Wirkung von Pestizid-Hilfsstoffen auf Honigbienen

  • Veröffentlicht am: 05.12.2023

Hilfsstoffe in Pestiziden stören die komplexen Verhaltensweisen im Bienenvolk zusätzlich. Foto: Steve Sharp/Unsplash

Honigbienen Apis mellifera haben für das gemeinschaftliche Leben im Bienenvolk zahlreiche komplexe Verhaltensweisen entwickelt. Subletale Dosen von Pestiziden können das olfaktorische Verhalten und die olfaktorische Neurotransmission stören, was die Koordination von Ereignissen beeinträchtigen und zu einer Verringerung des Überlebens der Kolonie führen kann.

In einer aktuellen Studie hat ein Team von Wissenschaftlern herausgefunden, dass das Fungizid Tilt mit dem Wirkstoff Propiconazol und das Insektizid Altacor mit dem Wirkstoff Chlorantraniliprol zusammen und in Kombination mit dem Organosilikon-Tensid-Hilfsstoff Dyne-Amic die olfaktorischen Reaktionen von Honigbienen auf das Brutesterpheromon und das Alarmpheromon 2-Heptanon verändert. Dieser Befund legt nahe, dass diese (im Mandelanbau) häufig verwendeten Pestizide die Kommunikation und Fortpflanzungssysteme von Honigbienen beeinträchtigen können.

Darüber hinaus beobachteten die Forscher komplexe Wechselwirkungen auf die Geruchsreaktionen von Honigbienen, wenn Honigbienen einer Kombination aus Pestiziden und Adjuvanzien ausgesetzt wurden. Die Wirkungen sind nicht additiv, was auf eine komplexere Beziehung hinweist. Der Hilfsstoff Dyne-Amic in Kombination mit einem DMI-Fungizid (Demethylierungsinhibitor) und einem Diamid-Insektizid beeinflusst synergistisch die olfaktorischen Reaktionen auf das Brutesterpheromon. In Kombination werden andere Wirkungen erzielt, etwa ein dämpfender Effekt auf die Alarmpheromonreaktion und Reaktionen auf das Larvensignal β-Ocimen.
Dass Kombinationen von Pestiziden in subletalen Mengen zu additiven oder synergistischen Effekten auf olfaktorische Reaktionen führen können, haben zuvor bereits Fisher et al. 2023 und Schuhmann et al. 2022 gezeigt.
Hilfsstoffe wie sie beispielsweise in Dyne-Amic enthalten sind, beeinträchtigen zudem die olfaktorische Lernfähigkeit erwachsener Honigbienen und können auch die Toxizität einiger Pestizide erhöhen (u. a. Zhu et al. 2104 und Straw et al. 2021).
Bei Östlichen Honigbienen Apis cerana in Gebieten mit hohem Pestizideinsatz wurden von Chakrabarti et al. 2015 Beeinträchtigungen von Geruchsfunktionen nachgewiesen.

Die Kombination von Pestiziden und Adjuvanzien - das legt auch die aktuelle Studie nahe - kann Neuronen von Honigbienen verändern und dadurch olfaktorisch vermittelte Verhaltensweisen beeinträchtigen.

Ein unerwartetes Ergebnis der Studie war die Beobachtung, dass die Exposition gegenüber Pestiziden und Hilfsstoffen zu einem Anstieg der Amplitude der Elektroantennographie-Reaktionen auf Brut- und Alarmpheromone führte. Dies deutet auf eine erhöhte Empfindlichkeit oder veränderte Selektivität der Geruchsrezeptoren im Geruchssystem gegenüber den getesteten Reizen hin. Bei erwachsenen Bienen ist es wenig wahrscheinlich, dass die Rezeptorzahl zunimmt. Die erhöhte Empfindlichkeit ist daher eher auf Veränderungen der Rezeptorempfindlichkeit, Veränderungen der Expression von Rezeptoren, chemosensorische oder Geruchsstoff-bindende Proteine oder Veränderungen der Signalwege aufgrund der Exposition gegenüber Pestiziden oder Hilfsstoffen zurückzuführen. 
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass Pestizide und Adjuvanzien die Struktur der Antennensensillen stören können, in denen sich Geruchsrezeptorneuronen befinden.

Des Weiteren legen die Studienergebnisse nahe, dass eine Pestizidexposition unterschiedliche Auswirkungen auf verschiedene Sinnesreize haben kann. Selbst wenn sie der gleichen Kombination von Pestiziden und/oder Adjuvanzien ausgesetzt werden, können die Reaktionen von Riechneuronen selektiv beeinflusst werden, was zu inkonsistenten Ausmaßen der störenden Pheromonwahrnehmung führt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Auswirkungen von Pestiziden auf die Sinneswahrnehmung je nach den spezifischen Reizen variieren können.

Honigbienen interagieren und lenken die Organisation ihrer Kolonien mithilfe chemischer Signale, und fast jeder Aspekt ihres Lebens beinhaltet Pheromone. In der aktuellen Studie wurden nur Alarm- und Brutpheromone untersucht, die zur Rekrutierung von Bienen zur Verteidigung gegen Angreifer und zur Larvenpflege zum Einsatz kommen.
Auch andere Pheromonreaktionen können durch die Kombination von Adjuvans und Pestiziden beeinflusst werden, die nicht Untersuchungsgegenstand dieser Studie waren.

Insgesamt deuten die Daten der Studie in Kombination mit den Ergebnissen vorausgegangener Studien darauf hin, dass olfaktorisch vermittelte Kommunikationsdefizite bei Bienen durch Adjuvanzien und Insektiziden ausgelöst werden. Darüber hinaus kann die gleichzeitige Exposition gegenüber mehreren Pestiziden und Hilfsstoffen das Risiko für die Gesundheit dieser Bestäuber erhöhen.

Literaturstelle: 

Wu, WY., Liao, LH., Lin, CH. et al. Effects of pesticide-adjuvant combinations used in almond orchards on olfactory responses to social signals in honey bees (Apis mellifera). Sci Rep 13, 15577 (2023). https://doi.org/10.1038/s41598-023-41818-7

Die Studie ist in vollem Umfang frei zugänglich (Open Access).
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