Zulassungsmängel bei Sulfoxaflor zulasten Bestäubern

  • Veröffentlicht am: 02.07.2020

Die Anwendung von Pestiziden in Gewächshäusern schützt die Umwelt nur bedingt. Foto: 3282700/Pixabay, CC0

Das Insektizid Sulfoxaflor ist recht neu und wird als harmlos für Honigbienen vermarktet. Dabei wirkt es wie ein Neonicotinoid und Bedenken der Europäische Behörden für Lebensmittelsicherheit (EFSA) wurden bisher ignoriert. Inzwischen werden Studien veröffentlicht, die diese Bedenken weiter stützen.

Als Wirkstoff ist Sulfoxaflor im Jahr 2015 innerhalb der Europäischen Union genehmigt worden. Zulassungen für Pflanzenschutzmittel gibt es in einigen Staaten, etwa auch Deutschland. Dort für die Anwendung in Gewächshäusern. Sie sind hierzulande aber keineswegs geschlossene Systeme, sondern bekannterweise für Insekten in beide Richtungen durchlässig.

Im Jahr 2014 wurden die Ergebnisse zu Sulfoxaflor im EFSA-Journal unter dem Titel „Conclusion on the peer review of the pesticide risk assessment of the active substance sulfoxaflor“ publiziert. Darin wurde explizit darauf hingewiesen, dass mit den verfügbaren Daten ein hohes Risiko für Bienen für die Anwendung des Pestizids im Feld nicht ausgeschlossen werden konnte; zudem wurde ein hohes Risiko für kleine pflanzenfressende Säugetiere gesehen.
Fehlende Studien sollten von Dow AgroSciences innerhalb von zwei Jahren nachgereicht werden. Diese gelangten auch zum Umweltinstitut München e. V., das die Studien von der unabhängigen Wissenschaftlerin Dr. Fani Hatjina prüfen ließ.
Die Experimente selbst wurden korrekt durchgeführt, doch beobachtete Verluste und Beeinträchtigungen der Versuchstiere wurden nicht weiter verfolgt, so das Resümee. Die Wirkung des Pestizids wurde zudem nur an Honigbienen Apis mellifera und Dunklen Erdhummeln Bombus terrestris untersucht, nicht jedoch an Solitärbienen.

„Auch Nachfolgestoffe für die bienenschädlichen Neonicotinoide bergen Risiken. Der Pestizidhersteller Dow AgroScience hat Analysen zufolge offenbar Hinweise aus eigenen Studien auf die Bienengefährlichkeit von Sulfoxaflor ignoriert. So wurden auftretende negative Effekte auf die Nahrungssuche und die Wintersterblichkeit der Tiere nicht näher untersucht, obwohl solche Folgen denen der berüchtigten Neonicotinoide ähneln, die auf vergleichbaren Wirkmechanismen beruhen. Zudem fehlen nach wie vor Studien über Effekte auch für Solitärbienenarten oder andere Insektengruppen. Diese massiven Defizite belegen einmal mehr, dass die jetzigen Zulassungsverfahren für Pestizide keinen ausreichenden Bestäuberschutz gewährleisten“, so Harald Ebner, Sprecher für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, anlässlich der Ergebnisse von Fani Hatjina. Er sieht zudem dringenden Handlungsbedarf: „Bienen und ihre wildlebenden Verwandten sind nicht erst seit der Coronakrise systemrelevant zur Sicherung der Nahrungsmittelversorgung. Die Bundesregierung wäre daher gut beraten, auf EU-Ebene den überfälligen umfassenden Reformprozess für Zulassungsverfahren voranzutreiben und auch bei nationalen Zulassungsverfahren für Pestizidpräparate endlich gründlich nachzubessern.“

Der Europäische Gerichtshof hat schon 2018 in einem Urteil zur Rechtmäßigkeit von Anwendungsbeschränkungen bei Neonicotinoiden erhebliche Defizite bei der Risikoprüfung der Wirkstoffe festgestellt (Rechtssachen T-429/13 und T451/13). Das Europäische Parlament hat schließlich im Januar 2019 mit großer Mehrheit einen Beschluss zur grundlegenden Reform von Pestizidzulassungsverfahren gefasst.

Deutschland blockiert Bestäuberschutz

Berücksichtigung finden aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse bei der Risikobewertung nicht oder nur verzögert.
Die aktuell angewandten Leitlinien der EFSA für die Risikobewertung von Pestiziden bei Bienen gelten als veraltet. Dennoch werden die neuen Richtlinien von 2013 bis heute nicht im vollen Umfang angewendet. Sie sollen auch chronische und subletale Effekte auf Bestäuber – einschließlich Wildbienen – berücksichtigen.
Die Verschleppung wird auch durch die Bundesregierung auf EU-Ebene systematisch und wohl ganz im Sinne hiesiger Großkonzerne vorangetrieben.

Die Wissenschaft lässt sich davon immerhin nicht aufhalten: Erste, inzwischen vorliegende unabhängige Folgestudien zeigen für Sulfoxaflor, dass der Wirkstoff für beide untersuchten Bienen-Arten im Zulassungsprozess durchaus gefährlicher sind als dort beschrieben, weil auch Details beachtet werden oder realistische Dosen zugrunde gelegt werden wie sie im Feld vorkommen:
Harry Siviter et al. zeigten 2018, dass Sulfoxaflor die Gesamtzahl der Nachkommen bei Dunklen Erdhummeln deutlich verringert. Priyadarshini Chakrabarti et al. wiesen dieses Jahr nach, wie tödlich der Wirkstoff für Honigbienen ist.

Eine bessere Gefahren- und Risikobewertung von Wirkstoffen wird generell nur möglich sein, wenn Industrie und Studienbeauftragte nicht in einer direkten Geschäftsbeziehung stehen. Aktuell zeigt sich immer wieder, dass ganz offensichtlich Interessenkonflikte bestehen, wenn nach erfolgter Zulassung, Studien publiziert werden, die oftmals im Widerspruch zu den Ergebnissen stehen, die zu einer Zulassung geführt haben.

„Die EFSA hat nach einer aktuellen Neuevaluierung von Ende März 2020 wesentliche Risiken für Bestäuber durch Sulfoxaflor bestätigt. Auch dem großen öffentlichen Druck aus der Zivilgesellschaft ist es zu verdanken, dass Pestizide mit Sulfoxaflor und Flupyradifuron in Deutschland immerhin nicht für eine Freilandanwendung zugelassen wurden. Dennoch sind bei der Ausbringung dieser Gifte auch in Gewächshäusern Risiken für Bestäuber durch Austräge von belasteter Luft, Stäuben und Bodensubstraten in die Umwelt nicht auszuschließen“, so Harald Ebner und fordert: „Die Bundesregierung sollte im Sinne des Vorsorgeprinzips die Anwendung dieser Stoffe nach dem Vorbild Frankreichs daher komplett verbieten.“

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