Glyphosat beeinträchtigt Brutpflege bei Hummeln

  • Veröffentlicht am: 09.06.2022

Belastungen mit Glyphosat ändern nicht die Lebensdauer bei Hummeln, wohl aber ihre Fähigkeit, für genügend Nachkommen zu sorgen. Foto: Niels Gründel

Hummeln, die Glyphosat ausgesetzt sind, können Zeiten knapper Ressourcen erheblich schlechter durchstehen. Die Völker haben erhebliche Probleme mit der Wärmeregulation für die Nachkommen.

Der Rückgang der Insekten und insbesondere der bestäubenden Insekten bedroht Ökosysteme und Volkswirtschaften auf der ganzen Welt. Der immer weiter zunehmende Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft gilt als ein Treiber dieses Phänomens. 

Das weltweit am meisten verwendete Herbizid Glyphosat ist beim Rückgang bestäubender Insekten möglicherweise stärker beteiligt als bisher bekannt. Zu diesem Schluss gelangt eine Studie, bei der die Fähigkeit von Hummel-Kolonien untersucht wurde, die Temperatur ihrer Brut zu regulieren. 

Hummel-Völker, die über ausreichend Nektar als Energieträger verfügen, halten ihre Brut konstant auf etwa 32 Grad. „So wie wir Menschen unsere Körpertemperatur konstant halten, so zeigen die Tiere einer Kolonie kollektiv Homöostase in der Temperaturregulation ihrer Brut“, erklärt Studienautorin Dr. Anja Weidemüller von der Universität Konstanz. Diese gemeinsame Wärmeregulation ist für die Entwicklung der Völker von herausragender Bedeutung. Nur bei solch hohen Temperaturen entwickelt sich die Brut schnell vom Ei zur Hummel und die Kolonie von einer einzelnen Königin zu einem Volk mit mehreren hundert Tieren. Die aktuelle Studie zeigt nun einen deutlichen Einfluss von Glyphosat auf die kollektive Wärmeregulationsfähigkeit von Hummel-Kolonien.

„Wenn die Ressourcen knapp werden, sieht man sehr deutlich, dass Kolonien, die chronisch Glyphosat ausgesetzt waren, eine Beeinträchtigung im kollektiven Wärmeverhalten zeigen“, so Anja Weidenmüller. „Sie sind weniger lang in der Lage, ihre Brut warm zu halten.“
Diese Auswirkung ist das Hauptergebnis der Studienarbeit. „Hummel-Kolonien stehen unter ganz enormen Druck, innerhalb kurzer Zeit möglichst schnell groß zu werden“, so Anja Weidenmüller. Wird die notwendige Bruttemperatur nicht gehalten, entwickelt sich die Brut langsamer oder gar nicht. Das limitiert das Wachstum der Kolonie. „Nur wenn sie während der relativ kurzen Wachstumsperiode eine gewisse Koloniegröße erreichen, sind sie in der Lage, Geschlechtstiere, also Königinnen und Drohnen, zu produzieren.“

In Zeiten von Ressourcenknappheit können mit Glyphosat belastete Hummel-Kolonien ihre Brut schlechter oder sogar gar nicht warmhalten. Aufgrund der in Deutschland vorherrschenden Agrarlandschaft stehen den Insekten weniger Wildblüten zur Verfügung, sodass es vermehrt zur Ressourcenknappheit kommt. „Das Zusammentreffen von Ressourcenknappheit in ausgeräumten Agrarlandschaften und Pestiziden kann daher ein massives Problem für die Fortpflanzung der Kolonie darstellen“, ist Anja Weidenmüller überzeugt.

Es lohne sich, genauer hinzuschauen. Denn bisher wird in Zulassungsverfahren lediglich getestet, wie viele Tiere nach Fütterung oder Kontakt mit einer Substanz nach 24 oder 48 Stunden gestorben sind. „Subletale Effekte, also Effekte auf Organismen, die nicht tödlich sind, sich aber zum Beispiel in der Physiologie oder im Verhalten zeigen, können erhebliche Beeinträchtigungen abbilden und sollten bei Zulassungen von Pestiziden zukünftig mit in Betracht gezogen werden“, fordert Anja Weidemüller. In der Studie lebten auch die mit Glyphosat belasteten Hummeln im Schnitt 32 Tage, erreichten also ein durchschnittliches Hummel-Alter.

Der Zugang zur Studie ist beschränkt (Paywall).
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