Glyphosat-verseuchter Honig mit Nachwirkungen

  • Veröffentlicht am: 27.01.2020

Zu viel Glyphosat im Honig und damit eigentlich Handlungsbedarf für die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft. Foto: Fabian Melber/Aurelia Stiftung

Der vor dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ausgekippte und mit Glyphosat verseuchte Honig zeigt Wirkung. Die Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit war so groß, dass sich das Ministerium zu einer Stellungnahme genötigt sah. Doch sie bringt die Imkerschaft erst recht in Rage.

Im aktuellen Fall der Imkerei Seusing sind die festgestellten Glyphosat-Verunreinigungen, die zum Verlust der Verkehrsfähigkeit von mehr als vier Tonnen Honig geführt haben, nachweislich auf mindesten zwei verschiedene vermeintliche „Einzelfälle“ von Blütenspritzungen mit Glyphosat zurückzuführen – und zwar innerhalb eines Landkreises und innerhalb von weniger als drei Monaten.
Genau der Honig landete jüngst vor dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).

„Nach Aussage des Bundesinstituts für Risikobewertung gehen von den bei der amtlichen Lebensmittelüberwachung in Brandenburg gemessenen Gehalten an Glyphosat in Honig keine Gefahren für die Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher aus“, so die Ministerialen in ihrer Stellungnahme, aus der sie die verantwortliche Ministerin Julia Klöckner gezielt heraushalten. „Honig aus Deutschland ist und bleibt ein qualitativ hochwertiges und gesundes Produkt.“
Die bisher „aus Brandenburg bekannten Höchstgehaltsüberschreitungen von Glyphosat in Honig, die über den geltenden EU-Grenzwert hinausgehen“ seien vielmehr Einzelfälle.

Die Behauptungen aus dem Ministerium sind durchaus eine gewagte Aussage, denn es gibt gar keine durchgängigen Analysen von deutschem Honig auf darin enthaltenes Glyphosat und für Brandenburg selbst wurden zumindest bisher keine veröffentlicht.

Alle bisherigen Untersuchungen deuten genau auf das Gegenteil hin: Die Stiftung Warentest wies 2018 in jedem dritten in Deutschland eingekauften Honig Glyphosat nach (test 2/2019). Das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit wies 2016 in über drei Prozent des Honigs Grenzwertüberschreitungen nach. Was wenig klingt, ist im Ergebnis viel: 21.600 t Honig wurden 2016 in Deutschland produziert. Statistisch wären bei Hochrechnung der niedersächsischen Ergebnisse bundesweit 648 t Honig so mit Glyphosat belastet gewesen, dass sie gar nicht in den Verkehr hätten gebracht werden dürfen. Aufgrund gestiegener Produktionsmengen lag der Wert im Jahr 2018 bei 861 t entsprechend verunreinigtem Honig.

Insofern handelt es sich um ein systemisches Problem: Bei der bestehenden flächendeckenden Bienenhaltung in Deutschland ist davon auszugehen, dass jegliche blühenden Pflanzenbestände von Honigbienen und wilden bestäubenden Insekten beflogen werden.
Gelangt Glyphosat in blühende Pflanzen, wird es von Bienen und anderen Bestäubern im Flugradius aufgenommen. Das führt zwangsläufig und regelmäßig zu hohen Belastungen der Bienen und ihres Honigs. Die Aurelia Stiftung hat bereits 2016 erstmals auf dieses Problem hingewiesen und dokumentiert – in einem Fall in Brandenburg wurde sogar eine 200-fache Glyphosat-Grenzwertüberschreitung in Kornblumenhonig festgestellt. Glyphosat-Anwendungen in blühende Pflanzenbestände gefährdet damit grundsätzlich die Verkehrsfähigkeit von Honig.

„Dass das BMEL das von uns aufgezeigte Glyphosat-Problem zu einem ‚Einzelfall‘ kleinredet, empfinden wir als respektlos gegenüber der existenzbedrohten Imkerfamilie wie auch der gesamten deutschen Imkerschaft. Das in der Presseerklärung geäußerte Bedauern über diesen Fall ist leider gar nichts wert, wenn sich das BMEL mit keinem Wort zu der eigenen Verantwortung oder zu den von uns gestellten Forderungen äußert“, so Annette Seehaus-Arnold, Vize-Präsidentin des Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbundes. „Auch die Empfehlung, die wir unter anderem von der EU-Kommission erhalten haben, dass Imker ihre Bienen halt woanders hinstellen sollen, ist inakzeptabel. Bedenkt man, dass der Flugradius von Bienen bis zu drei Kilometer beträgt, bleibt kaum ein Standort in Deutschland übrig, an dem man als Imker vor Glyphosat und anderen Pestizidbelastungen sicher ist.“

Saskia Richartz, Sprecherin des „Wir haben es satt!“-Bündnisses, fügt hinzu: „Dass Agrarministerin Klöckner versucht vier Tonnen Glyphosat-Honig als „Einzelfall“ abzutun, ist ein Schlag ins Gesicht der Seusings und aller anderen Imkereien, die wegen der Pestizid-Politik der Bundesregierung um die Existenz fürchten müssen. Statt Kritik mit Begriffen wie ‚Bullerbü-Mentalität‘ ins Lächerliche zu ziehen, sollte Julia Klöckner den Pestizid-Ausstieg anpacken. Unsere Nachbarländer Österreich, Frankreich und Luxemburg zeigen mit den Glyphosat-Verboten – wer will, der kann.“

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