Genetische Signaturen weisen Streßfaktoren nach
Von manchen Faktoren sind Hummeln besonders gestresst. Foto: Judy Gallagher/Flickr, CC BY 2.0
Die Landschafts-Transkriptomik ist eine neue Methode zur Untersuchung von Genexpressionsmustern, die wahrscheinlich Stressursachen bei Hummeln identifizieren kann, um so letztlich Aufschluss darüber zu geben, warum Hummel-Populationen insgesamt zurückgehen.
Die aktuelle Studie ist ein erster Aufschlag für das noch junge Forschungsgebiet der Landschafts-Transkriptomik, das erst kürzlich von einem interdisziplinären Team unter der Leitung von Wissenschaftlern der Pennsylvania State Universität ins Leben gerufen wurde. Das Team stellte die Hypothese auf, dass es möglich ist, Tiere und Pflanzen in freier Wildbahn zu sammeln und anhand spezifischer Muster oder Signaturen in ihren Genexpressionsprofilen zu bestimmen, welchen Stressfaktoren sie ausgesetzt waren.
In ihrer Studie nutzten die Wissenschaftler Maschinelles Lernen, um Genexpressionsprofile einzelner Hummeln zu bewerten. Die Forscher fanden heraus, dass die Methode genetische Signaturen von Stressfaktoren wie übermäßiger Hitze und Kälte bei Bienen sowohl im Labor als auch in freier Wildbahn präzise identifizieren konnte.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Landschafts-Transkriptomik genutzt werden könnte, um Schutzbemühungen für gefährdete Arten zu beschleunigen.
„Dies ist ein wichtiger Schritt, um diese neue Strategie zur Identifizierung gefährdeter Populationen zu demonstrieren und zu zeigen, wie diese Modelle des Maschinellen Lernens sowohl im Labor als auch im Freiland eingesetzt werden können“, so Gabriela Quinlan von der Pennsylvania State Universität. „Wir haben außerdem direkt anwendbare Erkenntnisse gewonnen, beispielsweise Gensätze, die mit verschiedenen Stressfaktoren bei Hummeln assoziiert sind, die uns bisher nicht zur Verfügung standen.“
Viele Bienenarten – wie auch andere Pflanzen- und Tierarten – sind derzeit weltweit rückläufig, so die Forscher. Dies deutet darauf hin, dass etwas genügend Stress verursacht, um den Populationsrückgang auszulösen. Es kann jedoch schwierig sein, genau zu verstehen, welche Stressfaktoren dies sind.
Hier kommt nun die Landschafts-Transkriptomik ins Spiel. „Sie ähnelt der forensischen Biologie: Man kann die Genexpressionsmuster eines Organismus untersuchen und eine Signatur oder einen Fingerabdruck identifizieren, der mit dem Stress in Zusammenhang steht, dem er ausgesetzt ist“, erklärt Professorin Christina Grozinger von der Pennsylvania State Universität. „Die Landschafts-Transkriptomik sollte es uns ermöglichen, gestresste Populationen von Zielarten viel schneller zu identifizieren als herkömmliche Methoden, die das Sammeln und Analysieren vieler Proben über lange Zeiträume erfordern.“
Frühere Studien haben gezeigt, dass es möglich ist, transkriptionelle Signaturen spezifischer Stressfaktoren in Organismen nachzuweisen, die im Labor unter streng kontrollierten Bedingungen gezüchtet und behandelt wurden. Das Forschungsteam wollte nun prüfen, ob die Methode auch bei wildlebenden Organismen anwendbar ist.
