Einige Neonicotinoide sind für Bienen giftiger als andere

  • Veröffentlicht am: 07.05.2020

CYP9Q3 sorgt bei Honigbienen für Toleranz gegenüber Thiacloprid. Foto: Bayer Bee Care Center

Die Pestizidklasse der Neonicotinoide hat nicht gerade den Ruf, der Gesundheit von Bienen dienlich zu sein. Ganz im Gegenteil zielt ihr Wirkmechanismus doch darauf, das Nervensystem von Insekten massiv zu schädigen. Gleichwohl zeigen einzelne Neonicotinoide eine unterschiedliche Toxizität bei Bienen. Forscher haben in ihrem Studienergebnis nun davon berichten, warum dies so ist.

Unterschiede in der Empfindlichkeit auf einzelne Neonicotinoide sind auf die Art und Weise zurückzuführen, wie Stoffwechselenzyme abgebaut werden, die Giftstoffe im Körper der Bienen abbauen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass es möglich sein könnte, spezifisch Pestizide zu entwickeln, die grundsätzlich für Insekten tödlich sind, nicht aber für Bienen, sind die Forscher überzeugt.

„Honigbienen zeigen sich mehr als 1000-mal weniger empfindlich gegenüber dem Neonicotinoid Thiacloprid als gegenüber Imidacloprid, wobei letzteres als ‚hochgiftig‛ eingestuft wurde, aber ersteres laut den offiziellen Kategorien der US-amerikanischen Environmental Protection Agency (EPA) als ‚nur leicht giftig‛ oder ‚praktisch ungiftig‛“, sagt Chris Bass von der Universität Exeter. „Anhand genomischer Informationen und modernster molekularer und biochemischer Techniken zeigen wir, dass diese Selektivität sowohl bei Honigbienen als auch bei Hummeln durch eng verwandte Enzyme bestimmt wird, die Thiacloprid rasch abbauen, bevor es auf das Nervensystem der Bienen einwirkt. Dieselben Enzyme besitzen wenig oder gar keine Fähigkeit, Imidacloprid abzubauen – was die Unterschiede in der Empfindlichkeit bei den Bienen gegenüber diesen Verbindungen erklärt.“

Die in Frage stehenden Enzyme sind Mitglieder einer Unterfamilie von Enzymen, die als Cytochrom P450s bekannt sind. Frühere Studien haben gezeigt, dass sie die Bienen von Insektiziden entgiften, die von Imkern verwendet werden, um ihre Bienenvölker gegen die parasitären Varroa-Milben zu behandeln.

In der aktuellen Studie suchten die Forscher in ihren Tests zunächst Unterschiede, wie Thiacloprid und Imidacloprid an den Proteinrezeptoren in den Köpfen der Bienen gebunden werden. Es zeigten sich jedoch keine Unterschiede in der Rezeptorbindung bei beiden Pestiziden.

Um mögliche Unterschiede in der Art und Weise zu untersuchen, wie metabolische Enzyme die beiden Pestizide abbauen, behandelten die Forscher die Bienen zuerst mit einer Chemikalie, von der bekannt ist, dass sie die Funktion der P450-Enzyme blockiert. Dabei zeigte sich, dass Honigbienen und Hummeln ohne die P450-Enzyme sehr viel sensibler gegenüber Thiacloprid wurden. Die Behandlung änderte aber ihre Empfindlichkeit gegenüber Imidacloprid nicht wesentlich.

Laboruntersuchungen an Zellen stellten einen Zusammenhang her zwischen den Unterschieden in der Empfindlichkeit der Honigbienen und der Funktion des P450-Enzyms CYP9Q3. Um zusätzliche Beweise dafür zu erhalten, dass CYP9Q3 bei Honigbienen für die Toleranz gegenüber Thiacloprid sorgt, entwickelten die Forscher gentechnisch veränderte Fruchtfliegen. In ihnen wurden verschiedene P450-Enzyme der Honigbienen implementiert, um anschließend ihre Empfindlichkeit gegenüber den einzelnen Pestiziden zu testen. Die Untersuchungsreihe bestätigte, dass CYP9Q3 das Schlüsselenzym ist. Die Forscher fanden des Weiteren heraus, dass Hummeln ein eng verwandtes P450-Enzym namens CYP9Q4 besitzen, das ähnliche Unterschiede in ihrer Empfindlichkeit gegenüber Pestiziden erklärt.

„Wir haben dieselbe Enzymunterfamilie identifiziert, die Thiacloprid in zwei verschiedenen Bienenarten abbaut, was die Hoffnung weckt, dass dieser Mechanismus in anderen Bienenarten evolutionär konserviert ist“, so Lin Field von Rothamsted Research. „Wir haben auch festgestellt, dass diese Schlüsselenzyme im Malpighisches Gefäß – dem Insektenäquivalent zu den Nieren – und/oder im Gehirn, in dem die Neonicotinoide wirken, in besonders hohen Konzentrationen vorkommen.“

Die Ergebnisse deuten auf Strategien zum aktuellen Schutz von Bienen hin. Zum Beispiel hemmen bestimmte Fungizide, die P450-Enzyme. Daher sollten diese Fungizide nie in Kombination mit Neonicotinoiden zur Anwendung gelangen.

Die Forscher sind überzeugt, dass einfache Screenings helfen könnten, Verbindungen oder Kombinationen von Verbindungen zu identifizieren, die eine geringere Toxizität bei Bienen aufweisen. So könnten schon in frühen Entwicklungsstadien einzelne Bestäuber gezielt geschützt werden. Die genetisch veränderten Fruchtfliegen, die die Forscher entwickelt haben, können nun auch in weiteren Studien verwendet werden, um künftige Insektizide zu identifizieren, die gegen Schädlinge wirksam sind, aber von Bienen zugleich leicht abgebaut werden können.

Die Studie wurde überwiegend von Forschern der Bayer AG durchgeführt und auch von dem Unternehmen finanziert.

Die Studie ist in vollem Umfang frei zugänglich (Open Access).
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