Elektromagnetische Felder stören Honigbienen bei Bestäubung

  • Veröffentlicht am: 01.08.2024

Trotz verlockender Tracht sollten Honigbienen nur mit einigem Abstand von Überlandleitungen entfernt aufgestellt werden. Quelle: ngruendel/Midjourney

Elektromagnetische Felder (EMF) und Honigbienen führen zu so mancher Diskussion abseits wissenschaftlicher Grundlagen. Ein Team südamerikanischer Wissenschaftler hat nun die Wirkung elektromagnetischer Fehler auf Honigbienen untersucht und sollte damit bei diesem emotionalen Themenkomplex zur Aufklärung beitragen können.

Zu den Untersuchungsgegenständen gehörten die Bestäubungseffizienz und das Niveau der Gen- und Proteinexpression in Stoffwechselwegen, die an Stress und Verhaltensreaktionen bei Honigbienen beteiligt sind. Zudem untersuchten die Wissenschaftler die Wirkung von EMF auf das Verhalten von Honigbienen und die Samenproduktion des von Honigbienen bestäubten Kalifornischen Mohns Eschscholtzia californica und schließlich maßen sie die Folgen von Bestäubungsausfällen auf die Pflanzengemeinschaft.

Der Kalifornische Mohn ist eine mehrjährige Pflanze, die überwiegend von Honigbienen und Hummeln bestäubt wird. Honigbienen stellten mit 88 % aller Bestäuber im Untersuchungsgebiet die häufigsten Besucher dar.

Die Studie wurde im chilenischen Quinamavida durchgeführt. Um die Intensität der EMF abzuschätzen, wurden drei Sendemasten mit einer Höhe von 20 m ausgewählt, die mindestens 500 m voneinander entfernt aufgestellt waren.

Messungen an den Untersuchungsorten zeigten, dass die EMF-Intensität um aktive Sendemasten mit zunehmender Entfernung abnahm. In 50 m Entfernung sank die Intensität bereits auf die Hälfte und konnte in 200 m Entfernung praktisch nicht mehr nachgewiesen werden. Die Stärke variierte nicht wesentlich mit der Himmelsrichtung oder zwischen Standorten.

Die Synthese des Stress-Biomarkerproteins Hsp70 war bei Honigbienen, die in unmittelbarer Nähe (10 bis 25 m) zu den Sendemasten gehalten wurden, im Vergleich zu solchen, die weiter (210 bis 235 m) entfernt ihren Aufstellungsort fanden, deutlich ausgeprägter, aber nur, solange die Hochspannungsinfrastruktur auch aktiv Energie übertrug.

Das Expressionsniveau von Hsp70 verdoppelte sich nach 5 Minuten bei Honigbienen in der Nähe aktiver Sendemasten im Vergleich zu dem Niveau, das bei Honigbienen beobachtet wurde, die von diesen entfernt positioniert waren.

Für die im Feld beobachtete Stressreaktion wollte das Team der Wissenschaftler Beweise auf genetischer Ebene finden. Dafür haben sie ein experimentelles Umfeld entwickelt, bei dem ein speziell angefertigtes Magnetventil zum Einsatz kam, mit dessen Hilfe einzelne Honigbienen den im Feld beobachteten EMF-Bedingungen ausgesetzt werden konnten. Für 12 der 14 ausgewerteten Gene wurde eine signifikante unterschiedliche Expression zwischen nicht exponierten und exponierten Honigbienen beobachtet; der Genexpressionseffekt war bei den beiden in die Bewertung einbezogenen funktionellen Gengruppen (Verhaltens- und Stressreaktionsgene) konsistent.

Im Feld waren die Gesamtzahl der Honigbienen und die Besuchshäufigkeit der Honigbienen bei Blüten des Kalifornischen Mohns bei hoher Blütendichte höher als bei geringer Blütendichte, unabhängig von der Entfernung zu Sendemasten. Die Honigbienenhäufigkeit änderte sich mit der Entfernung zu den Sendemasten nicht wesentlich, sowohl bei aktiven als auch bei inaktiven Masten. Allerdings war die Besuchshäufigkeit von Honigbienen bei Kalifornischem Mohn, der weit (210 bis 235 m) von der Basis aktiver Sendemaste entfernt wuchs, um etwa 16 % geringer als bei inaktiven Sendemasten. Ebenso ging der Besuch von Honigbienen beim Kalifornischen Mohn, der in der Nähe (10 bis 25 m) der aktiven Maste wuchs, im Vergleich zu inaktiven Sendemasten stark zurück: durchschnittlich um 308 %.

Nach Feststellung der starken physiologischen und verhaltensbezogenen Auswirkungen von EMF auf Honigbienen sowohl im Labor als auch im Feld untersuchte das Team der Forscher noch nachgelagerte ökologische Auswirkungen auf die Saatgutproduktion: Bei Pflanzen, die sich in der Nähe funkender Masten befanden, hatte die Entfernung zu den Funkmasten den stärksten Einfluss auf die Produktion der Samen. Die negativen Auswirkungen der Nähe zu den Funkmasten auf die Pflanzenreproduktion zeigten sich nur bei der natürlichen Bestäubung, was mit der signifikanten Wechselwirkung beider Faktoren übereinstimmt.

Im Gegensatz dazu wurden bei manuell unterstützter Bestäubung keine Unterschiede in der Samenproduktion zwischen Pflanzen in unterschiedlichen Abständen der Sendemasten festgestellt.

EMF unter Feldbedingungen beeinträchtigt die Bestäubungsleistungen von Honigbienen aufgrund eines mutmaßlichen molekularen Mechanismus, der mit Verhaltens- und physiologischem Stress zusammenhängt. Ein Effekt, der unter Laborbedingungen reproduzierbar war.

Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Exposition von Honigbienen gegenüber EMF ihre Nahrungssuche beeinträchtigt, indem sie die magnetische Navigation, ihr Lernen, ihre Entscheidungsmechanismen, ihren Flug und ihre Nahrungssuche beeinträchtigt, was letztlich zu einer veränderten Bestäubungsaktivität führt. Diese Hypothese würde den beobachteten Rückgang des Blütenbesuchs von Arbeiterinnen in der Nähe aktiver Sendemasten erklären.

Die Exposition gegenüber EMF stellt damit eine erhebliche Belastung für die Physiologie von Honigbienen dar, möglicherweise aufgrund eines Anstiegs der Zelltemperatur und einer Schädigung des Hirngewebes während der Exposition gegenüber EMF. Bei Insekten kann schon ein geringer Anstieg der Körpertemperatur zu Veränderungen im Atmungsstoffwechsel führen und die Funktion des Nerven- und Hormonsystems beeinträchtigen, was sich in den Verhaltensreaktionen von Honigbienen und den zugrunde liegenden Veränderungen in Bezug auf die Gen- und Proteinexpressionsniveaus widerspiegelt.

Die Studie ist in vollem Umfang frei zugänglich (Open Access).
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