Vererbung altruistischen Verhaltens von den Müttern

Alle Arbeiterinnen teilen die Gene der Mutter als einheitliche Basis. Foto: Meggyn Pomerleau/Unsplash
Echter Altruismus ist bei Tieren ein seltenes Verhalten, doch Honigbienen weisen dieses Merkmal auf. Und ein evolutionärer Kampf der Genetik bestimmt wohl, von welchem Elternteil Arbeiterinnen es letztlich erben.
Ein Team von Forschern untersuchte die Genetik der Folgsamkeit der Arbeiterinnen bei Honigbienen gegenüber ihrer Königin. Wenn Arbeiterbienen dem Pheromon der Bienenkönigin ausgesetzt werden, legen sie ihre eigenen Eierstöcke still, helfen bei der Verbreitung des Königinnen-Pheromons an die übrigen Arbeiterinnen und kümmern sich um die Königin und die Eier, die sie produziert.
Dieses Verhalten wird als altruistisch angesehen, da es letztendlich der Königin zugutekommt, Nachkommen zu produzieren, während die Arbeiterinnen steril bleiben. Bei Honigbienen ist die Königin normalerweise die Mutter (fast) aller Bienen im Stock.
Die Wissenschaftler fanden im Rahmen ihrer Studienarbeit heraus, dass Gene, die Arbeiterinnen empfänglich für die Pheromone machen und damit das Verhalten zur Gefolgschaft auslösen. Die Gene können entweder von der Bienenmutter, der Königin, oder dem Bienenvater, einem Drohn, weitergegeben werden. Die Gene führen jedoch nur dann zu dem bekannten altruistischen Verhalten, wenn sie von der Mutter weitergegeben werden.
Die Ergebnisse geben nicht nur Einblicke in das Verhalten von Bienen, sondern zeigen auch, dass die Art und Weise, wie bestimmte Gene von einem Elternteil geerbt werden, Auswirkungen auf die Expression dieser Gene haben kann, was bei Insekten besonders schwierig zu untersuchen ist.
„Die Leute denken oft, dass unterschiedliche Phänotypen das Ergebnis unterschiedlicher Gensequenzen oder der Umwelt sind“, so Sean Bresnahan von der Pennsylvania State Universität. „Aber diese Studie zeigt, dass es nicht nur Unterschiede im Gen selbst gibt – es kommt darauf an, von welchem Elternteil das Gen geerbt wird. Da das Insekt das Gen von seiner Mutter bekommt, verhält es sich möglicherweise anders als die Kopie des Gens vom Vater, unabhängig von der Gensequenz.“
Die Studie, so Professorin Christina Grozinger an der Penn State Universität,
unterstütze auch die Verwandtschaftstheorie des intragenomischen Konflikts – eine Theorie, die besagt, dass die Gene der Mütter und Väter im Konflikt darüber stehen, welches Verhalten sie unterstützen und welches nicht. Während früherer Arbeiten habe sich gezeigt, dass Gene von Männchen egoistisches Verhalten bei Säugetieren, Pflanzen und Honigbienen unterstützen können. Die aktuelle Studienveröffentlichung sei aber nun die erste, die zeige, dass Gene von Weibchen altruistisches Verhalten an ihre Nachkommen weitergeben können.
„Honigbienen sind eine der wenigen Tierarten, die altruistisches Verhalten zeigen, bei dem einige Individuen ihre eigene Fortpflanzung aufgeben, um anderen zu helfen“, erläutert Christina Grozinger. „Diese Studie enthüllt eine sehr subtile und unerwartete Form der genetischen Kontrolle dieser Verhaltensweisen. Mit unserem System sehen wir, dass Gene der Mutter – der Königin – altruistisches Verhalten bei ihren Nachkommen unterstützen, was zu mehr Kopien ihrer Gene in der Population führt. Anstatt ihre eigenen Eier zu produzieren, unterstützen die Arbeiterbienen die Fortpflanzung der Königin. Dies ergänzt unsere früheren Studien, die zeigten, dass die Gene der Väter egoistisches Verhalten bei Arbeiterinnen unterstützen, bei denen die Bienen aufhören, ihrer Königinmutter zu helfen und sich auf ihre eigene Fortpflanzung konzentrieren.“
„Kinship Theory of Intragenomic Conflict“
Die Königin paart sich mit mehreren Drohnen, sodass Arbeiterinnen in einem Bienenvolk dieselbe Mutter, aber unterschiedliche Väter haben können. Alle Arbeiterinnen teilen damit die Gene der Mutter als einheitliche Basis.
