass die Zugabe von Royalactin die Differenzierung der embryonalen Stammzellen verhinderte, selbst wenn keine Inhibitoren vorhanden waren.

„Das war unerwartet“, so Kevin Wang. „Normalerweise werden diese embryonalen Stammzellen in Gegenwart eines Inhibitors gezüchtet, der Leukämie-Inhibitor-Faktor (LIF) genannt wird; er hindert sie daran, sich in Kultur unangemessen zu differenzieren, aber wir fanden heraus, dass Royalactin die Differenzierung sogar in Abwesenheit von LIF blockierte.“ Die kultivierten LIF-freien Zellen wuchsen bis zu 20 Generationen, ohne ihre „Stammzellfähigkeit“ zu verlieren.

Zusätzliche Experimente zeigten, dass mit Royalactin behandelten Stammzellen Genexpressionsprofile aufwiesen, die den in Gegenwart der Inhibitoren gezüchteten Stammzellen ähnelten. Dabei wurden Proteine freigesetzt, von denen bekannt ist, dass sie mit Pluripotenz in Verbindung stehen, während die Produktion von den für die Differenzierung wichtigen Proteinen eingeschränkt wird. Die Reaktion der Zellen war jedoch verwirrend, da Säugetiere kein Royalactin herstellen.

Um Antworten zu erhalten, nutzten die Forscher eine Datenbank, die dreidimensionale Strukturen von Proteinen enthält. Viele Proteine funktionieren wie ein Schlüssel und ein Schloss. Die Idee der Wissenschaftler basierte darauf, dass es bei Säugetieren möglicherweise ein ganz anderes Protein gibt, das der Form von Royalactin entspricht.

Neues Protein Regina

Kevin Wang fand tatsächlich ein Säugetier-Protein namens NHLRC3, dass eine ähnliche Struktur besitzt wie Royalactin. Es wird bei allen Tieren vom Aal bis zum Menschen in der Embryonalentwicklung produziert. NHLRC3 kann ebenso wie Royalactin die Pluripotenz embryonaler Zellen von Mäusen aufrechterhalten und ruft ein ähnliches Genexpressionsmuster hervor wie mit Royalactin behandelte Zellen. Die Forscher gaben dem Protein daher den neuen Namen Regina – lateinisch für Königin.

Jetzt planen die Wissenschaftler Untersuchungen möglicher therapeutischer Werte von Regina für die Wundheilung oder die Zellregeneration bei erwachsenen Tieren. Sie hoffen, dass ihre Entdeckung anderen Forschern helfen wird, Wege zu finden, um embryonale Stammzellen pluripotent zu halten, wenn sie im Labor gezüchtet werden.

„Es ist faszinierend“, so Kevin Wang. „Unsere Experimente implizieren, dass Regina ein wichtiges Molekül für die Pluripotenz und die Produktion von Vorläuferzellen ist, aus denen die Gewebe des Embryos entstehen. Wir haben etwas Mythisches mit etwas Realem verbunden.“

Die Studie ist in vollem Umfang frei zugänglich (Open Access).
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