Viele Honigbienen verdrängen Wildbienen

  • Veröffentlicht am: 26.04.2021

Untersuchungsgebiet der Studie war der Botanische Garten in München. Foto: RitaE/Pixabay

Die Haltung von Honigbienen Apis mellifera in Städten hat in letzter Zeit stark zugenommen. Weitgehend unbekannt ist, wie sich die zunehmende Dichte der Honigbienen auf Wildbienen in einem möglicherweise größer werdenden Wettbewerb um dieselben Nahrungsressourcen auswirkt.

In München wurden im Rahmen einer Studie vom 1. April bis 31. Juli in den beiden Jahren 2019 und 2020 Honigbienen und Wildbienen an 29 Pflanzenarten beobachtet. Die Pflanzenarten stammten aus unterschiedlichen taxonomischen und floralen Herkünften und waren so ausgewählt, dass sie stellvertretend für eine weit größere Zahl Pflanzen standen, darunter einheimische und ausländische Zierpflanzen, wie etwa Dahlien. Im untersuchten Botanischen Garten mit 21 Hektar Größe selbst gab es keine Honigbienenvölker; die Standorte im Umkreis wurden durch Befragung der Imker ermittelt. Die gleiche Arbeitsgruppe wies 2018 für den untersuchten Garten 105 Wildbienen-Arten nach.

Die Zahl der Honigbienen war im April beider Jahre ähnlich, war jedoch von Mai bis Juli 2020 wesentlich höher als von Mai bis Juli 2019. Die höheren Dichten korrelierten mit einem signifikanten Anstieg der Verschiebungen von Wildbienen- zu Honigbienenbesuchen in den Monaten Mai, Juni und Juli. Die Beobachtungen an den 29 Arten, die in beiden Jahren nur an sonnigen Tagen durchgeführt wurden, zeigten, dass die Nektar-Besuche von Honigbienen im Vergleich zu Wildbienen im Mai bis Juni 2020 stark zunahmen, nicht aber im April. Bei keiner Pflanzenart konnten 2020 vermehrte Besuche von Wildbienen registriert werden, wie es bei einem Ausweichen der Wildbienen von einer Blütenart an eine andere hätte erwartet werden können.

Die Studie wurde in einem ganzjährig blütenreichen Garten durchgeführt. Daher gehen die Wissenschaftler davon aus, dass die hohe Honigbienen-Dichte von Mai bis Juli zu einem ausbeuterischen Wettbewerb um Nektar führt. Der Wettbewerb um Pollen wurde nicht untersucht und dürfte sich anders verhalten, da Bienen bei der Pollensuche spezialisierter sind als bei der Nektaraufnahme. Honigbienen müssen für die Versorgung pro Volk und Jahr auf Nahrung im Umfang von 10 bis 60 kg Pollen und 20 bis 150 kg Honig zurückgreifen, was 5 bis 9.000 kg Pollen und 10 bis 22.500 kg Honig/km² und Jahr entspricht (Goulson 2003).

Die meisten Wildbienen sind kleiner als Honigbienen und fliegen über kürzere Distanzen. Sie können daher Konkurrenz in der Nahrungssuche schlechter ausgleichen, indem sie weiter entfernte Pflanzen aufsuchen. Auch versorgt jede weibliche Wildbiene ihre eigene Brut, während die Honigbienen gemeinsam tausende von Larven im Stock versorgen.

Eine hohe Dichte von Honigbienen in Städten ist kritisch, wenn schon ein ressourcenreicher Stadtgarten Wildbienen nicht ausreichend Nahrung bieten kann. Sollten Bestandsdichten über längere Zeiträume bestehen bleiben – bei gleichzeitig unverändertem Blütenangebot – ist ein starker Wettbewerb zwischen Honigbienen und Wildbienen um dieselben Nahrungsressourcen, Nektar und Pollen, wahrscheinlich; negative Folgen für die Wildbienen-Populationen in Städten eingeschlossen.

