Künstliches Licht beeinflusst sogar Bestäubung am Tag

  • Veröffentlicht am: 14.05.2021

Ziemlich hell bei Nacht: Die Vereinigten Staaten. Foto: NASA/Unsplash, CC0

Straßenlaternen verändern die Anzahl der Blütenbesuche von Insekten nicht nur nachts, sondern auch tagsüber. Künstliches Licht in der Nacht beeinflusst somit indirekt die gesamte Gemeinschaft von Bestäubern und Pflanzen – mit unbekannten Folgen für das Ökosystem.

In den letzten Jahren hat die Verbreitung von künstlichem Licht weltweit weiter zugenommen. Dies hat aber negative Konsequenzen für das Überleben und die Fortpflanzung von nachtaktiven Organismen. Wichtige ökologische Prozesse wie die Bestäubung von Pflanzen durch nachtaktive Insekten werden durch künstliches Licht beeinträchtigt, was Folgen für den Ertrag landwirtschaftlicher Kulturen und die Fortpflanzung von Wildpflanzen haben kann.

Nun hat ein Team von Wissenschaftler gezeigt, dass künstliches Licht nachts das Bestäubungsverhalten der Insekten auch während des Tages beeinträchtigt. In einem Experiment haben sie natürliche Pflanzen-Bestäuber-Gemeinschaften auf sechs Naturwiesen nachts mit handelsüblichen Straßenlaternen beleuchtet. Sechs weitere Naturwiesen blieben im Dunkeln. In ihrer Analyse konzentrierte sich das Forschungsteam auf 21 natürlich vorkommende Pflanzenarten sowie auf die Insektengruppen der Zweiflügler Diptera, der Hautflügler Hymenoptera und der Käfer Coleoptera.

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass künstliches Licht in der Nacht je nach Pflanzenart die Anzahl der Pflanzen-Bestäuber-Interaktionen während des Tages verändert“, so Eva Knop von der Universität Zürich und von Agroscope. So erhielten drei Pflanzenarten tagsüber signifikant weniger und eine weitere Art leicht weniger Bestäubungsbesuche. Eine andere Pflanzenart dagegen wurde mit LED-Licht viel mehr und eine weitere etwas mehr besucht.

Interessanterweise war auch die Aktivität der nachtaktiven Bestäuber bei künstlichem Licht verschieden: Zum Beispiel wurde der Wald-Storchschnabel Geranium sylvaticum in beleuchteten und dunklen Wiesen gleich häufig besucht, die Insekten unterschieden sich jedoch: Während die Zweiflügler die Beleuchtung mieden, wurden die Käfer eher angezogen. Ähnliche Tendenzen gab es auch bei zwei weiteren Pflanzenarten.

Bisher wurden indirekte ökologische Effekte der Lichtverschmutzung übersehen und vernachlässigt. „Da Insekten eine zentrale Rolle in der Bestäubung von Kultur- und Wildpflanzen spielen und auch unabhängig von künstlichem Licht durch die Zerstörung des Lebensraums und den Klimawandel bedroht sind, ist es wichtig, diese indirekten Mechanismen zu klären“, so Eva Knop.

Basierend auf den Ergebnissen fordern Eva Knop und ihre Kollegen: „Die ökologischen Folgen der Lichtverschmutzung sollten stärker erforscht und Massnahmen entwickelt werden, um negative Auswirkungen auf die Umwelt zu verhindern.“ Auch wenn künstliches Licht aus besiedelten Gebieten kaum wegzudenken sei, gäbe es Möglichkeiten dafür zumindest die öffentliche Beleuchtung in Kombination mit neuen Technologien sorgfältig zu planen und auf ein Minimum zu reduzieren.

Literaturstelle: 

Giavi, S., Fontaine, C. & Knop, E. Impact of artificial light at night on diurnal plant-pollinator interactions. Nat Commun 12, 1690 (2021). https://doi.org/10.1038/s41467-021-22011-8

Die Studie ist in vollem Umfang frei zugänglich (Open Access).
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