Kräuter-Produktion mit einheimischen Bienen steigern
Der Anbau von Arznei- und Gewürzpflanzen könnte mithelfen, den Rückgang bei den Insekten zu stoppen. Im Bild die Schwebfliege Episyrphus balteatus auf einer Leinblüte. Foto: Birgit Bierschenk
Was im kommerziellen Obst- und Gemüseanbau schon länger Praxis ist, wollen Wissenschaftler nun auch für den Anbau von Arznei- und Gewürzpflanzen entwickeln: ein Management-System zur gezielten Bestäubung durch Insekten. So wie Gärtner Hummelkolonien per Versandhandel fürs Gewächshaus bestellen können, so ist Ähnliches auch beim Anbau von Fenchel, Thymian & Co. denkbar. Die Forscher erwarten höhere und womöglich auch qualitativ bessere Erträge, mehr Biodiversität und Vorteile für benachbarte Kulturen und damit für ganze Agrarökosysteme.
Nur etwa 15 Prozent der in Deutschland benötigten pflanzlichen Rohstoffe für die pharmazeutische, kosmetische und Nahrungsergänzungsmittelindustrie kommen heute aus der deutschen Landwirtschaft. Das Potenzial liegt deutlich höher, denn das Interesse der Weiterverarbeiter an zusätzlicher Ware aus Deutschland ist vorhanden. Aktuell werden hierzulande etwa 125 Arten auf rund 12.000 Hektar kultiviert. Für eine Ausweitung des Anbaus gilt es, die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen und die Erträge zu stabilisieren und zu steigern. Hier setzt das Projekt der Universität Bonn an.
Das Projektteam will zudem Grundlagen-Forschung leisten und herausfinden, welche Insekten die etwa 125 in Deutschland angebauten Arznei- und Gewürzkräuter-Arten bestäuben und wie wichtig sie für diese Aufgabe sind. Hierzu gibt es bislang nur wenige Erkenntnisse. Dass Insekten grundsätzlich von den Kräutern profitieren, ist dabei so gut wie sicher. Denn auf dem Acker dominieren heute – mit Ausnahme des Raps – Kulturen, deren Blüten für nektar- und pollensuchende Insekten uninteressant sind.
Tierökologe Andreé Hamm von der Universität Bonn erklärt: „In diesem Projekt wollen wir nicht mit aus Zuchten stammenden Hummelvölkern oder ausschließlich mit Honigbienen arbeiten, sondern vor allem auch mit ehemals einheimischen Arten, die wir fördern bzw. wieder ansiedeln. Dadurch können wir eine Faunenverfälschung auch auf genetischer Ebene ausschließen.“ Projektleiter Ralf Pude ergänzt seine Ausführungen: „Wir planen zudem einen Vergleich mit geförderten, klassischen Agrarumweltmaßnahmen wie Blühstreifen. Eventuell haben Arznei- und Gewürzpflanzen sogar höhere Effekte in punkto Artenvielfalt, gleichzeitig bringen sie aber noch einen wirtschaftlichen Ertrag.“
Die Insekten könnten diesen womöglich deutlich steigern: Aus Untersuchungen ist bekannt, dass sich Insektenbestäubung positiv auf den Ertrag und die Qualität von Obst- und Gemüsekulturen auswirkt. Erste Untersuchungsergebnisse zeigen eine solche Tendenz auch für Arzneipflanzen wie Fenchel und Lein auf.
Das jetzt begonnene Projekt wird vom Forschungsbereich Nachwachsende Rohstoffe/Arzneipflanzen und der Professur für Agrarökologie und Organischen Landbau der Universität Bonn durchgeführt. Die Forscher erfassen über drei Jahre das Spektrum der Blütenbesucher und -bestäuber auf den Versuchskulturen Fenchel, Lein und Bohnenkraut. Bei diesen drei Arten findet Saatgutvermehrung in Deutschland statt und alle zeichnen sich bislang durch stark schwankende Erträge aus. Die Forscher untersuchen den Einfluss der Insektenbestäubung auf die Erntemengen und -qualitäten, die Möglichkeit, die fliegenden Helfer gezielt zu fördern und ihre Effekte auf benachbarte Kulturen und großräumigere Agrarökosysteme. Die Gesamtergebnisse sollen in Praxisanleitungen und möglichst auch in Maßnahmen zum Erhalt der Biodiversität einfließen.