Brutbiologie und Verbreitung der Mauerbiene Osmia uncinata
Ein Weibchen von Osmia uncinata an ihrem unscheinbaren Nesteingang. Foto: Müller et al. 2020, CC BY 4.0
Osmia (Melanosmia) uncinata zählt zu den paläarktischen Megachilidae, die vom gemäßigten Nordeuropa nach Osten bis in den russischen Fernen Osten verbreitet ist. Die Entdeckung von über 80 Nestern in der Schweiz, in Süddeutschland und in Schottland ermöglichte erstmals eine genauere Untersuchung der Brutbiologie und veranlasste die Bewertung der Phänologie, Verbreitung und des Lebensraums der Art.
Die Mauerbiene O. uncinata nistete in selbst gegrabenen Höhlen in der Rinde sowohl lebender Stämme als auch toter Stümpfe von Waldkiefern Pinus sylvestris. Die Nester wurden in einer Höhe von 10 – 220 cm über dem Boden angelegt. Sie bestehen aus einem einzelnen geraden bis leicht gekrümmten Bau mit selten ein bis drei Seitenhöhlen. Die Gesamtlänge variiert zwischen 1,2 bis 12,0 cm. Die Nistgänge enthalten ein bis sechs Brutzellen. Die Brutzellen werden durch einschichtige Wände aus gekauten Blättern voneinander getrennt. Die Nester werden schließlich mit einem Stopfen aus zwei bis vier dicht nebeneinanderliegenden Wänden aus Blattpulpe versiegelt. Dazu werden Blätter von Fingerkräutern Potentilla und Erdbeeren Fragaria genutzt.
Die präimaginale Mortalität der Larven beträgt 77 %, was teilweise auf Brutparasiten wie die Keulenwespe Sapyga similis und die Taufliege Cacoxenus indagator oder Raubtiere wie Kamelhalsfliegen zurückgeführt werden konnte.
In niedrigen Lagen benötigt O. uncinata ein Jahr Entwicklungszeit und überwintert als Imago im Nest, während die Biene in der subalpinen Zone der Alpen einen Zweijahreszyklus aufweist. Den ersten Winter durchläuft sie im Vorpuppenstadium und erst den zweiten Winter als Imago.
Geeignete Nistplätze limitieren Verbreitung
O. uncinata tritt zwischen Ende März in niedrigen Lagen und Ende Mai in höheren Lagen auf und gilt als früh fliegende Biene so wie andere europäische Mauerbienen-Spezies. Die Verbreitung von O. uncinata in Mitteleuropa und Schottland fällt weitgehend mit dem Auftreten von Waldkiefern zusammen. Die Bäume erstrecken sich über einen weiten Höhenbereich von unter 100 m bis 1900 m über dem Meeresspiegel und umfassen trockene und nasse sowie warme und kalte Lebensräume.
Osmia uncinata weist in Mitteleuropa aufgrund ihrer Spezialisierung auf Bestände von Waldkiefern eine uneinheitliche Verbreitung auf. Die Biene tritt normalerweise nur in geringer Dichte auf, wodurch sie lokal vom Aussterben bedroht ist. In der Folge steht sie in vielen Ländern auf der Roten Liste.
Vielversprechende Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der Populationen der seltenen Biene bestehen vor allem in einer Erhöhung geeigneter Nistplätze, indem etwa Kiefernbestände ausgedünnt werden, um einzelnen Bäumen von Pinus sylvestris direktem Sonnenlicht auszusetzen.
Die ausgeprägte Präferenz von O. uncinata für dickrindige Waldkiefern scheint der Hauptfaktor für den Lebensraum der Biene in Mitteleuropa zu sein. Kiefern, die in besonderem Maße Sonne und Wetter ausgesetzt sind, bilden eine besonders dicke Rinde.
In höheren Lagen über 1500 m in der subalpinen Zone der Schweizer Alpen (Lötschental, Obergoms, Val Müstair) gibt es einige zuverlässige Aufzeichnungen über O. uncinata an Orten, an denen Waldkiefern nicht vorkommt. Dort weicht die Biene wohl aufgrund der Dicke und Konsistenz der Rinde auf die Europäische Lärche Latrix decidua als Ersatznestsubstrat aus.
Eine ausreichende Menge geeigneter Pollenwirtspflanzen in der Nähe der potenziellen Nistplätze tut ihr Übriges; hier sind vor allem Pflanzen der Gattung Hornklee Lotus und Pflanzen der Gattung Hippocrepis zu benennen.
Müller A, Prosi R, Taylor S, Richter H, Herrmann M, Weibel U (2020) Unique nesting biology of Osmia ( Melanosmia) uncinata, a Palaearctic osmiine bee specialized on thick-barked conifers (Hymenoptera, Megachilidae). Alpine Entomology 4: 157-171.