„Aus diesem Grund sagt die Verwandtschaftstheorie des intragenomischen Konflikts voraus, dass von der Mutter geerbte Gene altruistisches Verhalten bei Honigbienen unterstützen“, so Sean Breshnahan. „Eine Arbeiterin profitiert mehr davon, ihrer Mutter und ihren Schwestern zu helfen, als mit ihnen zu konkurrieren – die mehr Kopien der Gene der Arbeiterin tragen, als sie jemals allein reproduzieren könnte. Im Gegensatz dazu werden bei Arten, bei denen sich das Weibchen nur einmal paart, die Gene des Vaters als förderlich für altruistisches Verhalten eingeschätzt.“
Während der Studie kreuzten die Forscher sechs verschiedene Honigbienenlinien.
Nachdem die Bienenpopulationen gekreuzt und die Nachkommen alt genug waren, untersuchten die Forscher die Reaktion der Arbeiterbienen auf die Pheromone, die das Gefolgeverhalten auslösen, sowie ob die Bienen ihre Eierstöcke als Reaktion auf das Pheromon inaktivierten.
„Schließlich verwendeten wir RNA-Sequenzierung, um die genomweite Genexpression bei den Arbeiterinnen zu untersuchen; aber wichtig war auch, dass wir die Genome der Eltern dieser Kreuzungen sequenzierten“, erklärt Sean Bresnahan. „So konnten wir personalisierte Genome für die Eltern entwickeln und dann die Genexpression der Arbeiterinnen auf jedes Elternteil zurückführen und herausfinden, welche Kopie dieses Gens bei welchem Elternteil exprimiert wird.“
Um zu versuchen, diesen Konflikt innerhalb des Genoms zu visualisieren, verwendeten die Forscher verschiedene Techniken, darunter Maschinelles Lernen, um Genregulationsnetzwerke oder Gengruppen zu untersuchen, die von ähnlichen Transkriptionsfaktoren reguliert werden, um ähnliche Expressionsmuster zu erzeugen. Die Forscher untersuchten die Beziehungen zwischen Genen und Transkriptionsfaktoren – den Proteinen, die Gene ein- oder ausschalten können –, die von der Kopie der Mutter exprimiert wurden, und solchen, die von der Kopie des Vaters exprimiert wurden, um herauszufinden, ob und wo möglicherweise versucht wurde, die Auswirkungen des anderen auszugleichen.
Letztendlich konnten die Wissenschaftler genregulatorische Netzwerke mit intragenomischen Konflikten identifizieren. Sie fanden heraus, dass mehr Gene mit einer elterlichen Tendenz exprimiert wurden. Diese mütterliche oder väterliche Expressionsverzerrung ist das Kennzeichen intragenomischer Konflikte. Diese Netzwerke bestanden aus Genen, die früheren Untersuchungen zufolge mit dem Verhalten der Folgsamkeit in Zusammenhang standen.
„Intragenomische Konflikte zu beobachten ist sehr schwierig, und daher gibt es nur sehr wenige Studien, die die Rolle untersuchen, die sie bei der Schaffung von Verhaltensvariationen und anderen Merkmalen spielen“, so Christina Grozinger und verwies auf die früheren Untersuchungen ihrer Gruppe, die Eierstockaktivierung und Aggression bei Arbeiterinnen aufgedeckt hatten; beide deuten auf egoistisches Verhalten hin. „Die Tatsache, dass dies das dritte Verhalten ist, bei dem wir Beweise dafür gefunden haben, dass intragenomische Konflikte zur Variation bei Honigbienen beitragen, deutet darauf hin, dass intragenomische Konflikte viele Arten von Merkmalen bei Bienen und anderen Arten prägen könnten. Hoffentlich wird unsere Forschung anderen Wissenschaftlern einen Rahmen und eine Inspiration bieten, um intragenomische Konflikte bei ihren Pflanzen- und Tierarten zu untersuchen.“