Nachgefragt im Interview

Die Studienautorin Prof. Dr. Susanne Renner stand bienen-nachrichten.de Rede und Antwort, wie es um Honig- und Wildbienen in Städten steht.

Immer mehr Menschen halten Honigbienen, meist, um etwas für „die Bienen zu tun und gegen das Artensterben“. Die Ergebnisse Ihrer Studie zeigen auf, dass das keine so gute Idee ist?

Das kann man so nicht sagen. Vielmehr kommt es darauf an, wie viele nektarliefernde Blüten in der Nähe (etwa in 1 km Umkreis) der Stöcke vorkommen. Zwar können Honigbienen noch weiter fliegen, aber dafür verbrauchen sie natürlich dann selber viel Energie. In Deutschland ist auf dem Land im Frühling meist kein Mangel an Obstblüten, Raps und Löwenzahn. Aber im Sommer ist dann Hungerzeit für alle Bienen, nicht nur die Honigbienen. In den Städten sind Blüten in Gärten und Parks oft ganzjährig vorhanden – die werden ja liebevoll wegen ihres Blühens ausgesucht und gegossen. Aber das reicht halt nur für eine bestimmte Zahl von Stöcken. Wird die Dichte an Stadt-Imkern zu hoch, dann herrscht Futter-Konkurrenz.

Bienen brauchen Nahrung. Wildbienen darüber hinaus geeignete Nistplätze. Was sollte ich vorrangig umsetzen, wenn ich etwas für Bienen tun möchte?

Zuerst das Wichtigste: Die Situation ist nicht hoffnungslos, denn die meisten Wildbienen sind viel kleiner als die Honigbiene (die sind oft nur einige Millimeter lang) und können daher schon mit kleinen Habitaten zurechtkommen – wir sprechen von 150 bis 500 m Umkreis. Wenn an geeigneten Stellen offene, sonnenausgesetzte Erde vorhanden ist und dazu diverse Blüten, alte Schneckenhäuser, alte Halme und anderes Nistmaterial, dann kommen die Wildbienen sehr schnell. In München fanden wir, dass neu angelegte Blühstreifen innerhalb eines Jahres gefunden wurden. Geeignete Pflanzen und Nistmaterial für Wildbienen findet man leicht in Büchern oder online. Kostet nichts. Ist ja alles in der Natur bei uns vorhanden.

Können auch Städte etwas für Bienen tun?

Aber klar, und tun sie ja auch. Blumen, Blumen, Blumen und nicht laufend rechts und links alles ganz kurz mähen. Und bloß keine Mähroboter.

Eine Frage, die kein Imker gerne hören wird: Sollte die Honigbienenhaltung in Städten begrenzt werden?

Für unsere Studie habe ich versucht, die Zahlen von Imkern (und damit Stöcken) in deutschen Städten herauszufinden. Dabei zeigte sich, dass bisher keine verlässlichen Zahlen vorliegen. Deshalb kennt man bisher keine Zahl, oberhalb derer man dann weitere Imkerei untersagen sollte – es kommt ja immer auch auf die „Grünheit“ der Stadt an. Bei einem Imkertreffen in Ludwigsburg 2019 lernte ich, dass manche Imker ihre Stöcke im Spätsommer vom Land nach Stuttgart bringen, weil die Bienen in der Stadt mehr Futter finden als auf dem Land. Will sagen: Es ist heute die Bienenhaltung auf dem Land, die schwierig ist, jedenfalls im Spätsommer, weil zu wenige Wiesen mit Wildblumen übrig sind.

Literaturstelle: 

Renner, S.S., Graf, M.S., Hentschel, Z. et al. High honeybee abundances reduce wild bee abundances on flowers in the city of Munich. Oecologia 195, 825–831 (2021). https://doi.org/10.1007/s00442-021-04862-6

Die Studie ist in vollem Umfang frei zugänglich (Open Access).
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