Insektenvielfalt leidet auch unter Verstädterung
Nicht nur Monokulturen, auch Beton in Städten setzt Insekten zu. Foto: Gerd Altmann/Pixabay
Das Insektensterben wird bisher auf Veränderungen der Landnutzung zurückgeführt, insbesondere die Zunahme großer Monokulturen wie Mais und Raps, aber auch den Klimawandel mit vermehrter Hitze und Trockenheit. Und die Verstädterung scheint ein weiterer Schlüsselfaktor für das Insektensterben zu sein, wie eine Studienveröffentlichung nahelegt, in der erstmals die Auswirkungen von Klima und Landnutzung auf Insekten getrennt wurden.
Weltweit sind Menge und Vielfalt bei Insekten rückläufig.
Die bisherigen Analysen weisen jedoch Schwächen auf, wie Professor Jörg Müller von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg erklärt, denn die zugrundeliegenden Studien würden bislang unter anderem die Vielfalt der Insektenspezies nicht gut genug abbilden oder nur kurze Zeiträume und kleine Gebiete berücksichtigen.
Diesen Nachteil wollte das Forschungsteam der aktuellen Studienveröffentlichung zumindest teilweise beheben: Von Unterfranken bis nach Oberbayern platzierte das Team im Frühjahr 2019 Fallen zum Sammeln fliegender, krabbelnder und springender Insekten. Diese Malaise-Fallen befanden sich an 179 Standorten, vom Flachland bis über 1.100 Meter Höhe im Bayerischen Wald und in den Alpen. Sie standen in Wäldern, auf Wiesen und Äckern sowie in Siedlungen, eingebettet in naturnahe, landwirtschaftliche und urbane Landschaften.
Eine gesamte Vegetationsperiode lang leerten die Forscher alle 14 Tage die Fallen. Sie bestimmten die Biomasse der gefangenen Insekten und identifizierten die einzelnen Arten mittels DNA-Sequenzierung.
Insekten profitieren von höheren Temperaturen
„In dieser Studie konnten wir zum ersten Mal die Auswirkungen von Klima und Landnutzung auf Insekten in einer mitteleuropäischen Landschaft voneinander trennen“, erklärt Jörg Müller. „Interessanterweise haben die Temperatur am Standort sowie die durchschnittliche Jahrestemperatur ausschließlich positive Auswirkungen auf die Biomasse und die Vielfalt der Insektenpopulationen. Die Form der Landnutzung dagegen wirkt sich unterschiedlich auf Biomasse und Diversität aus“.
„Den größten Unterschied bezüglich der Insektenbiomasse fanden wir zwischen naturnahen und städtischen Gegenden. In der Stadt war die Biomasse um 42 Prozent niedriger. Die Insektenvielfalt war dagegen im Agrarbereich im Vergleich zu naturnahen Lebensräumen um 29 Prozent geringer. Von bedrohten Arten fanden wir in Agrarräumen sogar 56 Prozent weniger“, fasst Studienautor Johannes Uhler von der Universität Würzburg die Ergebnisse zusammen. „Diese gegensätzlichen Muster für die Biomasse und die Artenvielfalt sind ein wichtiges Warnsignal für uns Forschende.“ Man dürfe beim Insektenmonitoring aus einem Rückgang der Biomasse nicht darauf schließen, dass dies auch eine Abnahme der Artenvielfalt bedeutet und umgekehrt.
Die Verstädterung ist ein weiterer Schlüsselfaktor, der Insekten das Überleben schwermacht.
Auf Grundlage seiner neuen Erkenntnisse empfiehlt das Forschungsteam daher, in urbanen Lebensräumen mehr Grünflächen zu schaffen, um die Biomasse an Insekten zu erhöhen. Bestehende Agrarumweltprogramme sollten zur Verbesserung der Biodiversität weiter ausgebaut und Waldlebensräume gefördert werden.
Uhler, J., Redlich, S., Zhang, J. et al. Relationship of insect biomass and richness with land use along a climate gradient. Nat Commun 12, 5946 (2021). https://doi.org/10.1038/s41467-021-26181-3