„In typischen Laborstudien verwenden wir Organismen mit gleichem genetischen Hintergrund, gleichem Alter, gleicher Aufzucht und die in streng kontrollierten Mengen und Zeiträumen Stressoren ausgesetzt sind“, so Christina Grozinger. „Aber wenn wir Organismen aus der freien Natur sammeln, wissen wir nichts über sie oder die Stressoren, denen sie ausgesetzt waren. Daher waren wir neugierig, ob wir diese spezifischen stressbedingten transkriptionellen Fingerabdrücke dennoch erkennen können.“
Für die Studie führten die Forscher zunächst ein Laborexperiment durch, bei dem sie Gemeine Östliche Hummeln Bombus impatiens verschiedenen Stressoren aussetzten, darunter Hitze, Kälte und Immunreaktionen. Anschließend extrahierten und analysierten sie die RNA der Bienen – das genetische Material, das zum Aufbau von Proteinen und zur Regulierung biologischer Funktionen dient.
Dadurch erhielten die Forscher Informationen über die Anzahl der RNA-Stränge, die jedem Gen entsprechen, was die Genexpressionsmuster repräsentiert. Die RNA-Profile von Individuen, die verschiedenen Stressoren ausgesetzt waren, wurden anschließend verwendet, um ein maschinelles Lernmodell zu trainieren. Ziel war es, die mit den jeweiligen Stressoren assoziierten Genexpressionsmuster zu erkennen.
Eine Stärke dieser Studie, so Gabriela Quinlan, sei der Ansatz gewesen, das maschinelle Lernmodell zu trainieren, um die unterschiedlichen genetischen Signaturen der einzelnen Stressoren zu erkennen: „Wir wissen, dass Organismen in der Natur mehreren Stressoren gleichzeitig ausgesetzt sind. Wie können wir also einen Stressor von einem anderen unterscheiden? Wir verwendeten einen Algorithmus, der alle Eingaben aller Gene berücksichtigt und die Muster findet, die sich bei den Bienen unter den jeweiligen Stressoren ergeben. So konnten wir ein Modell mit einer Genauigkeit von 92 % erstellen, das wir dann zur Bewertung von Wildbienen nutzen konnten.“
Für ihr zweites Experiment sammelte das Team Wildbienen an zwei Standorten: einem im Arboretum der Pennsylvania State Universität und einem weiteren in einem bewaldeten, bergigeren Gebiet.
Die Standorte wurden so gewählt, dass die Hummeln unterschiedlichen Stressfaktoren ausgesetzt waren – die Bienen im Arboretum hatten Zugang zu üppigen Blüten und viel Sonne, während die Bienen des zweiten Standorts in einer schattigeren Gegend lebten und ihnen wahrscheinlich weniger Blüten zum Sammeln zur Verfügung standen.
Nach der Analyse der Transkriptome dieser Bienen stellten die Forscher fest, dass das Modell die Stressfaktoren, denen die Bienen ausgesetzt waren, erneut sehr genau vorhersagte. Die Forscher stellten jedoch fest, dass diese Signaturen in der RNA der Bienen nicht lange Bestand hatten. Bei Hummeln, die am Morgen nach einer Hitzewelle gesammelt wurden, nachdem sich die Außentemperaturen wieder normalisiert hatten, waren die genetischen Signaturen für Hitzestress nicht mehr sichtbar.
Dies bedeutete aber auch, dass die Forscher präzise Details über den Tagesablauf der Bienen gewinnen konnten. Sie entdeckten beispielsweise, dass viele Hummeln beim Sammeln am Morgen Anzeichen von Hungerstress aufwiesen, im Gegensatz zum Abend. Dies könnte Aufschluss darüber geben, wie Bienen Nahrung suchen und welche Motivation sie dafür haben.
Zukünftig könnte das Modell darauf trainiert werden, Stressfaktoren zu erkennen, denen Bienen über längere Zeiträume ausgesetzt waren.
„Die ursprüngliche Motivation für diese Studie war es, länger anhaltende Signaturen zu untersuchen, um herauszufinden, was diese Bienen langfristig stresst und möglicherweise zum Populationsrückgang beiträgt“, erläutert Gabriela Quinlan. „Die Transkriptomik ist sehr präzise, da sie das aktuelle Geschehen erfasst. Daher könnte es darauf ankommen, diese Modelle darauf zu trainieren, die längerfristigen, subtileren Unterschiede zu erkennen.“