Fungizide und Bienen

  • Veröffentlicht am: 13.10.2022

Die meisten Bienen kommen in der Umwelt mit einem Cocktail unterschiedlicher Pestizide in Kontakt. Foto: Dwayne Madden/Flickr, CC BY 2.0

Fungizide besitzen einen Anteil von mehr als 35 % am globalen Pestizidmarkt. Sie werden üblicherweise während der Blüte angewendet, wenn diese mit einer hohen Wahrscheinlichkeit von Bienen aufgesucht werden. Es ist weitgehend unbekannt, wie Fungizide in der Umwelt gegenüber Bienen wirken.

Fungzide können allein oder in Kombination mit anderen Stressoren eine Bedrohung für die Gesundheit von Bienen sein. In einer aktuellen Metastudie wurden Studien aus der Vergangenheit ausgewertet, bei denen Daten zur Exposition gegenüber Fungiziden bei Bienen im Feld erhoben worden waren. Von den 702 Veröffentlichungen enthielten 76 Studien quantitative Daten zu Rückstandsnachweisen in Honigbienen und weitere 47 Studien lieferten qualitative Informationen über die Exposition gegenüber einer Reihe von Bienentaxa.
Insgesamt konnten so Daten für 90 Fungizide und Metaboliten zusammengestellt werden, die in Honig, Bienenbrot, Pollen, Bienenwachs und Honigbienen selbst nachgewiesen wurden.

Die von Fungizidrückständen ausgehenden Risiken für Honigbienen wurden mit dem „Risk Quotient“ (RQ) nach EPA, der United States Environmental Protection Agency, abgeschätzt. Die Konzentrationen in Honig, Pollen und Bienenbrot waren in keinem Fall besorgniserregend. In drei Fällen bei Honigbienen und in 12 Fällen bei Wildbienen wurden jedoch die chronische LOC („Level of Concern“) der Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) überschritten.
Betrachtet man die Exposition gegenüber allen Bienen, gehören zu den besorgniserregendsten Fungiziden viele systemische Breitbandfungizide sowie das weit verbreitete Kontaktfungizid Chlorothalonil.

Insgesamt scheint die Exposition von Bienen gegenüber Pestizidmischungen in ihrer natürlichen Umgebung eher die Norm als die Ausnahme zu sein, mit vielen möglichen Kombinationen dieser Giftstoffe.

Bienen sind daher in den meisten Umgebungen chronisch niedrigen oder moderaten Mengen an Fungizidrückständen ausgesetzt und die Belastungen mit höheren Konzentrationen nimmt zu, wenn Landschaften intensiv genutzt werden, insbesondere in Weinbergen, auf Obstplantagen oder beim Anbau von Kartoffeln.

Pollen und Nektar werden leicht kontaminiert. Im Mittelpunkt stehen systemische Breitspektrum-Fungizide, wie Azoxystrobin, Boscalid, Carbendazim und viele Conazol-Fungizide sowie das weit verbreitete Fungizid Chlorothalonil.

Die Sterblichkeit sollte jedoch nicht der einzige Parameter sein, der bei der Risikobewertung berücksichtigt wird. Bei der Risikobewertung der Fungizidwirkung auf Bienen sollte auch eine kombinatorische Wirkung mit anderen Pestiziden, Parasiten wie der Varroa-Milbe Varroa destructor oder Krankheitserregern wie Nosema spp. für alle Entwicklungsstadien und Kasten von Bienen – von der Brut bis zur Königin – berücksichtigen; dazu kommen subletale Wirkungen auf Verhalten, Immunität und Kolonieentwicklung bei sozialen Bienenarten.

Das Team der Wissenschaftler hat noch eine Reihe großer Wissenslücken zum Verständnis der Exposition gegenüber Fungiziden bei Bienen ausgemacht:

  • Die bisherigen Studien sind geografisch begrenzt; sie wurden in Nordamerika und Europa durchgeführt.
  • Ob einige Fungizide Bienen anlocken oder abschrecken können, ist bisher kaum bekannt.
  • Die verfügbaren Daten zu den am häufigsten in Honigbienen nachgewiesenen Pestizidkombinationen sind unvollständig; es ist sogar anzunehmen, dass zu viele Mischungen gemeldet werden, für die synergistische Auswirkungen bereits bekannt sind: für andere dagegen nicht.
  • Die potenziellen Auswirkungen gegenüber Pestizid-Cocktails in feldrelevanten Konzentrationen sollten bewertet werden und in die Anwendungspraxis einfließen.
  • Im Vergleich zu Honigbienen fehlt es an ausreichendem Verständnis, wie und in welchem Umfang Wildbienen von Fungizidrückständen und kombinatorischen Wirkungen betroffen sind.
Die Studie ist in vollem Umfang frei zugänglich (Open Access).
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