Imkerei in Städten schadet Wildbienen & Co
Bunte Wildblumenwiesen sind ideale Nahrungsquellen für eine Vielzahl bestäubender Insekten. Foto: Ralphs_Fotos/Pixabay
In vielen boomt die Imkerei. Doch die unkontrollierte Zunahme von Honigbienen übt zunehmend Druck auf wilde Bestäuber aus und gefährdet damit die städtische Biodiversität, wie eine neue Studie zeigt. Imkerei in Städten muss besser reguliert werden.
Im Fokus der aktuellen Studie stand das Ziel, die Nachhaltigkeit urbaner Bienenhaltung in der Schweiz einzuschätzen. Dazu fertigten die Forscher Joan Casanelles Abella und Marco Moretti von der eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) ein Rechenmodell an, dass die Anzahl Bienenstöcke in vierzehn Schweizer Städten mit dem dortigen Blütenangebot vergleicht. Sie stellten fest, dass sich die Menge an Bienenstöcken zwischen 2012 und 2018 von insgesamt 3.139 auf 9.370 beinahe verdreifacht hat. Für die meisten Städte ergab das Modell eine negative Bilanz, was darauf hindeutet, dass das Angebot an Blütenressourcen nicht ausreicht, um den Bedarf der Honigbienen zu decken. „Die Kernaussage unserer Resultate ist, dass die Grünflächen mit der bestehenden Dichte der Bienenstöcke nicht mithalten können“, so Casanelles Abella.
Gemäß der Empfehlung einer wissenschaftlichen Studie aus Großbritannien sind 7,5 Bienenstöcke pro km² ein geeigneter Grenzwert für eine nachhaltige Bienendichte. In der Schweiz wird dieser Wert jedoch nur in ländlichen Gebieten eingehalten, während die Bienenvölker in den Städten viel dichter verteilt sind und den Grenzwert häufig überschreiten. Auch wenn sie mit einer Modellrechnung eine Zunahme an Grünflächen simulierten, zeigte sich keine erhebliche Besserung. „Natürlich ist die Vergrößerung einer Grünfläche um 75 Prozent ohnehin sehr unrealistisch, aber es zeigt, dass in Wahrheit einfach nicht genügend Ressourcen vorhanden sind“, erläutert Casanelles Abella.
Konkurrenz mit wilden Bestäubern
Dazu kommt, dass Honigbienen nicht die einzigen bestäubenden Insekten in den Städten sind. „Wenn man ein System über seine Tragfähigkeit hinaus belastet, dann erschöpft man zugleich die enthaltenen Ressourcen. Dies wiederum hat dann zur Folge, dass die anderen Organismen, die von derselben Ressource leben, darunter leiden“, erklärt Casanelles Abella. Damit betrifft der Nahrungsmangel alle Insekten, die sich von denselben Blütenpflanzen ernähren – die von Menschen gehaltenen Honigbienen ebenso wie Wildbienen. Von rund 600 Wildbienenarten in der Schweiz gelten etwa 45 Prozent als bedroht. Städte können eine erstaunlich große Artenvielfalt Wildbienen enthalten: 164 im Fall von Zürich, zeigte unlängst eine andere WSL-Studie.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist das genaue Ausmaß der Konsequenzen für die Biodiversität nur schwer abzuschätzen. Die städtische Imkerei trägt zur bestehenden Abnahme der Wildbienenvielfalt bei, wobei die Bienen unter den kombinierten Auswirkungen aller aktuellen globalen Stressfaktoren leiden. Dazu gehören der Klimawandel, der Mangel an Blütenressourcen und Schädlinge. „Wir befinden uns in einer Phase, in der die biologische Vielfalt kontinuierlich abnimmt und die Natur bereits mit großen Herausforderungen konfrontiert ist“, sagt Casanelles Abella.
Laut Casanelles Abella mangelt es primär an Information und Kontrolle: „Die Menschen nehmen Honigbienen oft als wilde Tiere wahr, weil sie frei leben und sich frei bewegen. In Wirklichkeit werden sie aber gleich wie andere Nutztiere gehalten und gezüchtet. Wie für diese muss der Mensch auch für Honigbienen ein ausreichendes Futterangebot zur Verfügung stellen.“
Traditionell gesehen ist die Imkerei eine Form der Landwirtschaft, in Städten ist die Haltung von Honigbienen aber vermehrt zu einer Freizeitaktivität mutiert. Meist halten Einzelpersonen die Bienen, weil sie damit einen Beitrag zur Natur leisten möchten. Der Einstieg in die Hobby-Imkerei ist denkbar einfach; gesetzlich vorgeschrieben ist nur die Registrierung des neu angesiedelten Bienenvolks. Eine entsprechende Ausbildung wird lediglich empfohlen.
Es gibt keine Vorschriften darüber, wo und in welchem Abstand die Bienenstöcke aufgestellt werden dürfen. „Wir müssen uns eine clevere Strategie ausdenken, um die Dichte der Bienenstöcke zu kontrollieren, so wie man es auch bei anderen Nutztieren tut, ohne dabei den guten Willen der Menschen negativ zu beeinflussen“, sagt Casanelles Abella. Ein guter Ansatz wäre gemäß Casanelles Abella die Einführung gesetzlich vorgeschriebener Mindestabstände zwischen den Bienenvölkern. Zusätzlich sollte man städtische Gebiete festlegen, die für Wildbienen besonders wertvoll sind, sowie eine bessere Überwachung der verfügbaren Blütenressourcen ermöglichen. Dazu eignet sich zum Beispiel die Verwendung von Biodiversitätskarten.
Außerdem muss die Bevölkerung besser über die Auswirkungen der unkontrollierten Imkerei aufgeklärt werden, sodass die städtische Biodiversität nicht aus dem Gleichgewicht gerät. Städte beinhalten wichtige Habitate und können, sofern die Grünflächen nachhaltig bewirtschaftet werden, maßgeblich zum Erhalt der Artenvielfalt beitragen.
Casanelles-Abella, J., Moretti, M. Challenging the sustainability of urban beekeeping using evidence from Swiss cities. npj Urban Sustain 2, 3 (2022). https://doi.org/10.1038/s42949-021-00046-6