Veterinärmedikament für Rinder landet bei Bienen

  • Veröffentlicht am: 10.09.2024

Quelle: Obregon et al. 2024/CC BY 4.0 DEED

Die Sammeltätigkeit von Bienen macht sie zu guten Schadstoffdetektoren. Ihre Sammelleidenschaft über ein großes Gebiet sorgt allerdings auch für Belastungen mit Schadstoffen, die ihnen gefährlich werden können und die aus ziemlich unerwarteten Quellen stammen können.

In vielen tropischen Ländern wird Regenwald zugunsten ausgedehnter Weideflächen für die Viehhaltung abgeholzt. Die Umwandlung der ursprünglich natürlichen Landschaft führt zu einem Rückgang der dort lebenden Bienen-Populationen. Zusätzlicher Stress für die Bienen geht durch den Einsatz von Pestiziden aus.

In einer Studie wurde der Einfluss von Weidelandschaften auf Bienenvölker der Stachellosen Tetragonisca angustula untersucht. Berücksichtigung fand auch die Belastung mit Pestiziden.
Im Mittelpunkt der Studie standen 16 Bienenvölker in Landschaften mit unterschiedlichen Weideanteilen.

Das Team der Wissenschaftler wurde von vier unerwarteten Erkenntnisse überrascht: Im Bienenbrot von T. angustula befanden sich gefährlich hohe Konzentrationen von Abamectin. Dabei handelt es sich um einen Wirkstoff, der sowohl in der Veterinärmedizin als auch im Pflanzenschutz angewandt wird und gegen Parasiten gerichtet ist.
Die Studienergebnisse zeigten einen positiven Zusammenhang zwischen dem Anteil der Weideflächen in der Landschaft und der Abamectin-Konzentration. Bienen aus den Landschaften, in denen besonders viele Rinder lebten, zeigten eine erhöhte Toleranz gegenüber Abamectin. Und der Expositionsweg von Abamectin zu den Bienenkolonien stammt wohl aus der Anwendung von Ivermectin auf den Rinderfarmen.

T. angustula ist bei der Nahrungssuche generalistisch; die Weiden im Untersuchungsgebiet wiesen eine Mischung aus Süßgräsern Poaceae und Sauergrasgewächsen Cyperaceae sowie anderen Wildblumen auf; insgesamt genügend Ressourcen, um den Ernährungsbedarf zu decken.
Zwischen der Pollenvielfalt und dem Koloniewachstum fand sich eine positive Korrelation, ohne dass der Anteil der Weideflächen in der Landschaft darauf einen Einfluss hatte.

Analysen fanden mithilfe von Bienenbrot statt. Dabei wurden gefährliche Konzentrationen des weit verbreiteten Insektizids Abamectin (9,6 – 1.856 µg/kg) ermittelt; die Konzentrationen stiegen mit zunehmendem Weideanteil deutlich an.
Frühere Studien von Peterson et al. 2017 und 2022 haben Rückstände von Avermectin in Wildblumen und Wildbienen rund um Höfe mit Viehhaltung nachgewiesen.

Trotz der Abamectin-Exposition zeigten die Bienenvölker keine negativen Auswirkungen auf ihr Wachstum, was auf eine mögliche Toleranzreaktion hindeutet. 
Eine kontinuierliche Exposition gegenüber subletalen Dosen von Avermectinen in Kombination mit bestimmten Pollendiäten könnte zur verringerten Sterblichkeit von T. angustula-Populationen beitragen. Die zugrunde liegenden Mechanismen sind aktuell jedoch unklar. Darüber hinaus ist es wichtig zu beurteilen, ob diese Reaktion vererbbar ist und als Resistenz einzustufen ist. Möglicherweise geht diese Anpassung auch mit einer Verringerung der Lebenserwartung und Fortpflanzung einher, beides wird häufig in Resistenzstudien gegen Insektiziden festgestellt (Freeman et al., 2021).

Abamectin selbst wurde im Untersuchungsgebiet kaum verwendet. Daher hat das Team der Wissenschaftler ein Experiment entwickelt, um Ivermectin zu verfolgen, ein eng verwandtes Antiparasitikum, das häufig bei Rindern eingesetzt wird.
Die Ergebnisse zeigen einen bisher unbekannten Expositionsweg für Bienen gegenüber Pestiziden auf: Das von Rindern ausgeschiedene Ivermectin wird von Pflanzen aufgenommen und in Abamectin umgewandelt und dann von den Bienen bei der Nahrungssuche an den belasteten Blüten aufgenommen.

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass ungeklärte Expositionswege bei Bienen gegenüber Pestiziden noch beschrieben werden müssen, und zeigen gleichzeitig, dass Bienen sich an veränderte Landschaften anpassen.

Zulassungsbehörden müssen ihre Überlegungen zu den Auswirkungen von Agrochemikalien auf Bestäuber erweitern und auch den Verbleib in der Umwelt und die Auswirkungen von Tierarzneimitteln über unterschiedliche Expositionswege einbeziehen, wenn der Schutz der Bestäuber wirkungsvoll umgesetzt werden soll.

Die Studie ist in vollem Umfang frei zugänglich (Open Access).
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